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<home><29.08.2003>

Unpolitische "Notwehr" oder eine rechtsextrem motiviertes Tötungsdelikt?

Demnächst beginnt vor dem Landgericht Halle der Revisionsprozess um den Tod des 60jährigen Helmut Sackers. Der Rentner war am 29. April 2000 in Halberstadt von einem rechtsextremen Skinhead erstochen worden. Helmut Sackers hatte an diesem Abend den Notruf der Halberstädter Polizei angerufen, weil aus der Nachbarwohnung laut rechtsextreme Musik gespielt wurde, darunter das Horst-Wessel-Lied. Die Polizei ermahnte den Wohnungsinhaber Andreas S., während Sackers dem damals 29jährigen Skinhead für den Wiederholungsfall mit einer Anzeige drohte. Eine Stunde später war der Kaufmann aus Kleve tot, verblutet an vier Messerstichen im Treppenhaus des Plattenbaus, in dem er mit seiner Lebensgefährtin unter dem rechten Skin wohnte.

Vor dem Landgericht Magdeburg endete der erste Prozess gegen Andreas S. im November 2000 mit einem Freispruch. Hier hatte er behauptet, der Rentner habe seinen Hund auf ihn gehetzt und schließlich den 30 Jahre Jüngeren gepackt, um ihn die Kellertreppe hinunterzustoßen. "In Todesangst" habe Andreas S. zum Messer gegriffen und zugestochen: in die Wade, in den Magen, in die Brust und unterhalb der Achseln. Seine damalige Verlobte änderte vor Gericht ihre Zeugenaussage zugunsten von S. und stützte somit seine Notwehrversion.

Eine rechtsextreme Motivation für die Tat wurde im Prozess vollständig ausgeblendet, obwohl bei Andreas S. über 90 rechtsextreme CDs, aktuelles Neonazi-Propagandamaterial der verbotenen Organisation Blood & Honour sowie Videos mit Mordaufrufen gegen politische Gegner gefunden wurden. Im Juli 2001 hob der Bundesgerichtshof den Freispruch wegen offensichtlicher Verfahrensfehler auf, nachdem Verwandte von Helmut Sackers als Nebenkläger Revision eingelegt hatten. Nun wird der Tod von Helmut Sackers vor dem Landgericht Halle neu verhandelt, die Anklage gegen Andreas S. lautet auf "Körperverletzung mit Todesfolge".

Heide Dannenberg, die Lebensgefährtin des ermordeten Rentners, geht es vordergründig nicht mehr um Strafe. Nur ganz umsonst soll der Tod von Helmut Sackers nicht gewesen sein. Er tat das, "wovon alle immer sprechen". Die Statistik des Landes Sachsen-Anhalt verzeichnet für das Jahr 2000 "nur" ein Tötungsdelikt mit rechtsextremem Hintergrund. Die bürokratische Registratur verweigert Helmut Sackers bisher die Anerkennung als Opfer brauner Gewalt und Bürger, der den Mut hatte, dagegen anzugehen. In den Akten ist er bis dato beerdigt als ein Mann, dem die Musik zu laut war.

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  Jahrgang 2003 | Ausgabe 05 | 29. August 2003