der antirassistische newsletter für
dessau und umgebung
<home><16.02.2004>

Nachbetrachtung zur Veranstaltungsreihe "Braune Schattierungen in der Rechten Szene"

Im November und Dezember 2003 konnten interessierte BürgerInnen insgesamt vier Veranstaltungen im Rahmen der Bildungsreihe "Braune Schattierungen in der Rechten Szene", erleben. Die Veranstaltungsreihe wurde maßgeblich von der Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus Dessau (Projekt gegenPart) organisiert, vom Bundesprogramm Civitas gefördert und in enger Kooperation mit dem Dessauer Bündnis gegen Rechtsextremismus und dem Offenen Antifaplenum durchgeführt. Im folgenden soll versucht werden, ein kurzes Resümee über 3 der Einzelmaßnahmen zu ziehen. interessierte ZuhörerInnen der veranstaltung Weil die ohne Weiber gar nicht können


Veranstaltungsplakat vertiefte Zuhörerin der veranstaltung Weil die ohne Weiber gar nicht können Das Buch zum Vortrag

 



"Weil die ohne Weiber gar nicht können – Junge Frauen in der rechten Szene"

mit Ruth Hofmann (Hörfunk-Autorin und Buchautorin)

Um es gleich vor weg zu nehmen, diese Buchlesung in der Anhaltischen Landesbibliothek Dessau, war die mit weit über 50 Gästen am besten frequentierte Veranstaltung in der gesamten Reihe. Zweifellos profitierte der Vortrag der Hörfunkjournalistin und Buchautorin Ruth Hofmann davon, dass es integraler Bestandteil des bekannten Kulturformates "Herbstlese" der Anhaltinischen Landesbibliothek war.

Referentin Ruth Hofmann

Ruth Hofmann bewegte sich zur Recherche ihres Buches "Weil die ohne Weiber gar nicht können", lange im Umfeld diverser rechter und rechtsextremer Gruppen und loser Zusammenhänge. In ausführlichen biografischen Interviews lässt die Autorin in ihrer Publikation zehn junge Frauen aus Ost- und Westdeutschland zu Wort kommen, die in der rechtsradikalen Szene in verschiedenen Funktionen aktiv sind oder waren. Ihre Lesung am 06. November 2003, fußte konsequenterweise grundlegend auf die, bei dieser Recherche gesammelten, Erfahrungen.

Die Frage, wie Frauen mit ihrer nachweislich höheren und subtiler ausgeprägten sozialen Kompetenz, überhaupt in die Rechte Szene geraten und/oder ein neonazistisches respektive inhumanes Weltbild für sich annehmen, stand u. a. im Mittelpunkt der Lesung. Dabei kristallisierte sich schnell heraus, dass es für den Einstieg in die Szene, kein allgemeingültiges und monokausales Muster gibt. Soziologisch komplexe und individuelle Faktoren, gepaart mit einer entsprechenden Konditionierung, könnten aber gerade bei jungen Frauen, schnell zur Integration in und zur Identifikation mit rechtsextremen Zusammenhängen führen. Dass dabei der bereits in der Szene aktive, männliche Partner oftmals die "Einstiegsdroge" sei, war relativ unstrittig.

Ein durchaus ambivalentes Verhältnis, zu der von der Autorin an den Tag gelegten Empathie für die rechten Frauen und ein von ihr bekundeter Dialogwille diesbezüglich, baute sich schnell bei einem Teil des rege mitdiskutierenden Publikums auf. In einigen Wortmeldungen kam klar zum Ausdruck, dass Frauen in der Rechten Szene längst nicht mehr ausschließlich von den dominierenden Männern auf die klassische und geschlechtlich-antiemanzipatorische Mutter- und/oder Haushaltsrolle reduziert werden. Vielmehr gebe es immer mehr Frauen, die sich bewusst für eine rechte Karriere entschieden und organisatorisch und infrastrukturell wichtige Aufgaben in braunen Netzwerken übernehmen würden.

Die Lesung und die anschließende Gesprächsrunde war nicht nur interessant, sondern bot den zahlreich anwesenden Akteuren, die sich in Dessau und Umgebung gegen Rechtsextremismus engagieren, Diskussionsstoff weit über den 06. November 2003 hinaus.

 


"Terror von Rechts – Ziele, Taktiken und Strategien"

mit Ulli Jentzsch (Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin)

Rechtsterroristische Aktivitäten gab es in der Vergangenheit immer wieder. Das Attentat beim Münchner Oktoberfest, die Bombenserie in Österreich, oder der Anschlag auf das Grab Heinz Galinskis in Berlin, sind nur einige Beispiele.

Dieser Vortrag allerdings ging der Frage nach, in wie weit Terror von Rechts in der Bundesrepublik, in Europa und den USA, aktuell eine erstzunehmende Bedrohung für MigrantInnen, antirassistische AktivistInnen und soziale Randgruppen darstellt.

Gleich zu Beginn des Vortrages legte der Referent wert auf die Feststellung, dass es in der BRD seit der Wiedervereinigung eine kontinuierliche Terrorwelle von Rechts gab und gibt. Hier seien nicht im Geheimen operierende Organisationen gemeint, sondern vielmehr der leider fast alltägliche Terror. Weit über hundert Opfer sind in den letzten 13 Jahren zu beklagen: Verbrannte Menschen in Asylbewerberheimen, oder erschlagene MigrantInnen, linke Aktivisten und Obdachlose.

Natürlich spielte der medial viel beachtete Sprengstofffund und der geplante Anschlag auf ein im Bau befindliches, Jüdischen Gemeindehaus eine zentrale Rolle. Hier zeige sich, wie eine neonazistische Kameradschaft oder einzelne Rechtsextreme aus dem Umfeld einer solchen Gruppierung, zu terroristischen Mittel greifen können. Allerdings sollte das Münchner Beispiel nicht dazu verleiten, in den weit über 200 Kameradschaften in der BRD sofort und per se rechtsterroristische Strukturen auszumachen.

Just einige Tage vor dem Referat, gab es darüber hinaus eine großangelegte Razzia in mehreren Bundesländern gegen den deutschen Ableger der Neonaziorganisation "Combat 18". Diese Gruppierung gründete sich ursprünglich in England und im Vereinigten Königreich gehen mehrere Bombenanschläge mit Toten und Verletzten auf das Konto von Combat 18. Combat 18 verstand sich auch immer als der militante/militärische Arm des international agierenden Neonazinetzwerkes "Blood and Honour" ("Blut und Ehre"). Blood and Honour wurde in der Bundesrepublik vor einigen Jahren verboten, obwohl der Verfassungschutz und andere staatliche Institutionen mittlerweile davon ausgehen, dass eine wirkliche Zerschlagung der Strukturen durch das Verbot nicht erreicht werden konnte.


"Rechtspopulismus in Europa"

mit Andreas Speit (freier Journalist und Buchautor)

Am 11. Dezember 2003 hielt Andreas Speit, freier Journalist u. a. für die TAZ und Autor des Buches "Ronald Schill – Der Rechtssprecher", einen wirklich bemerkenswerten Vortrag zum Thema "Rechtspopulismus in Europa" im Dessauer Galeriecafe. Am Anfang stand selbstredend die Beschäftigung mit der Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO) um deren Galionsfigur Ronald Schill. Der Aufstieg des law and order-Amtsrichters zum Hamburger Innensenator, so zeigte der weitere Verlauf der Veranstaltung, kann durch aus als exemplarisch betrachtet werden.

Mit einer überraschenden, aber plausiblen These, wartete Andreas Speit in seinen Aausführungen zu rechtspopulistischen Bestrebungen in Europa auf. Für ihn ist Rechtspopulismus keine Bewegung, auch kein wirklich neues Phänomen und auch keine Analysekategorie, die ausschließlich auf politische Vereinigungen anzuwenden ist, die in einer klassischen Partei organisiert sind. Speit sieht im Rechtspopulismus viel mehr eine Spielart eines gewissen Politikstils. Er arbeitete mehrere Punkte heraus, die seine These belegen sollen. Rechtspopulistische Zusammenhänge personifizieren gesellschaftliche Defizite, projizieren Fehlentwicklungen auf bestimmte Gruppen oder Personenkreise und kommen in den meisten Fällen nicht ohne eine charismatische Leitfigur aus. Als Kernthese formuliert der Journalist eine Simplifizierung von komplexen Sachzusammenhängen, die er in allen rechtspopulistischen Bestrebungen als Hauptmerkmal ausmacht. Ob die Schill-Partei in der Bundesrepublik oder die FPÖ in Österreich, alle Rechtspopulisten scheuen sich davor, komplizierte ökonomische, soziale ,politische und soziologische Gebilde zu analysieren und entsprechend programmatische Aussagen dazu zu treffen, sondern bieten einfache und vermeintlich bürgernahe Lösungen an. Mal ist es der Filz in Politik und Wirtschaft gegen den gewettert wird, mal die ausufernde Kriminalität oder die abgezockten AutofaherInnen. Natürlich so wurde konstatiert, wartet man bei Rechtspopulisten auf Fakten und empirische Daten die ihre Forderungen belegen könnten, meistens genau so vergebens, wie auf ein realistisches Finanzierungskonzept.

Bei dieser Vereinfachung als Politikkonzept passiert es fast zwangsläufig, dass die meisten Rechtspopulisten nicht ohne Rassismus , Fremdenfeindlichkeit und soziale Stereotype auskommen.


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Projekt >gegenPart<
Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit u. Antisemitismus
c/o Alternatives Jugendzentrum e. V.

Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Phone/Fax: 0340/ 26 60 213
e-mail: projektgegenpart@gmx.net
url: www.projektgegenpart.org


  Jahrgang 2004 | Ausgabe 10 | 16 Februar 2004