der antirassistische newsletter für
dessau und umgebung

<home><26.04.2003>

Sagt nicht, ihr hättet von nichts gewusst Die Chronik Teil 3

| 1998

15. 01., Dessau: Direkt vor einem Fenster des AJZ-Cafés detoniert ein wahrscheinlich selbst gebastelter Sprengkörper und beschädigt den Rahmen erheblich. Gäste, die sofort auf die Straße rannten, konnten die zwei flüchtenden Täter nicht mehr dingfest machen.

18. 01., Mügeln (WB): Teilweise vermummte Nazis überfallen einen Freizeittreff. Mit Reizgas, Schreckschusswaffen und Eisenstangen verletzen sie fünf Jugendliche. Fünf Nazis werden festgenommen.

Ende Jan., Dessau: Drei 19-25jährige Neonazis pöbeln vor dem AJZ und werfen die Mülltonnen um. Als die anwesenden Antifaschisten aus dem Haus kommen, flüchten die drei, werden aber von der Polizei gefasst, wobei einer Widerstand leistet.

19. 02., Fliegerhorst Holzdorf bei Jessen (WB): Bei einer Rekrutenfeier rufen mehrere Soldaten „Sieg Heil!“ und zeigen den Hitlergruß. Ein Soldat, der den Vorfall meldet, wird zusammengeschlagen. Die Täter gehen 21 Tage in Arrest.

Ende Apr., Elsnigk (KÖT): Eine Unterkunft spanischer Bauarbeiter wird angegriffen. Unbekannte werfen mit Steinen und ein Schwelbrand bricht aus. (MZ 29. 04. 98)

„Männertag“, Wittenberg: Das „Punkerhaus“ wird zum wiederholten Male überfallen. Dabei übergießen Neonazis einen Mann mit Benzin, und versuchen ihn anzuzünden. Die Polizei weigert sich die entsprechende Anzeige aufzunehmen.
Am selben Tag zeigen in Dessau ca. 15 Neonazis den „Hitlergruß“ und rufen „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“ und „Juden raus!“, als sie zu einer Gartenkneipe ziehen, um dort bis in den Abend zu „feiern“.

23. 05., Sandersdorf (BTF): Im „Bierdeckel“ findet ein Nazikonzert mit ca. 100 Teilnehmern statt. Eine niedersächsische Band und „Madcorps“ aus Dessau spielen unter dem „Sieg Heil!“ und „Juden Raus!“- Gejohle des Mobs.

25. 06., Gröbzig (KÖT): Auf dem jüdischen Friedhof werden 21 umgeworfene Grabsteine entdeckt. Der Hintergrund der Tat ist „völlig offen“. (MZ 26. 06. 98)

11. 07., Sandersdorf (BTF): In der Kneipe „Bierdeckel“ findet ein „Rock gegen Drogen“ statt. Vor ca. 150 saufenden Neonazis spielt u. a. die Dessauer Naziband „Madcorps“.

04.-06. 09., Dessau: Beim „Stadtfest“ im Stadtpark kommt es am ganzen Wochenende zu Übergriffen durch Neonazis und Hooligans. Am Freitag z. B. wird ein Rollstuhlfahrer angepöbelt, abends schlagen fünf Neonazis eine Frau und zünden einem Punk die Haare an. Auch einige AntifaschistInnen, die den Opfern zu Hilfe kommen wollen, werden angegriffen, während die Polizei nicht eingreift. Am späten Samstagabend werden zwei Antifaschisten in der Nähe des AJZ angegriffen. Wiederum zu Hilfe eilende AntifaschistInnen werden von der Polizei zur Personalienabgabe genötigt. Ein Mann in Zivil richtet gar seine Pistole auf sie.

Sept., Dessau: Es kommt zu mehreren Überfällen von Neonazis im und vor dem Rathauscenter, wobei immer wieder dieselbe Person sich durch besondere Brutalität auszeichnete. Es wurden Jugendliche mit Messern bedroht und an den Haaren aus dem Center gezogen, ohne dass die Security eingriff oder die Polizei rief.

29. 09., Rosslau: Ein „24jähriger Rosslauer“ wird von der Polizei festgenommen, nachdem er an mehreren Stellen extrem rechte Symbole und Sprüche gesprüht hatte. Der Täter, Mike Metze, ist seit der Wende Schläger-Nazi und wegen diverser Körperverletzungs-, Diebstahls- und Propagandadelikte bekannt und vorbestraft. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme ist er erst wenige Monate auf Bewährung aus der Haft entlassen. (MZ 31. 09. 98)

11. 10., Dessau: Es kommt zu einem Fußballspiel zwischen dem SV Dessau 05 (antifaschistischer Fanblock) und dem FC Anhalt Dessau (Neonazi/Hooligan-Fanblock). Die 05-Fans werden mit Sprüchen wie „Antifa, ha-ha-ha!“, „Zick, zack, Zigeunerpack!“ oder „Wir bauen eine U-Bahn vom Schillerpark [dort ist das Stadion von 05] nach Auschwitz!“ provoziert und teilweise auch körperlich angegriffen. Der FC Anhalt Dessau spendiert diesem Mob hinterher auch noch Freibier. Auf dem Weg dorthin marschieren die ca. 30 Leute in 3er-Reihen durch Dessau-Nord und rufen dabei u. a. „Hier marschiert der nationale Widerstand!“.

14. 10., Dessau: Am frühen Morgen werden vier Scheiben des AJZ eingeworfen, wobei niemand verletzt wurde. Einige Zeit vorher wurden Autos vermeintlicher AJZ-Besucher beschädigt.

| 1999

Nacht zum 24. 04., Köthen: Zwei Studenten aus Afrika werden von mind. 3 Neonazis angegriffen. Ein Opfer erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma, der zweite einen Stich in den Oberschenkel. Im Zuge der Ermittlungen werden drei Wohnungen in Köthen durchsucht. (Sächs. Z. 27. 04. 99 + MZ 30. 04. 99)

Nacht zum 30. 04., Zerbst: Unbekannte verüben einen Brandanschlag auf das Asylbewerberheim. Die beiden Molotowcocktails richten keinen Schaden an. (MZ 01. 05. 99)

14. 05., Beesenlaublingen (BBG): Zwölf 18-25jährige Naziskins überfallen einen Jugendclub. Mit Baseballschlägern verletzen sie mind. fünf Gäste, wovon einer mit schweren Knochenbrüchen ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Am nächsten Tag überfällt ein Teil der gleichen Gruppe zwei Jugendliche in der Bernburger Talstadt. Ein 20jähriger muss mit Schädel-Hirn-Trauma notoperiert und anschließend in künstliches Koma versetzt werden.

15. 05., Dessau: Mehrere Jugendliche werden von Naziskins verletzt.

12. 06., Gröbzig (KÖT): Der jüdische Friedhof wird geschändet. Dabei werden 64 Grabsteine umgeworfen.

Nacht zum 04. 07., Dessau-Alten: Auf dem Friedhof werden 5 Grabsteine umgeworfen und 17 weitere Grabstätten mit „verfassungsfeindlichen Symbolen verunziert“. Ein Tatmotiv ist angeblich nicht erkennbar. (MZ 05. 07. 99)

06. 08., ? : Zwei Pakistani werden von 7 rechten Jugendlichen mit Baseballschlägern und einem Autoauspuff angegriffen und leicht verletzt. (MZ 09. 08. 99)

Nacht zum 20. 08., Bernburg: Auf das Asylbewerberheim am Teichweg wird ein Brandanschlag verübt. Die Flammen können gelöscht werden, verletzt wird niemand.

04. 09., Garitz (AZE): Im Restaurant „Am Weinberg“ findet mit über 2.300 Nazis (bei konspirativer Mobilisierung!) aus halb Europa und den USA das „Ian Stuart Memorial Concert ´99“ statt. Organisiert wurde es von den „Blood & Honour“-Sektionen Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit regionalen Nazis z. B. aus Köthen. Einheizer des Abends sind „Ultima Ratio“ und „Kraftschlag“ aus Deutschland und „Chaos 88“ sowie „Blue Eyed Devil“ aus den USA. Die Polizei beschränkt sich auf Straßenkontrollen, da sie mit ca. 150 Beamten vor Ort völlig überfordert ist. Die beschlagnahmten Baseballschläger, Knüppel und anderen Waffen werden den Besitzern nach Ende des Konzerts wieder ausgehändigt.

09. 10., Thießen (AZE): Etwa 150 "Blood & Honour"-Aktivisten wollen sich in Sachsen-Anhalt treffen, um die politische Strategie jenseits des Musikgeschäfts zu besprechen. Die Versammlung in einer Gaststätte wird jedoch vom Landkreis Anhalt-Zerbst verboten. Die aus Ost- und Westdeutschland angereisten Skinheads fahren widerstandslos in ihre Heimatorte zurück. (Tagesspiegel 21. 10. 99)

06. 11., Micheln (KÖT): Bei der Auflösung eines verbotenen Nazi-Konzert werden zwei Polizeibeamte verletzt. Nach Polizeiangaben werden Einsatzkräfte mit Flaschen und Steinen beworfen, als sie das von rund 150 Rechtsextremen besuchte Konzert auflösen wollen. Ein 21jähriger Tatverdächtiger wird vorläufig festgenommen. (MZ 08. 11. 99)

04. 12., Dessau: Zwei Polizeibeamte werden angegriffen, als sie in einem Wohnhaus eine Straftat aufnehmen wollen. Zu den Tätern gehören Neonazis, die auch Naziparolen brüllen.

| 2000

27. 02., Zeppernick (AZE): Mehrere hundert Nazis der DVU sind am 27.02. zum wiederholten Mal in der Gaststätte "Zum braunen Hirsch" mit 17 Bussen aus ganz Sachsen-Anhalt und dem Bundesgebiet zusammengekommen. Nach Angaben der Polizei gibt es keine Zwischenfälle. Bei der Versammlung, zu der die Presse nicht zugelassen ist, spricht auch der DVU-Bundesvorsitzende Frey. In seiner Rede preist er vor seinen überwiegend älteren Anhängern unter anderem die Leistungen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.

18. 03., Dessau: Linke Jugendliche werden beim "Ritteressen" im Ratskeller u. a. mit "Euch kriegen wir auch noch!" anpöbelt. Zwei von ihnen werden auf dem Nachhauseweg von 5-6 vermutlichen Neonazis auf dem Lidice-Platz zusammengeschlagen & -getreten.

20. 03., Dessau: Rechtsextreme Kinder und Jugendliche versuchen eine Punkerwohnung am Polling Park zu überfallen. Kurz danach bedrohen die gleichen Nazis zwei alternative Jugendliche Ecke Chaponstraße, Amalienstraße mit Baseballschlägern.

01. 04., Rosian (AZE): Ein Nazikonzert wird von der Polizei verhindert.

07./08. 04., Dessau: Zweiter Versuch von rechtsextremen Jugendlichen die Punkerwohnung zu überfallen.

08. 04., Köthen: Bei einer Informationsveranstaltung mit dem Auschwitzüberlebenden Kazimierz Smolen im Köthener Jugendclub „Enno Sander“ sind auch drei örtliche Nazikader zugegen, stören den Ablauf jedoch nicht.

13. 04., Roßlau: Eine weitere Veranstaltung mit K. Smolen in der Roßlauer Marienkirche wird von Neonazis, die sich außerhalb des Veranstaltungsortes befinden, massiv gestört. Parolen wie “Ich hasse Christen, ich hasse Juden und ich hasse Polen!” oder “Was hat ein Pole in einer deutschen Kirche zu suchen?” wurden pausenlos skandiert.

15. 04., Dessau: Zwei Faschos suchen in der Mariannenschule zwei "Alternative" Jugendliche und betreten dabei auch Klassenräume.

20. 04. (Hitlergeburtstag), Dessau: Wie jedes Jahr pöbeln Nazis auch in Dessau und Umgebung durch die Straßen.

01. 05., Dessau: Am Rande der 5. Revolutionären 1.-Mai-Demonstration zeigt ein Neonazi den Hitlergruß, woraufhin er eine Anzeige kassiert.

01. 05., Dessau/Köthen: Dessauer und Köthener Nazis fahren zusammen nach Berlin-Hellersdorf, um an der NPD-Demonstration zum "Tag der nationalen Arbeit" teilzunehmen. Festgenommen werden größtenteils linke GegendemonstrantInnen.

01. 05., Dessau: An einer Tankstelle in der Albrechtstraße kommt es „zu einer Schlägerei zwischen mehreren Personen“. In einem von zwei Autos, die Richtung Rosslau flüchten, wird ein Baseballschläger gefunden. Gegen die Tatverdächtigen wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. (MZ 04. 05. 00)

20. 05., Köthen: Dessauer Nazis beteiligen sich an der Demonstration der "Bürgerinitiative gegen Drogen" in Köthen mit ca. 300 Teilnehmern. An der antifaschistischen Gegendemonstration und dem Multikulturellen Fest nehmen 200 bzw. 50 Menschen teil.
20. 05., Dessau: Während eines Spiels der Fußballmannschaft SV Dessau 05 zeigen Neonazis im gegnerischen Fanblock einschlägige Fahnen (z. B. die in Sachsen-Anhalt verbotene Reichskriegsflagge). Zwei anwesende Neonazis fotografierten linke Dessau-05-Fans.

26. 05., Roßlau: Zwei Nazis verschaffen sich während eines Konzerts Zutritt zum Jugendclub „Blitzableiter“ in Roßlau und fotografierten die gerade spielende Punk Band und das Publikum. Draußen stehen etwa 12 weitere Nazi-Glatzen.

27. 05., Dessau: Gegen 05:50 Uhr Sprühanschlag auf das AJZ Dessau: Ein Hakenkreuz und die Zahl „88“ (8 steht für den 8. Buchstaben im Alphabet, also HH: "Heil Hitler") "zieren" Fassade und Eingangstür. Die zwei Täter flüchten in einem PKW mit AZE -Kennzeichen.

27. 05., Köthen/Dessau: Am "2. Tag des nationalen Widerstands" in Passau nehmen mehr als 4.000 Nazis aus ganz Europa teil. Einer der vielen Busse, die die Rechtsextremisten zur Nibelungenhalle bringen, fährt in Köthen mit ca. 30 Passagieren aus dem Raum Dessau/Köthen ab. Die Handynummer eines Köthener Faschisten fungiert als Infonummer für Köthen und Dessau.

27. 05., Dessau: Beim Freundschaftsspiel SV Dessau 05 vs. Chemnitzer FC im Schillerpark fotografieren Nazis mit "Blood & Honour"-T-Shirts linke Fans des SV Dessau 05.

01. 06. ("Männertag"), Dessau: Der Schöngeist im Lande der Dichter und Denker zeigt sich wieder einmal. Der latente bis offene Rassismus wird unter Alkohol von den netten Familienvätern hinausgegröhlt, denen der Kindertag zweitrangig ist. Auf dem Weg in die Stadt werden zwei „alternative“ Jugendliche auf der Ludwigshafener Str. in Höhe Stadion unter Androhung körperlicher Gewalt von zwei Nazis ebenfalls mit "Blood & Honour"-T-Shirts fotografiert.

08. 06., Dessau: Ein linker Jugendlicher wird vor dem Haideburger Jugendclub von 3 Rechtsextremisten angegriffen. Er nimmt ein blaues Auge und eine Platzwunde mit nach Hause.

11. 06., Dessau: Der Deutsche mosambikanischer Herkunft Alberto Adriano (39) wird von den Rechtsextremisten Frank Miethbauer (16) und Christian Richter (17) aus Wolfen sowie Enrico Hilprecht (25) aus Burxdorf bei Bad Liebenwerda minutenlang zusammengeschlagen und -getreten, danach ausgezogen und in ein Gebüsch geworfen. Am frühen Mittwochmorgen, dem 14. 06., stirbt er. Dessau hat das erste Opfer eines rechtsextremistischen Mordes seit der "Wiedervereinigung".

14. 06., Dessau: Zwei Punkerinnen werden am Hbf. Dessau von ca. einem Dutzend Neonazis bepöbelt und mit rohen Eiern beworfen.

15. 06., Dessau: Veloso A. (Afrikaner, 37) , ein Freund von Alberto Adriano, wird abends am Rathaus-Center von einer Gruppe deutscher Jugendlicher verprügelt und trägt eine Platzwunde am Auge davon.

16. 06., Dessau: Ein "Alternativer" wird am Beckerbruch von 4 Neonazis zusammengetreten (Schulterprellung).

16. 06., Dessau: Ein "Alternativer" wird Höhe Paul-Greifzu-Stadion aus einem Auto mit Hitler-Gruß "begrüßt".

16. 06., Köthen: In Köthen wird ein Sonderschüler von 2 Rechtsextremisten so schwer verletzt, dass er an die Herz-Lungen-Maschine muss.

17. 06., Köthen: Bundesweit gibt es Demonstrationen der NPD und "Freier Kameradschaften" aus Anlass des Jahrestages des 17. Juni 1953. In Görlitz, Magdeburg, Berlin, Leipzig und Königs-Wusterhausen marschieren insgesamt ca. 1000 Faschisten auf. An Gegendemonstrationen beteiligen sich mehrere tausend AntifaschistInnen. In Köthen formiert sich gegen 23.30Uhr ein Fackelumzug mit 60-70 Nazis. Die Polizei begleitet den nicht angemeldeten Spontanaufzug zunächst passiv.

20. 06., Dessau: Nur wenige Tage nach dem Mord an Alberto Adriano wird erneut ein Afrikaner vor dem Hauptbahnhof von Neonazis mit einem Messer angegriffen. Der Überfall verlief glücklicherweise glimpflich.

21. 06., Dessau/Köthen: Viele Vertreter der Neuen Rechten haben alte heidnische Kulte und Religionen zu neuem Leben erweckt oder neue entwickelt. Zwei der wichtigsten Feiertage sind dabei die Winter- und die Sommersonnenwende am 21. Dezember bzw. Juni. Weltweit gibt es zu diesen Daten kleinere oder größere Nazi-Parties. In Kühnau waren denn auch etliche Faschisten bei der Sommersonnenwendenfeier im Freibad dabei. In Köthen marschierten erneut Nazis (diesmal ca. 30) mit Fackeln durch die Stadt.

22. 06., Dessau: Bei der Dessauer Stadtverwaltung geht neben vielen anderen ein neofaschistischer Drohbrief ein, in dem es u. a in Bezug auf die Nazimörder heißt: “... Sie sind die Helden der Geschichte. … Man muss und wird ihnen Denkmäler bauen.”. In einer anderen Passage wird offen zu weiteren Morden aufgerufen: “... Es muss weiterhin so lange getreten, geschossen und getötet werden, bis die zuständigen Leute gezwungen werden, den Willen des Volkes zu vollziehen und der heißt: Ausländer raus! … Es mögen noch viele auf seinen Weg geschickt werden!”

23. 06., Dessau: Am späten Abend werden zwei Punks an der Ludwigshafener Straße vor einem als sporadischer Treffpunkt der Anhalt-Dessau-Hoolszene bekannten Restaurant mit dem bezeichnenden Namen “Zum Odins” von ca. 8 Nazis, darunter Ronny Besch, angegriffen. Einer kann fliehen, ein anderer trägt diverse Prellungen und Platzwunden davon.

23. 06., Wittenberg: Zehn Streifenwagen der Polizei hindern 50 Neonazis und 10 linke Jugendliche an einem Zusammenstoß. Sechs gewaltbereite Nazis werden vorübergehend zur Personalienfeststellung in Gewahrsam genommen.

25. 06., Dessau: Ca. 2.00 Uhr früh wird auf dem Lidice-Platz ein Mitarbeiter eines alternativen Projektes von zwei Skinheads zusammengetreten. Er liegt daraufhin mit mehrfachem Kieferbruch im Krankenhaus. Die Täter gehören eigentlich zu den „unpolitischen“ Skinheads.

06. 07., Gräfenhainichen: Bei einer Hausdurchsuchung werden ca. 80 CDs und Kassetten mit Nazi-Musik beschlagnahmt, die teilweise indiziert sind.

08. 07., Dresden: Es findet ein Aufmarsch von Nazis aus NPD und Freien Kameradschaften statt, bei dem der “Nationale Widerstand Köthen” mit einem eigenen Block auftritt.

Mitte 07, Dessau-West: An wenigstens 8 Stellen wird “Nazis rein - Ausländer raus!” gesprüht.

27. 07., Köthen: Ein 19-jähriger Asylbewerber wird überfallen. Er wird von zwei Nazis in ein Auto gezwungen, mit einer Pistole bedroht und geschlagen. Anschließend nehmen sie ihm Brieftasche und Handy ab und lassen ihn in der Nähe des Bahnhofs zurück. Das Opfer kommt ins Krankenhaus.

29. 07., Dessau: Die Freiheitliche Deutsche Volkspartei (FDVP) führt einen Info-Stand am Dessauer Rathaus durch. Der ursprünglich angekündigte Kreis-, stellv. Bundesvorsitzende und designierte OB-Kandidat Roman Gleißner kommt nicht, da er als Mitarbeiter eines Landtagsabgeordneten, der zur DVU zurück übertrat, Tage zuvor gekündigt wurde und aus der FDVP austrat. Er verklagte in der folgenden Woche die Bundes- und Landtagsfraktionsvorsitzende, Claudia Wiechmann, wegen Veruntreuung von Fraktionsmitteln zu Gunsten der Partei. Der Infostand war schon für den 08. 07. geplant, wurde dann aber verschoben. Diverse VertreterInnen des Dessauer Bündnisses gegen Rechtsextremismus wie Kirchen, Gewerkschaften, das Multikulturelle Zentrum, der Jüdische Kulturverein, Bündnis90/Die Grünen, PDS und Antifa sind präsent, um dagegen zu protestieren.

29. 07., Wittenberg: Auf ein chinesisches Restaurant wird von drei Neonazis (18 bis 19 Jahre) ein Brandanschlag verübt.

02. 08., Köthen: Ca. 30 afrikanische StudentInnen und MigrantInnen demonstrieren in Köthen gegen Nazis.

24. 08., Dessau-Haideburg: An einer Autobahnbrücke wird ein Transparent mit dem Text „Adriano war der erste Streich und der zweite folgt zugleich. 14 words“ („Wir müssen ************** aufgehangen.

02. 09., Bermatingen (Baden-Württemberg): Auf dem Weinfest werden zehn Naziskins festgenommen, darunter auch drei aus Dessau und Thießen (AZE). Sie hatten im Stadtgarten in Überlingen rumgepöbelt, nach einem Platzverweis im Zug nach Markdorf randaliert, einen Fahrgast geschlagen und den Hitlergruß gezeigt.

09. 09., Wittenberg: Das Schul- und Stadtfest wird von ca. 40 „rechtsgerichteten, gewalttätigen Personen“ gestört. Nach Ende des Konzertes kommt es zu Ausschreitungen, bei denen mind. 2 Musiker und 4 Polizisten verletzt werden. Anschließend randalieren die Neonazis stundenlang vor dem Polizeirevier, aus dem sie einen festgenommenen „Kameraden“ befreien wollen. Insgesamt werden 15 von ihnen festgenommen, von denen einige zur „Kameradschaft Elbe-Ost“ gehören. (MZ 11. 09. 00)

Nacht zum 30. 09., Dessau: Auf dem Friedhof I werden 53 Grabsteine umgeworfen. Das Motiv ist unklar.

Nacht zum 07. 10., Dessau-Kühnau: Auf dem Alten Friedhof werden 23 Grabsteine umgeworfen und Beplanzungen zerstört. Drei 15-18jährige Skinheads werden als Täter ermittelt.

07. 10., Köthen: Trotz Verbots findet ein Straßenfest der NPD statt.

28./29. 10., Dessau: In der Nähe des K.I.E.Z. e.V. in Dessau - Nord werden drei Männer und eine Frau aus der alternativen Szene von drei stadtbekannten Nazis angegriffen. Die Frau bekommt eine Ohrfeige. Zwei Männer werden brutal zusammengetreten und auf einen wird ein Kampfhund gehetzt, der sich glücklicherweise nur in der Hose verbeißt. Die beiden schwer Verletzten kommen mit mehrfachen Kiefer- und Gesichtsknochenbrüchen bzw. Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma plus diversen Prellungen und Hämatomen ins Krankenhaus. Einer der beiden muss mehrmals operiert werden und verliert einen Teil der Sehfähigkeit auf einem Auge sowie das Gefühl auf einer Gesichtshälfte. Bei beiden wird eine zeitweilige Lebensgefährlichkeit diagnostiziert. Alle vier haben außerdem unter psychischen Folgen zu leiden, drei von ihnen ziehen aus Dessau weg.
Bei den drei Tätern handelt es sich um Mike Metze (heute 28) aus Rosslau, Ronny Besch (24) und John-Marc Krause (24) aus Dessau. Metze ist seit der Wende als Schlägernazi und Kleinkrimineller bekannt. Er hat schon mehrere Jahre in Haft verbracht. Krause ist seit 1995 Schlagzeuger der Dessauer Naziband „Madcorps“, die jahrelang ungestört im Jugendclub Haideburg proben konnte. Besch ist seit ca. 1998 immer wieder als Nazischläger in Erscheinung getreten. Zumindest Besch und Krause sind auf mehreren Aufmärschen zu sehen gewesen, so am 25. 03. 00 in Salzwedel.


Ende Okt., Dessau: Zwei Neonazis, die sich als Kriminalbeamte ausgeben, überfallen im Fürst-Leopold-Carré zwei Männer aus Afrika. Diese werden gefesselt, müssen in ein Auto einsteigen und werden wenige Straßen weiter freigelassen. Im Auto werden sie beraubt. Die Nazis werden gefasst, weil einer der im Fall 28./29. 10. angeklagten Nazis einige Aussagen zur rechten Szene in Dessau macht.

25. 11., bei Annaburg (WB): Im Anschluss an einen Naziaufmarsch in Berlin wird ein Konzert unter dem Motto „Forbidden but alive“ („Verboten, aber lebendig“) von einem Großaufgebot der Polizei aufgelöst. Ein Teil der 600 Nazis versuchen, die Auflösung militant zu verhindern. Gegen 157 werden Ermittlungsverfahren eröffnet. Im Frühjahr 2002 führt das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt 43 Hausdurchsuchungen in 7 Bundesländern durch. Das dahinter steckende Ermittlungsverfahren wegen Weiterbetätigung der in Deutschland verbotenen Naziskin-Organisation „Blood & Honour“ geht u. a. auf dieses aufgelöste Konzert zurück. (MZ 27. 11. 00 + 26. 04. 02)



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Antifa Dessau

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Diese Chronik über rassistische, rechtsextremistische und neofaschistische Gewalt- und Propagandadelikte in Dessau und den angrenzenden Landkreisen wird seit 1999 in unregelmäßigen Abständen von der Antifa Dessau erstellt. In die Chronik haben nur gesicherte und nachrecherchierte Informationen Eingang gefunden. Demnächst können die Chroniken ab 1990 auf der homepage www.projektgegenpart.org eingesehen und runtergeladen werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, chronikrelevante Vorfälle zu melden, die dann nach genauer Prüfung auf Authentizität Eingang in die Chronik finden. In der nächsten Ausgabe des newsletters werden die Chroniken der Jahre 2001-2003 veröffentlicht.

  Jahrgang 2003 | Ausgabe 03 | 26. April 2003