der antirassistische newsletter für
dessau und umgebung

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Sagt nicht, ihr hättet von nichts gewusst Die Chronik Teil 2

| 1994

05. 02., Wittenberg: In der Wohnung von Andreas Mattheus, dem Vorsitzenden des Kreisverbandes der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH), explodiert ein Sprengsatz aufgrund starken Alkoholgenusses vorzeitig. Die Bombe galt einer Wahlkampfveranstaltung der PDS, auf der der damalige Bundesvorsitzende Lothar Bisky auftreten sollte. Mattheus, Marco Strebe und drei weitere Nazis werden festgenommen, Mattheus wird später freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft sah keinen politischen Hintergrund.

06. 03., Dessau: Im Eiscafé in Waldersee werden zwei Engländer von „einer Gruppe Jugendlicher“ nach „Verständigungsschwierigkeiten“ angegriffen und dabei verletzt. Einer der beiden musste zur Behandlung in eine Hallenser Klinik gebracht werden. (MZ 08. 03. 94)

31. 05., Dessau: Im Berufsschulzentrum wird ein deutschstämmiger Aussiedler von zwei rechten Jugendlichen unter dem Ruf „Ausländer raus, Russen raus, ab geht´s nach Russland!“ geschlagen.

Ende Aug., Dessau: 10-15 „Jugendliche“ singen vor dem Jugendclub „Kreuzer“ das „Horst-Wessel-Lied“. Bei der Festnahme von 9 „Jugendlichen“ wurde 1 Polizist verletzt und einer bedroht.

10. 09., Holzweißig (BTF): 15 militante Neonazis schlagen vor einer Diskothek auf zwei Jugendliche ein. Sie rufen dabei: „Judenschweine, schlagt sie tot, schlagt ihnen den Schädel ein!“

21. 12., bei Kropstädt (WB): Die „Kameradschaft Ostelbe“ veranstaltet eine Wintersonnenwendfeier mit ca. 25 Teilnehmern aus Sachsen-Anhalt und Berlin, darunter der damalige Vorsitzende der „Nationalen e. V.“, Frank Schwerdt.




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1995

18. 02., in Schenkenberg bei Delitzsch:
Von einem massiven Bullenaufgebot, BGS und Staatsschutz geschützt, treffen sich (3 Tage vor dem Verbot durch den Bundesinnenminister) 150 Mitglieder und Sympathisanten der FAP. Dabei sind u. a. Nazis aus Delitzsch, Bitterfeld und Eilenburg. Mehrere Jugendliche werden zusammengeschlagen.

25. 05. (Himmelfahrt), Dessau: Ein Trabi aus AZE fährt langsam am AJZ vorbei, wobei der Beifahrer aus dem Fenster hängend den Hitler-Gruß zeigt. In Haideburg und Kühnau feiern einige Nazis.

30. 05., Köthen: In der ehemaligen Molkerei wird von vier 14-18jährigen rechten Jugendlichen ein Brandanschlag auf Obdachlose verübt. Zwei weitere stehen Schmiere. Ein Opfer muss mit lebensgefährlichen Verletzungen in eine Spezialklinik nach Aachen geflogen werden. Er ist noch heute in Behandlung.

Juni, Dessau: Zwei Antifas werden von Neonazis zusammengeschlagen.

20. 10., Dessau: Auf dem Weg vom Kreuzer nach Hause werden im Lorkpark 2 Punks von 10-15 Faschos zusammengetreten

„Volkstrauertag“, Landkreis Wittenberg: Eine „Gedenkveranstaltung“ der „Nationalen e. V.“ mit ca. 30 Neonazis findet statt.




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1996

02. 02., Nudersdorf (WB): Ca. 15 Neonazis der „Kameradschaft Elbe-Ost“ randalieren in und vor einer Diskothek. Mind. ein Besucher erleidet Verletzungen, ein Bus wird stark beschädigt.

Ende März, Wittenberg: Zwei „Skinheads“ überfallen eine 20jährige Frau und rauben ihr 100 DM. (MZ 27. 03. 96)

Ende März, ? :Ein Vietnamese wird von „zwei Angetrunkenen“ geschlagen. Die Täter wurden festgenommen (MZ 28. 03.96)

Etwa Anfang April 1996 zeigen sich in Dessau erstmals seit ca. Mitte 1992 wieder häufiger Nazis in eindeutigem Outfit. Es gibt des Öfteren Pöbeleien und das nicht nur in Stadtvierteln, in denen der Anteil rechter Jugendlicher schon seit Jahren hoch war, wie Süd, Haideburg oder Kühnau, sondern sogar im eher alternativ/links dominierten Stadtteil Nord, was in der Zeit davor fast nie vorkam.

04. 04., Wittenberg: Am „Piesteritzer Hof“ werden ca. 15 Punks und Antifas von Faschisten angegriffen, die mit Baseballschlägern, Gaspistolen und einem Ninja-Schwert bewaffnet sind. Dabei sticht der Antifa S. den ihn verfolgenden und auf ihn einschlagenden Michael Spieß in Notwehr nieder. Der damalige Kameradschaftschef Danny Thüring leitete die Aktion aus einem Auto heraus, wobei Kommandos wie „Sammeln“, „Angriff“ oder „Rückzug“ über den Platz schallen. S. stellt sich zwei Tage später und geht bis zu seinem Freispruch im Herbst in U-Haft. Beim Prozess vor dem Landgericht Dessau treten Danny Thüring, Silvio Ziegler, Mario Pflaumer (GHC), Michael Spieß und der neue Kameradschaftschef Andreas Neugebauer als Belastungszeugen auf.

Ende Apr./Anfang Mai, Dessau: Nach tagelanger Präsenz von Neonazis wird die Wohnung eines Punks in Süd gestürmt. Dabei werden mehrere Menschen aus dem Fenster im 2. Stock geworfen und der Wohnungsinhaber zusammengeschlagen. Ein Opfer muss im Krankenhaus behandelt werden und entgeht knapp einer Querschnittslähmung.

04. 05., Dessau: An einer Telefonzelle am Liboriusgymnasium pöbeln drei Neonazis eine 17jährige Linke an. Diese kann den Angriff mit einem Teppichmesser durch einen gezielten Tritt abwehren; die Täter flüchten. An einer Kaufhalle beleidigen dieselben Faschisten eine andere Frau, wobei aber nichts passiert.

12. 05., Wittenberg: Ein Hetzflugblatt der „Kameradschaft Elbe-Ost“ gegen das linke Kulturzentrum „Schweitzer Garten“ und den PDS-Landtagsabgeordneten Matthias Gärtner taucht auf. Es wurde zusammen mit der aktuellen Ausgabe der „Mitteldeutschen Rundschau“, einer Zeitung der extrem rechten „Nationalen e. V.“ aus Berlin, in Briefkästen verteilt.

16. 05. („Männertag“), Dessau: Eine Gruppe von 9 AntifaschistInnen trifft am Landhaus im „grünen Gürtel“ auf ca. 12 Neonazis, die sie mit „Scheiß Zecken, verpisst Euch!“ begrüßen. Nachdem auf diese Provokation nicht eingegangen wird, wird „Sieg Heil!“ skandiert, worauf mit „Nazis raus!“ geantwortet wird. Ein erster Angriff der Neonazis kann auch mit Hilfe der Wirtin abgewehrt werden, wobei einer der Angreifer verletzt wird. Der OB, Hans-Georg Otto, und andere Vertreter der Stadtverwaltung, wohnen dem Schauspiel bei. Otto entscheidet sich zu gehen. Nach einigen Drohungen gegen die Antifas entfernten sich auch die Nazis in Richtung der Kneipe „Stillinge“. Als die Antifas auf ihrem Weg zurück zum AJZ dort vorbeikommen, werden sie erneut – diesmal mit Knüppeln und einer Eisenstange - angegriffen. Resultat: Verletzte, davon ein Nasenbeinbruch.
Als Otto in der Stadtratssitzung am 05. 06. mit seinem Verhalten konfrontiert wird, behauptet er, die „Sieg Heil!“ - Rufe nicht gehört zu haben. Ein Punk, der darauf mit dem gleichen Ruf reagiert, bekommt eine Anzeige und Geldstrafe.

15. 06., Dessau: DSU-Veranstaltung im Restaurant am Museum

23. 05., Sandersdorf (BTF): Ein Nazikonzert mit ca. 80 Gästen aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt findet statt. Es tritt u. a. die Dessauer Naziband „Madcorps“ auf.

09. 07., Muldenstein (BTF): Zwei 26jährige Asylbewerber aus Afrika werden von ca. 20 rechten Jugendlichen beschimpft und mit einem großen Stein und Bierflaschen beworfen. Anschließend beginnt eine Hetzjagd per Auto, dem die zu Fuß Flüchtenden mehrmals nur mit Sprüngen über Motorhaube und Hecken entgehen können. Als sie schließlich mit abgebrochenen Bierflaschen bedroht werden, greift ein Anwohner ein und rettet die beiden. (MZ 11. + 12. 07. 96)

Aug., Wittenberg: Aktionsmonat auch der Kameradschaft „Elbe-Ost“ für den „Märtyrer des Reichs“, Rudolf Hess. Etliche Aufkleber dazu werden in WB und Umgebung verklebt.

02. 08., Coswig: Einige Besucher einer Punker-Party werden zusammengeschlagen. Zu Hilfe gerufene AntifaschistInnen finden eine von Faschisten geradezu wimmelnde Kleinstadt vor. An der Hauptstraße Richtung Wittenberg stehen ca. 20 mit Knüppeln und Schreckschusspistolen bewaffnete Neonazis, die die Autos der Antifas mit Steinen angreifen. Diverse voll besetzte Autos von Faschisten fahren mit erheblicher Bewaffnung durch die Stadt. Aus einem Auto heraus wird dahinter fahrenden Antifas mit einer Axt und einem Baseballschläger gewunken.

03. 08., Wittenberg: ca. 150 Neonazis versammeln sich auf dem Bahnhof, um einen Aufmarsch durchzuführen, was vom BGS verhindert wird. Einige Autos fahren teilweise mit wehender Reichskriegsflagge durch die Stadt, wobei die Polizei nicht einmal vor dem Polizeirevier eingreift. Später treffen sich die Rechten im „Spartenheim“ in Reinsdorf. Der Wittenberger CDU-Fraktionschef, Frank Scheurell, meinte gegenüber einem dort arbeitenden Nazi, dass er bei dem versuchten Aufmarsch gern mit gelaufen wäre.

Ende Sept./ Anfang Okt., Bad Schmiedeberg: Ein 52jähriger Engländer wird von mind. vier 19-21jährigen Neonazis überfallen. Er wird durch einen Baseballschläger verletzt. Gegen die vier Täter ergeht Haftbefehl. (MZ 12. + 14. 10. 96)



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1997

25. 01., Dessau: Vier Neonazis überfallen einen alternativen Jugendlichen am Lidiceplatz, übergießen ihn mit Benzin und versuchen, ihn anzuzünden. Er kann gerade noch entkommen.

30. 01. (Jahrestag der Machtübernahme Hitlers), Dessau: Vier Faschisten schlagen gegen 14.30 Uhr am Hbf. einen Punk zusammen. Ebenfalls am Nachmittag werden an gleicher stelle 2 Jugendliche zusammengetreten. Gegen 21 Uhr marschieren 7 Nazis mit „Sieg Heil!“ - Gegröhle durch den Bahnhof. Eine halbe Stunde später wird ein weiterer Jugendlicher in der Bahnhofshalle zusammengetreten.

31. 01., Dessau: Zwei Antifaschisten können im Hbf. einer Gruppe Neonazis gerade noch entkommen. Am Westausgang wird ein Punk zusammengetreten. Abends gröhlen in der Bahnhofshalle ca. sieben Nazis „Sieg Heil!“ und treten einen Neuntklässler und mind. zwei weitere Leute zusammen.

08. 02., Dessau: Gegen Mitternacht versuchen zwei betrunkene Nazi-Glatzen Am Rondell eine 16jährige Frau in ihr Auto zu zerren, beschimpfen sie als „Zecke“ und drohen sie „fertig zu machen“. Sie kann sich mit einem Stock wehren und entkommen.

01. 03., München: Ca. 5.000 Nazis (der größte Aufmarsch in der BRD seit Jahrzehnten) aus dem gesamten Bundesgebiet marschieren gegen die „Wehrmachtsausstellung“. Von den zahlreichen gemieteten Bussen kamen allerdings nicht alle in München an. In Berlin weigern sich 3 von 4 Busfahrern, die Faschisten zu fahren. In Halle greifen laut Polizeiangaben ca. 20-40 vermummte Jugendliche 4 Busse an. Daraufhin müssen 2 Busse aus der Altmark den Heimweg antreten. Verletzt wird niemand. Ein Bus sammelt auch Nazis z. B. aus Bernburg und Köthen ein.

April, Dessau: Vereinzelt wird der Aufruf zur NPD/JN - Demo am 1. Mai in Leipzig gefunden. Bundesweit wurden angeblich 70.000 Exemplare verteilt.

16. 04., Berlin: Im Anschluss an die Verlobungsfeier des Berliner Nazikaders Mike Penkert und seiner zukünftigen Frau werden der damalige Vorsitzende der „Kameradschaft Wittenberg“, Chris Danneil (26), und Olaf Schmidke (32), ebenfalls „KW“, von den Berliner Nazikadern Nolde und Schillock erstochen. Unter den Mitinsassen des Autos (insgesamt. 7) ist auch der ehem. Vorsitzende der „Kameradschaft Wittenberg“, Danny Thüring. Vorausgegangen war angeblich ein Streit über das Verbotsdatum der FAP.

10. 05., Bitterfeld: Ca. 40 Neonazis dringen in das Multikulturelle Jugendzentrum ein, stehlen Einrichtungsgegenstände und hinterlassen Hakenkreuze.

17. 05., Wittenberg: Ca. 150 Nazis u. a. aus Hannover, Merseburg, dem Mansfelder Land, Hamburg, Berlin und den Reihen der „Kameradschaft Wittenberg“ treffen sich. Im 30 km entfernten Prettin führen sie eine Gedenkfeier am Grab von Danneil durch. Obwohl Journalisten angegriffen werden, unternimmt die anwesende Polizei nichts.

26. 06., Dessau: Ca. 10 bekannte Faschisten versuchen im Hbf. einen Antifa zusammenzutreten. Dieser wehrt sich, geht aber zu Boden und hört mehrmals den Abzug der Schreckschusspistole, die ihm von Manfred Schütz (damals 29) an den Kopf gehalten wird, klicken.

03. 10., Bitterfeld: Bei den offiziellen Wiedervereinigungsfeierlichkeiten wird der Bruder eines Antifaschisten angepöbelt und zusammengeschlagen. Am Abend und in den folgenden 2 Wochen versuchten Neonazis mehrmals das neue besetzte Haus „Festung“ anzugreifen. Dabei wurden selbst unter Augen der Polizei mehrmals Molotowcocktails geworfen, die aber nicht bis an die Gebäude flogen. AntifaschistInnen setzten sich gegen die Angriffe zur Wehr, weshalb diese allmählich nachließen.

10. 10., Naumburg-Boblas: Auf einem ehem. Armeegelände findet ein Nazikonzert statt. Auf dem von der „Anti-Antifa Boblas“ organisierten Konzert spielt u. a. die Band „Madcorps“ aus Dessau.

15. 11., Wittenberg: Zum wiederholten Mal wird ein Türkischer Imbiss überfallen. 10 Faschisten verwüsten das Mobiliar und die Speisen. Die „Jugendbande“ hatte im Okt./Nov. noch drei weitere Überfälle auf BetreiberInnen von Döner - Imbissen verübt.

21. 11., Bernburg: Bei einer vermutlichen „Auseinandersetzung zwischen der rechten und linken Szene“ wird ein 14jähriges Mädchen schwer verletzt. (MZ 24. 11. 97)

20. 12., Jessen: Ca. 30 Neonazis nehmen an einer von der Kameradschaft „Elbe-Ost“ organisierten Wintersonnenwendfeier teil.




Antifa Dessau

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Diese Chronik über rassistische, rechtsextremistische und neofaschistische Gewalt- und Propagandadelikte in Dessau und den angrenzenden Landkreisen wird seit 1999 in unregelmäßigen Abständen von der Antifa Dessau erstellt. In die Chronik haben nur gesicherte und nachrecherchierte Informationen Eingang gefunden. Demnächst können die Chroniken ab 1990 auf der homepage www.projektgegenpart.org eingesehen und runtergeladen werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, chronikrelevante Vorfälle zu melden, die dann nach genauer Prüfung auf Authentizität Eingang in die Chronik finden. In der nächsten Ausgabe des newsletters werden die Chroniken der Jahre 1998-2000 veröffentlicht.

  Jahrgang 2003 | Ausgabe 02 | 31. März 2003