der antirassistische newsletter für
dessau und umgebung

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Die Forschungsgruppe Zyklon B Dessau und/oder
die unvollständige Chronologie der Ereignisse zur Errichtung einen Informations- und Mahnpunktes Zyklon B in Dessau

Die Forschungsgruppe Zyklon B Dessau (FG) gründete sich am 30.10.1996 nach der Ausstellung „Schwestern vergesst uns nicht“ im Dessauer Rathaus, welche die Schicksale der Insassinnen der Frauen-Konzentrationslager Moringen-Lichtenburg und Ravensbrück thematisierte. Zur Eröffnung eben jener Ausstellung gab es einen Vortrag zur Zyklon B-Produktion in Dessau. Die zukünftigen MitgliederInnen der Forschungsgruppe kamen bei diesem zu der Erkenntnis, dass kaum jemand über den Produktionsstandort Dessau informiert war und diese Tatsache in der gesamten Stadthistorie bisher kaum eine Rolle gespielt hatte.

Hauptanliegen der FG waren von Anfang an: Information über den Zusammenhang von Zyklon B und Dessau, Mahnung an die durch Zyklon B und dessen Produktion in Dessau begangenen Verbrechen. Die FG wollte und will immer noch aufzeigen, dass für Menschen an sich nützliche Erfindungen missbraucht werden können. Nie stand dabei, wie von ausgewiesenen GegnerInnen des Projekts des Öfteren kolportiert, eine pauschale Schuldzuweisung zur Debatte.

Im Laufe der Forschungstätigkeit nahm die FG u. a. Kontakte zu Opferverbänden, KZ-Gedenkstätten und –Lagergemeinschaften auf, sprach mit HistorikerInnen, recherchierte in diversen Archiven und im Internet. Das Studium von Sekundärquellen, in Form von Büchern und Broschüren, ist ein weiterer Arbeitsschwerpunkt. Nicht zu letzt wurde versucht ZeugInnen in Dessau ausfindig zu machen, die direkt Aussagen über die Produktion in der Zuckerraffinerie treffen konnten oder wollten. Dieser Teilbereich stellte sich als besonders schwierig und oftmals nicht produktiv heraus.

Bei all diesen Aktivitäten verfolgt die FG vor allem zwei Ziele: Die Erarbeitung und das Publizieren einer Broschüre, sowie die Errichtung eines Informations- und Mahnpunktes Zyklon B im öffentlichen Raum Dessaus, der zudem zentral gelegen (OdF-Mahnmal/Stadtpark, Bahnhof, Rathaus usw.), fußläufig zu erreichen und somit von BewohnerInnen und TouristInnen stark frequentierten werden kann.

Die erste öffentliche Veranstaltung , die über das Wirken der FG informierte, fand am 29.04.1998 im Galerie-Cafe in der Schlossstraße statt.

Im März 1999 trat die FG erstmals an die Stadtratsfraktionen heran, um eine mögliche Unterstützung für die Errichtung eines Informations- und Mahnpunktes Zyklon B auszuloten. Reaktionen gab es nur von den Fraktionen der SPD (recht ablehnend), der PDS und von B90/ Die Grünen. Konkrete Ergebnisse, Zusagen oder Vereinbarungen gab es nicht.

Nach dem die FG im März 2000 nochmals an alle Fraktionen und an den Kulturausschuss der Stadt Dessau (Kultur-AS) einen Brief mit der Bitte um Vorstellung unseres Projektes sandte, luden uns die Stadtratsfraktionen der SPD, der Alternativen Fraktion und der PDS zu einem Gespräch ein.

Am 17.05.2000 stellte die FG in einer Sitzung des Dessauer Kulturausschusses das Projekt des Informations- und Mahnpunktes, einschließlich diverser Standortvorschläge, vor. Bei vielen Ausschuss - MitgliederInnen stießen die vorgelegten Pläne zum Teil auf harsche Ablehnung, was Aussagen wie „Investorenschreck“, „Kollektivschuld“ und, „Touristenschreck“ eindrucksvoll belegen. Es wurde der Vorschlag protegiert, von einem zentralen Mahn- und Informationspunkt Abstand zu nehmen und vielmehr mittels einer kleine Tafel den Umstand der Zyklon B-Produktion in Dessau zu repräsentieren. Nach der hitzigen Debatte und offensichtlich um einen Eklat zu verhindern, einigte sich der Ausschuss darauf, das Projekt zur internen Beratung in die Fraktionen zu weiterzuleiten und dort u. a. auch über Standortvorschläge nachzudenken. Keine der Fraktionen lud die FG nach dieser Kulturausschusssitzung zu einem Meinungsaustausch über unsere Ideen bzw. zur Diskussion ein, wobei vermerkt werden muss, dass diesbezüglich immer direkte Kontakte zur Alternativen Fraktion bestanden.


Im Juli 2000 stellte die FG ihr Projekt eines Informations- und Mahnpunktes in der „Kulturinitiative Dessau“ vor.

Im September 2000 verfasst die FG einen Brief an den damaligen Ministerpräsidenten des Landen Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner (SPD), in dem die Errichtung eines Informations- und Mahnpunktes und der Stand der bisherigen Verhandlungen mit der Kommune thematisiert wurden.

Mit einem ersten Entscheidungsvorschlag wartete das Dessauer Amt für Kultur, Tourismus und Sport am 14.11. 2000 im Kulturausschuss der Stadt – leider in Abwesenheit der FG - auf. In der Vorlage wird nur noch ein Standort für den Informations- und Mahnpunkt, von ehemals 6, als akzeptabel angenommen. Der Ausschuss entscheidet sich mit 5 Ja-Stimmen, einer Nein - Stimme und einer Enthaltung für den Informations- und Mahnpunkt auf der Brauereibrücke in Dessau-West.

In einem Offenen Brief formuliert die FG im Februar 2001 ihren Protest bezüglich des Standortes und kritisiert ihre mangelnde Einbindung im gesamten Entscheidungsfindungsprozess.

Der Kunstbeirat der Stadt Dessau regt im März 2001 an, KunststudentInnen der Burg Giebichenstein und der Fachhochschule Anhalt für das Projekt Informations- und Mahnpunkt zu interessieren und Entwürfe für die Umsetzung erarbeiten zu lassen.

Die FG erstellt eine kleine Ausstellung (fünf A1-Tafeln) und präsentiert in dieser einen kleinen Abriss ihrer bisherigen Forschungsergebnisse. Anlässlich eines Aktionstages zum 8.Mai 2001 wird die Ausstellung im Alternativen Jugendzentrum e. V. Dessau eröffnet.

Im Juni 2001 gibt die FG ihren anfänglichen Widerstand gegen den Standort auf, akzeptiert diesen, und sagt gleichzeitig zu, an der konkreten Umsetzung des Infopunktes inhaltlich mitzuarbeiten. Das zuständige kommunale Amt sichert der FG Kooperation und Mitspracherecht zu.

Am 15.11.2001 realisiert die FG im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Forum Kirche“ im Gemeinde- und Diakoniezentrum St. Georg in Dessau einen inhaltlichen Vortrag, den ca. 100 interessierte Gäste verfolgen.

Am 22.01.2002 werden die Vorentwürfe für einen Informations- und Mahnpunkt von StudentInnen der Burg Giebichenstein und der Fachhochschule Anhalt im Kulturausschuss der Stadt Dessau präsentiert. Neben den StudentInnen wird auch die FG zu den eigentlichen Beratungen vor die Tür gesetzt. Das zugesagte Mitspracherecht tendiert gegen Null.

Die FG bringt am 05.02.2002 in einem Offenen Protestbrief ihren Unmut, über das nicht erfüllte Mitspracherecht im Zusammenhang mit den Entwürfen für einen Informations- und Mahnpunkt, zum Ausdruck.

Am 28.02.2002 werden die Entwürfe der Studierenden im Rathausfoyer der Stadt Dessau ausgestellt. Die FG bewirbt diese Präsentation mit eigenen Flyern und Plakaten.

Der Kulturausschuss der Stadt Dessau wertet am 27. März 2002 die eingegangenen Entwürfe der StudentInnen aus und entscheidet sich für das Projekt von Sandra Scheer (FH Anhalt), dass stilisierte Zyklon B-Dosen mit informierenden Aufschriften am Geländer der Brauereibrücke vorsieht. Ergänzend entschließt sich das Gremium, die Internet-Site www.zyklon-b.info des Studenten Holger Beisitzer (Burg Giebichenstein) zum integralen Bestandteil des Informations- und Mahnpunktes zu machen. Auch bei dieser Entscheidung werden der FG keine Mitspracherechte zugebilligt. Scheer und Beisitzer erfahren von der Entscheidung aus der Zeitung bzw. von der FG.

Seit Mai 2002 arbeitet die FG mit den betreffenden StudentInnen zusammen. Von offizieller Seite der Stadt gab es bis September 2002 keine Verlautbarungen über die weitere Verfahrensweise bezüglich des Info- und Mahnpunktes.

Mit vielen Print- und elektronischen Medien hat die FG im Laufe der Jahre bereits zusammenarbeiten können. Hervorzuheben wäre u. a. ein Bericht in der Nachrichtensendung „MDR aktuell“, ein Feature für den MDR-Hörfunk und ein Beitrag von „Spiegel TV“. Zuletzt strahlte der MDR im Oktober 2002 eine Sendung im Rahmen des Formates „Sachsen-Anhalt Spezial“ aus, die sich mit der Errichtung eines Info- und Mahnpunktes Zyklon B beschäftigte und in der sowohl VertreterInnen der FG, als auch der Stadt Dessau zu Wort kamen. Anlass war die Arbeit eines Dessauer Gymnasiasten, der mit einem Beitrag über Zyklon B und Dessau und der Forschungstätigkeit der FG eine preiswürdige Platzierung bei einem vom MDR und der Arbeiterwohlfahrt ausgeschriebenen Wettbewerb erringen konnte.

Am 16. 10.2002 eröffnete das Dessauer Kulturamt der FG, dass über einen freien Träger (KIEZ e.V.) zur Finanzierung des Info- und Mahnpunktes an Stiftungen herangetreten werden soll, da im kommunalen Haushalt dafür bislang kein Geld eingestellt wurde. Derweil bemühte sich die FG in enger Kooperation mit der Studentin Sandra Scheer um die Beibringung der notwendigen Kostenvoranschläge. Diese werden auf etwa 6500 € beziffert.

Die FG präsentierte am 27.01.2003 den Film „Aus einem dt. Leben“, über den Kommandanten von Auschwitz Rudolf Höß, öffentlich im Kino des K.I.E.Z. e.V.. Dabei war die Vorstellung bis auf den letzten Platz ausverkauft.

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Forschungsgruppe Zyklon B
c/o Infoladen „Volk und Wissen“
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Phone/Fax: 0340/ 26 60 210/212
e-mail:fgzyklonbdessau@gmx.net

www.zyklon-b.info

  Jahrgang 2003 | Ausgabe 02 | 31. März 2003