der antirassistische newsletter für
dessau und umgebung

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Sagt nicht, ihr hättet von nichts gewusst Die Chronik Teil 3

| 2001

09. 02., Bernburg: Ein als Geburtstagsfeier getarntes Nazikonzert in einer Gaststätte wird von der Polizei aufgelöst. Zum Zeitpunkt der Auflösung haben sich ca. 40 Neonazis versammelt.

09. 02., Dessau: Zwei alternative Jugendliche werden gegen 22.30 Uhr von einem Rechten verfolgt und angegriffen. Sie wehren sich mehr oder weniger erfolgreich und können schließlich flüchten.

10. 03., Dessau: Vier junge Alternative werden vor dem Liborius-Gymnasium von vorbeifahrenden Faschisten beschimpft und bedroht.

14. 03., Wolfen: Ein DVU-Mitglied beschwert sich telefonisch bei der Direktorin der Schule seines Sohnes über die in der „Erich-Weinert-Sekundarschule“ aufgebaute Ausstellung „Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland“. Zwei Stunden später erscheint die Polizei, besichtigt die Ausstellung und schließt sie für Besucher. Nach einer Besichtigung der Schulaufsichtsbehörde wird die Ausstellung wieder freigegeben.

15. 03., Dessau: Ein Jugendlicher wird von fünf Neonazis tätlich angegriffen.

16. 03., Dessau: Nach einem Konzert im „Haus Kreuzer“ wird ein Jugendlicher von mehreren Faschisten beschimpft und bedroht.

17. 03., Dessau: Mehrere Neonazis überfallen am Wörlitzer Bahnhof zwei linke Jugendliche. Sie entwenden den Opfern Geld und Handys.

01. 05., Coswig: In einer Gaststätte kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Afrikanern. Die Polizei greift ein. (MZ 15. 05. 01)

11. 05., Coswig: Zwölf „Jugendliche“ (aus der gleichen Gruppe), die am See Grube Berta Naziparolen gebrüllt haben, werden vorläufig festgenommen. (MZ 15. 05. 01)

29. 06., Jeßnitz: Auf den „Asia-Shop“ wird von zwei Nazis (Marcel Danger und ***************

16. 06., Bitterfeld: Ca. 50 Nazis nehmen an einem „Sommerfest“ der NPD teil.

04. 08., Bernburg: Ca. 170 Nazis marschieren durch Bernburg. Redner sind Christian Worch (Hamburg) und Steffen Hupka (Timmenrode).

10. 08., Dessau: Ein 20jähriger Syrer wird von zwei Personen mit Fahrrädern auf der Straße angehalten und mit Parolen wie "Wir sind Deutsche" eingeschüchtert. Einer der Angreifer schlägt den Mann zusammen, der schwere Verletzungen davon trägt. Das Opfer stellt Anzeige.
Quelle: Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Dessau

17. 08., Bernburg: Der „Freie Nationale Widerstand Bernburg/Saale“ verklebt Plakate zum Todestag des Hitlerstellvertreters Rudolf Hess. (MZ 18. 08. 01)

29. 09., Coswig: Auf dem Bahnhof werden vier Schwarze von mind. fünf Nazis zuerst mit Worten wie „Scheiß Nigger, wir werden euch heute umbringen, hängt die Schwarzen auf, verbrennt sie“ bedroht und schließlich durch einen Zug gejagt. Nachdem die Opfer mit einer Gaspistole zu Boden gezwungen und beschossen worden waren, entwickelte sich ein Handgemenge. Dann wird ein Kampfhund auf die Opfer gehetzt.

27. 10., Dessau: Ein syrischer Asylbewerber wird vor dem Hauseingang von zwei Männern, die an ihm vorbeilaufen, festgehalten und geschlagen. Die Täter begründen ihren Angriff damit, dass der Syrer sie zu lange angeschaut habe. Das Opfer erstattete Anzeige.
Quelle: Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Dessau

06. 11., Köthen: Auf ein Lehrlings- und Studentenwohnheim werden von vier Rechten Molotowcocktails geworfen. In dem getroffenen Zimmer schläft zu diesem Zeitpunkt ein Student aus Indonesien. Einer der vier Täter aus Coswig wohnt selbst in dem Wohnheim, da er in Köthen zur Lehre geht.

31. 12., Dessau: Im "Blitz-Bier-Pub" im Obergeschoß des Hbf. findet eine Silvesterparty mit 50. Nazis statt.


| 2002

26. 01., Dessau: Auf dem Hbf. pöbeln ca. 7 Nazis einige Punks, Oi!-Skinheads u.a. an. Die Angepöbelten bekommen im Laufe der Zeit allerdings Zulauf, da einige Leute nach einem Konzert mit dem Zug nach Hause wollen. Die Nazis werden verjagt.

02. 02., Dessau: Am Hbf. werden mehrere Schwarze von 2 Nazis angepöbelt, die wahrscheinlich vom NPD-Aufmarsch aus Bielefeld kommen. Weil die Schwarzen sich dies nicht bieten ließen, sondern sich aktiv zur Wehr setzten, wurden die Nazis sehr kleinlaut und entschuldigten sich sogar.

10. 02., Dessau: Gegen 21 Uhr gehen zwei Menschen, die als Linke erkennbar sind, auf den Hbf., um nach Hause zu fahren. Sie haben Aufenthalt und beschließen, in die Kneipe "zur Entgleisung" im Bahnhofsgebäude zu gehen, um noch ein Bier zu trinken. Der Kneiper baut sich auf, erklärt, dass er Nationalsozialist sei und "das ganze Zeckenpack" hassen würde. Er zeigt den Hitlergruß und macht die laufende, eindeutige Nazirock-Mucke lauter. Außer ihm sind noch einige andere offensichtliche Proll-Faschisten anwesend. Nach einigem Gepose seitens des Kneipers können die beiden zu ihrem Zug, ohne angegriffen zu werden.

21. 02., Dessau: Schülerinnen des Europa-Gymnasiums entdeckten an der dortigen Turnhalle neofaschistische Schriftzüge. Der Direktor der Schule leitet über das zuständige Schulverwaltungsamt eine Anzeige ein.

23. 02., Merseburg: Ein ordentlicher Landesparteitag der NPD findet statt. Auf dem Programm steht u. a. die Neuwahl des 11köpfigen Vorstands. Zum neuen Landesvorsitzenden wird Frank Kerkhoff (44), der erst seit dem 06. 02. 2001 NPD-Mitglied ist und zuletzt Vorsitzender des am 02. 12. 2001 gegründeten Kreisverbandes Elbe-Saale war.

26. 02., Dessau: Auf dem Hbf. werden drei Marokkaner von Nazis angegriffen, die sich auf der Durchreise befanden. Zwei der Angreifer werden zwischenzeitlich festgenommen.

02. 03., Dessau: Gegen 18.20 Uhr zieht eine Gruppe von ca. 15-20 Nazis/Hooligans aus dem Umfeld des FC Anhalt Dessau, vom Auswärtsspiel gegen den VfL Halle 96 kommend - unter den teilnahmslosen Blicken von zwei BGS-Beamten - durch das Hauptgebäude des Dessauer Hauptbahnhofes, skandiert neofaschistische Parolen und bewirft anwesende ausländische Fahrgäste mit Feuerwerkskörpern und Bierflaschen/-dosen.
Gegen 18.30 Uhr dann greifen die Nazis/Hools eine Gruppe von jugendlichen AntifaschistInnen, die mittels einer Flugblattaktion auf den Vorfall vom 10. Februar aufmerksam machen wollen, auf dem Bahnhofsvorplatz massivst an. Im Verlauf der Auseinandersetzung wurde mindestens ein Antifaschist (Hämatom im Gesichtsbereich) verletzt.
Die Nazis/Hools jagen ihre Opfer bis in die UCI-Kinowelt/Stars Diner/Chaplins, wo sie ebenfalls durch neofaschistische Parolen und Sachbeschädigungen in Erscheinung treten. Hier mischen sich ungewöhnlicher- wie erfreulicherweise Gäste und KellnerInnen ein und helfen den Angegriffenen.
Die besagte Gruppe Nazi-Hools ist am selben Nachmittag schon am Hallenser Hauptbahnhof durch "Sieg-Heil-Rufe" aufgefallen.

09. 03., Köthen: In der Fußgängerzone findet ein Infostand des NPD-Kreisverbandes Anhalt statt.

13. 03., Dessau: Vor der Rathausschule wird ein Jugendlicher aus einer Gruppe von 8 Nazis heraus angegriffen. Die 2 Schläger - 16 und 17 Jahre alt, einer von ihnen selbst Schüler dieser Schule, der andere vorbestraft - verursachen Hämatome und Prellungen im Gesichts- und Brustbereich . 6 Mitschüler ausländischer Abstammung kommen dem Opfer zu Hilfe und verjagen die Schläger.

15. 03., Dessau: Gegen 23.30 Uhr werfen drei jugendliche Nazis - wohl als eine Art "Mutprobe" - Steine gegen die Fassade des AJZ e.V. in der Schlachthofstr. 25. Sie tragen Knüppel und Baseballschläger (teilweise aus Aluminium ) bei sich. Unbewaffnete BesucherInnen des AJZ vertreiben die Angreifer.

30. 03., Klieken (AZE): Während des Osterfeuers wurde ein 18jähriger chinesischer Austauschschüler von zwei vermutlich aus Coswig stammenden Nazis zusammengeschlagen. Auch Nazis aus Dessau waren anwesend.

30. 03., Dessau-Mosigkau: Ebenfalls beim Osterfeuer wird ein 38jähriger Mann von mehreren Männern so stark am Kopf verletzt, dass er ins Krankenhaus gebracht werden muss. Die Täter stiegen aus einem Auto, zogen sich Handschuhe an, nahmen Schlagringe und Baseballschläger und stürmten in die anwesende Menge von ca. 200 Leuten genau auf das Opfer zu. Von Zeugen werden sie als Skinheads beschrieben.

06./07. 04., Köthen: Ein Mauretanier und zwei ChinesInnen werden von zwei 14 und 16 Jahre alten Nazis angegriffen. Sie werden dabei mit Schlägen, Tritten und einer Eisenstange traktiert. Die Opfer erleiden einen Ellenbogenbruch, Prellungen und diverse Hämatome. Der 16jährige Haupttäter kommt in Untersuchungshaft.

08. 04., Köthen: Von 50 VertreterInnen verschiedenster Organisationen und Einzelpersonen wird das „Netzwerk für Demokratie und Toleranz gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt“ gegründet. Auch einige Nazis waren im Umfeld der Veranstaltung zu sehen. Zwei von ihnen, darunter Sebastian Dankowski, besitzen sogar die Dreistigkeit, in den Saal zu kommen. Da der Großteil der Anwesenden die Nazis mit der Begründung „Toleranz“ und „öffentliche Veranstaltung“ nicht des Saales verweisen will, verlassen der Vertreter der Antifa Dessau und ein Köthener Antifaschist die Versammlung.

11. 04., Köthen: An einer Bushaltestelle stößt ein 24jähriger Deutscher einer chinesischen Studentin mit dem Ellenbogen ins Gesicht. Seine 21jährige Begleiterin fährt zwei weiteren chinesischen Studentinnen mit dem Kinderwagen (!) von hinten in die Beine und schlägt einem der Opfer auf den Rücken. Die Opfer erstatten Anzeige. Die AngreiferInnen bezeichnen das Geschehen als „kleine Rempelei“. Die Polizei sieht keinen fremdenfeindlichen Hintergrund.

12. 04., Köthen: Ein marokkanischer Student wird von einem 16jährigen Nazi als „Scheiß Ausländer!“ beschimpft. Derselbe Nazi hatte denselben Studenten schon am 28. Februar mit einer Bierflasche angegriffen.

12. 04., Köthen: Zwei Marokkaner werden an einer Telefonzelle von einem betrunkenen 19jährigen beschimpft. Der Köthener Polizeisprecher Steinbiß meint dazu, das sei ja ein junger Kerl gewesen, und man wisse schließlich, was so einer „so alles unter Alkohol fabriziert.“ Trotz der „zufälligen“ und „unglücklichen Häufung“ der Übergriffe wird die Polizeipräsenz am betreffenden Wochenende nicht erhöht.

20. 04. (Hitlergeburtstag), Weimar: Ca. 250 Nazis marschieren durch die Stadt von Goethe, Schiller und Buchenwald. Unter ihnen sind auch einige Dessauer. Die „Freien Nationalisten Dessau/Anhalt“ tragen ein eigenes Transparent.

26. 04., Köthen: Vier Sprayer werden von mehr als 20 Nazis zusammengetreten.

28. 04., Dessau: Zwei 22jährige treten eine Wohnungstür in der Raguhner Straße ein. Die Polizei stellt die Täter, wobei einer der beiden gegen die Personalienfeststellung Widerstand leistet. Dabei werden die Polizisten beschimpft und bespuckt, Naziparolen geschrien und der Hitlergruß gezeigt. Der Betreffende wird am nächsten Vormittag “aus Gründen der Verhältnismäßigkeit” aus dem Gewahrsam entlassen.

01. 05., bundesweit: In Berlin, Ludwigshafen/Mannheim, Göttingen, Fürth, Neubrandenburg und Dresden marschieren insgesamt ca. 4.000 Nazis auf. In Dresden sind ca. 200 „Freie Nationale“ aus Sachsen-Anhalt dabei, u. a. aus Magdeburg, der Altmark, Halle, Köthen und Dessau.

01. 05., Dessau: Auch am Rand des DGB-Festes und der 7. revolutionären 1.-Mai-Demonstration mit 250 AntifaschistInnen tauchen mehrere Nazis auf, darunter Ronny “Göbbels” o. “Rocko” Göbel und Steffen „Epi“ Eppert.

03. 05., Dessau: Im Berufsschulzentrum „Hugo Junkers“ werden mehrere Dutzend selbstgemachte Aufkleber mit der Aufschrift „Blood & Honour“ und “NPD - die Nationalen“ verklebt. Die Naziskin-Organisation „Blood & Honour“ ist seit September 2000 in Deutschland verboten, arbeitet aber, wie auch der Verfassungsschutz Ende April zugeben musste, ungestört weiter.

08. 05., bundesweit: Das “Ehrenkommitee 8. Mai” des “Aktionsbüros Norddeutschland” aus dem Spektrum der “Freien Nationalisten” ruft dazu auf, Ehrenmäler und Soldatengräber, die an im 2. Weltkrieg getötete deutsche Soldaten erinnern, zu reinigen und zu pflegen. In Dessau versammeln sich 10 Nazis auf dem “Ehrenfriedhof” gegenüber vom Friedhof III. Dort zupfen sie 1 ½ h lang Unkraut, harken den Weg, reinigen die Gedenkplatte grob, legen einen schwarz-weiß-roten Ehrenkranz mit schwarzer Schleife “Freie Nationalisten Dessau / Anhalt” nieder und posieren für einige Fotos. Am 10. 05. dann echauffierten sie sich an gleicher Stelle in einem Schreiben darüber, dass der Ehrenkranz noch am Abend des 8. Mai von Antifaschisten entfernt worden war. Am 11. Mai wurde in einem Anruf der Antifa Dessau ein Ultimatum gestellt. Sollte der Kranz nicht innerhalb von 3 Tagen wieder da sein, “seid ihr dran!”, so der Anrufer.

09. 05. („Männertag“), Dessau: Es gibt neben den üblichen Suff-Schlägereien mehrere Übergriffe von Nazis. Am Hbf. werden 2 Punks von mind. 3 Nazis angegriffen. Sie erleiden leichte Blessuren. Gegen 19 Uhr wird an der Hauptpost ein Skater von sechs Nazis zusammengeschlagen. Die Unterlippe des Opfers muss genäht werden.

10. 05., Dessau: Am frühen Abend laufen mind. drei Nazis mit Baseballschlägern die Albrechtstr. entlang, unter ihnen auch Ronny Göbel.

11. 05., Schönebeck: Ein Nazi-Konzert wird durch die Polizei aufgelöst.

23. 05., Dessau: Zwei antifaschistische Jugendliche werden im Rathauscenter von drei Nazis angepöbelt. Wenig später werden die selben Antifas von zwei anderen Nazis durch Karstadt gejagt.

24. 05., Köthen: Das alljährliche „Rock gegen Gewalt“ findet statt. Eine Gruppe von bis zu 50 Neonazis bepöbelt die Gäste und verletzt einige. Die Polizei greift nicht ein. Der verantwortliche Organisator der Diakonie, Olaf Schwertfeger, sieht das Problem eher bei den linken Jugendlichen. Er war Jahre zuvor Leiter des Jugendclubs Haideburg in Dessau. Schon damals waren die Neonazis in seiner Einrichtung „ganz normale Jugendliche“.

05. 06., Dessau: Im Berufsschulzentrum „Hugo Junkers“ werden mehrere Aufkleber gegen die Wehrmachtsausstellung und selbstgemachte NPD-Aufkleber gefunden und entfernt.

14. 06., Köthen: Am Bärplatz werden zwei irakische Asylbewerber von vier „polizeilich bekannten Personen“ im Alter von 18-19 Jahren angegriffen. Eines der Opfer wird mit einem Baseballschläger an Arm und Kopf verletzt. (MZ 17. 06. 02)

04. 07., Dessau: Am Hbf. werden vier linke Jugendliche von ca. 10 Neonazis verfolgt. Sie flüchten bis zum Kaufland-Parkplatz, wo die Nazis ablassen – wohl weil in 50 m Entfernung das Polizeirevier ist.

Nacht zum 03. 10., Dessau: Das gesamte Inventar des indischen Restaurants „Taj Palace“ wird mit Bitumen-Kaltanstrich übergossen, an Wänden sind Hakenkreuze zu sehen. Der Sachschaden liegt im sechsstelligen Bereich. Täter können vorerst nicht ermittelt werden, die Beweislage unklar. Dafür kocht die Gerüchteküche in der Stadt: der Inhaber und seine Mitarbeiter werden für die Tat verantwortlich gemacht.

15. 10., Dessau: Ein China-Imbiss im Kabelweg brennt, kann aber gelöscht werden. Die Hintergründe sind unklar. (MZ 16. 10. 02)

Dessau, 28. Dezember 2002: Circa 2 Dutzend Neonazis aus dem Umfeld der Gruppierungen „Freie (n) Nationalisten Dessau/Anhalt“ und „Bruderschaft Bitterfeld“ treffen sich in der Dessauer Spielothek „Walhalla“ zu einer Weihnachtsfeier. Im Vorfeld wird für diese Feier mit ausgelegten Flyern in Dessauer Jugendeinrichtungen geworben.


| 2003

Dessau, Januar 2003: Der stadtbekannte Neonazi Mario A. informierte einen Mitarbeiter des Alternativen Jugendzentrum e. V. (AJZ e. V.) telefonisch davon, dass er angeblich eine Anzeige gegen die Organisatoren der Ausstellung „Eine Dekade aktiv gegen Rechts in Dessau und Umgebung“ eingereicht hätte. Er würde auf einem der ausgestellten Fotos im Kontext Rechtsextremismus zu sehen sein. Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt des AJZ e. V. mit dem Dessauer Bündnis gegen Rechtsextremismus, der Antifa Dessau und der Beratungsstelle für Opfer und potentielle Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten in Trägerschaft des Multikulturellen Zentrums e. V..

Zerbst, 24. Januar 2003: Circa 80 Neonazis, getarnt als AG „Schützt unsere Kinder“, aus Bitterfeld, Dessau, Halle/Saale und Köthen veranstalten in der Zerbster Innenstadt eine spontane Kundgebung. Hintergrund der Aktion war der Sexualmord an dem 6jährigen Mädchen Malin aus Zerbst. Auf verteilten Flugblättern forderten die Nazis u. a. „härtere Strafen für Kinderschänder“.

Dessau, 07. März 2003: In Dessau sind bis zum 07. März 2003 alle Aktionen der hiesigen Friedensbewegung von unerwünschtem Besuch der Neonazis verschont geblieben. An diesem Tag aber traten organisierte Neonazis aus Dessau und Umgebung erstmals im Zusammenhang mit Anti-Kriegsprotesten öffentlich in Erscheinung. Hierbei handelte es sich um die Gruppierungen „Freie (n) Nationalisten Dessau/Anhalt“ und die „Bruderschaft Bitterfeld“, die mit einem Transparent mit der Aufschrift „Ehre, wem Ehre gebührt“ die Demonstration am 07. März massiv zu stören versuchten. Es blieb jedoch beim Versuch. Die geplante Kundgebung der Rechten wurde von der Polizei aus versammlungsrechtlichen Gründen untersagt. Die Nazis erhielten daraufhin einen Platzverweis.

Dessau, 14. März 2003: Am 14. März verhinderte die Polizei die Teilnahme von Neonazis an der Friedensmahnwache nicht. Dies war aus versammlungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Über 50 Neonazis beteiligten sich. Neben organisierten Kadern aus dem Umfeld der Hallenser Nazipublikation „Nationaler Beobachter“ um dessen Führer Sven Liebig traten auch mindestens 30 Jung-Nazis aus Dessau auf. In den Monaten März und April 2003 nahmen an den freitäglichen Mahnwachen gegen den Krieg an der Dessauer Friedensglocke immer wieder Neonazis aus Dessau und Köthen teil.

Dessau, 25. März 2003: Am Abend des 25. März 2003 gegen 21.00 Uhr wurde ein alternativer Jugendlicher aus einer Gruppe von 10 Neonazis, die der hiesigen rechten Szene zuzuordnen sind, im Bereich der Dessauer Friedensglocke brutal misshandelt und zusammengeschlagen. Mindestens 4 Angreifer traten mit Springerstiefeln auf das Opfer ein und versetzten dem Jugendlichen mehrere Faustschläge ins Gesicht. Dabei wurde der Geschädigte massiv im Kopf-, Bauch- und Rückenbereich verletzt. Der Übergriff fand unter „Sieg Heil“- und „Zecke verrecke“- Rufen statt. Nur einem begünstigenden Umstand ist es zu verdanken, dass die Täter von dem Opfer abließen und somit vermutlich schwerere Verletzungen vermieden werden konnten. Der Übergriff ereignete sich an einem zentralen und öffentlichen Platz Dessaus, dennoch bewirkten die lauten Schreie des Opfers keine praktische Hilfe.
Als vermutlicher Haupttäter und Rädelsführer konnte der einschlägig bekannte Neonazi Andreas R. aus dem Landkreis Anhalt - Zerbst identifiziert werden.

Dessau, 28. März 2003: Mindestens 20 Neonazis reisen mit PKW’s an und postieren sich mit diversen Schlagwaffen vor dem Alternativen Jugendzentrum e. V. (AJZ) in Dessau. Es werden verbale Drohungen á la „Na dann bis nächste Woche!“ ausgestoßen. Neben bekannten Dessauer Neonazis konnten auch Nummernschilder aus dem Muldetalkreis, Anhalt - Zerbst und Leipzig festgestellt werden. Einige der beteiligten rechten Provokateure waren vor dieser Aktion am selben Tag bereits bei der Anti-Kriegesmahnwache im Stadtzentrum Dessaus gesichtet worden.

Köthen, 29. März 2003: In der Köthener Innenstadt verteilen Neonazis der „Kameradschaft Köthen“ unbehelligt anti- US-amerikanische und antisemitische Flugblätter im Kontext des Irakkrieges. Nach eigenen Angaben konnten sie 3500 Exemplare unter die PassantInnen bringen.

Dessau, April 2003: Offensichtlich hat sich die Grünfläche vor dem Dessauer Hauptbahnhof zu einem informellen Treffpunkt rechtsextremer Jugendlicher herauskristallisiert. Neben kollektiven Büchsenbiergelagen werden aus dieser Nazigruppe heraus immer wieder alternative Jugendliche und ausländische MitbürgerInnen bedroht und mit rassistischen Sprüchen bedacht. Zum Teil rekrutieren sich die dort anwesenden Neonazis aus dem selben Personenkreis, der auch schon im Zusammenhang mit den Friedensmahnwachen an der Dessauer Friedensglocke aufgefallen ist.

Dessau, 3. April 2003: Unbekannte verkleben im Bereich Dessau Mitte/Süd mehrere Dutzend anti-US-amerikanische Plakate mit der Aufschrift „The Amerikan Way of Death“. Die Plakate sind über die Neonazigruppierung „Fränkische Aktionsfront“ (FAF) zu beziehen, die dem Spektrum der militanten „Anti-Antifa“ zugerechnet werden kann.

Dessau, 20. April 2003: 25 Neonazis aus dem Umfeld der Gruppierungen „Freie (n) Nationalisten Dessau/Anhalt“ und „Bruderschaft Bitterfeld“ feiern im Rehsumpf in Dessau-Waldersee mit einem Lagerfeuer und einem dazugehörigen Besäufnis den „Hitlergeburtstag“.

Dessau, 23. April 2003: Gegen 21.45 Uhr griffen 3 vermummte Personen das Alternative Jugendzentrum e. V. (AJZ) in der Schlachthofstraße 25 in Dessau an. Das Gebäude und die BesucherInnen wurden von den nach öffentlichen Informationen rechtsradikalen Tätern mit Flaschen beworfen und bepöbelt, es wurde lautstark und mit Knüppeln gestikulierend gedroht und Parolen wie „Sieg Heil!“ und „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“ gebrüllt. Durch die Flaschenwürfe wurde der Rahmen eines Fensters beschädigt. Durch bestimmtes und besonnenes Handeln von BewohnerInnen und BesucherInnen des AJZ konnte einer der Täter gestellt und der eintreffenden Polizei übergeben werden. Die beiden anderen Tatbeteiligten wurden ebenfalls von BewohnerInnen und BesucherInnen des Vereinsdomizils erkannt, so dass die anwesenden Beamten sie festnehmen konnten.
Der AJZ e. V. stellte Strafanzeige und Strafantrag wegen Landfriedensbruch in Tateinheit mit versuchter, gefährlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruch, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Sachbeschädigung.

Dessau, 08. Mai 2003: Am Rande einer vom Bündnis gegen Rechtsextremismus (BgR) initiierten Kranzniederlegung an den Gräbern sowjetischer ZwangsarbeiterInnen und politischer GegnerInnen des Naziregimes auf dem Dessauer Friedhof III kam es zu einem provokativen Zwischenfall von Neonazis. Einer der Rechten versuchte einen abfahrenden PKW mit TeilnehmerInnen der BgR-Veranstaltung mit einer Flasche zu bewerfen. Diese allerdings verfehlte das Fahrzeug und traf stattdessen fast eine ältere Mitbürgerin.


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Antifa Dessau

c/o Infoladen „Volk und Wissen“
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Phone/Fax: 0340/ 26 60 210/220

e-mail: querkopf@t-online.de



Diese Chronik über rassistische, rechtsextremistische und neofaschistische Gewalt- und Propagandadelikte in Dessau und den angrenzenden Landkreisen wird seit 1999 in unregelmäßigen Abständen von der Antifa Dessau erstellt. In die Chronik haben nur gesicherte und nachrecherchierte Informationen Eingang gefunden. Demnächst können die Chroniken ab 1990 auf der homepage www.projektgegenpart.org eingesehen und runtergeladen werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, chronikrelevante Vorfälle zu melden, die dann nach genauer Prüfung auf Authentizität Eingang in die Chronik finden.

  Jahrgang 2003 | Ausgabe 04 | 22. Mai 2003