„Wir sind heute hier, weil ein Mensch ums Leben gekommen ist und dieser Tod nicht gesühnt wurde.“

fünfter Todestag von Oury Jalloh in Dessau-Roßlau / Bundesgerichtshof hebt Urteil auf und setzt neuen Prozess an / Polizeieinsatz in Treffpunkt der afrikanischen Community löst heftige Kritik aus


Gedenken auf der Treppe des Polizeireviers

Es war kalt und der Wind pfiff den Menschen eisig um die Ohren, die am frühen Morgen des 07. Januar 2010 an die Friedensglocke ins Dessauer Stadtzentrum gekommen waren, um an den qualvollen Feuertod des Asylbewerbes Oury Jalloh vor genau fünf Jahren zu erinnern. Nur wenige Minuten nach der Gedenkveranstaltung, viele waren schon auf dem Weg zum Polizeirevier, um am tatsächlichen Ort des Geschehens still zu erinnern, war die Duplizität der Ereignisse kaum noch zu überbieten. Aus Karlsruhe lief die Nachricht über die Ticker, dass der BGH den im Dezember 2008 verkündeten Freispruch (mehr dazu hier…) des hiesigen Landgerichts für einen der beiden Polizeibeamten aufgehoben hatte. Die obersten Richter machten dabei erhebliche Zweifel am bisher geschilderten Tathergang geltend, stellten eklatante Ungereimtheiten in der Beweiswürdigung fest und ordneten einen neuen Prozess an. Diese Entscheidung sollte auch am Nachmittag auf einer Demonstration, die antirassistische Gruppen gemeinsam mit der afrikanischen Community ausrichteten, mit großer Erleichterung aufgenommen werden. Auf der Demonstration sorgte indes ein aus Sicht der Betroffenen völlig unangemessener Polizeieinsatz in Dessau für Aufregung. Am 16. Dezember hatten Beamte im Zuge einer Drogenrazzia das Telecafè  und dabei auch Mouctar Bah durchsucht. Bah ist bundesweit dafür bekannt, sich im Fall Oury Jalloh stark für eine Aufklärung der Ereignisse eingesetzt zu haben. Für sein Engagement wurde er erst wenige Tage zuvor mit der renommierten Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet. Inzwischen hat sich auch der Innenausschuss des Magdeburger Landtages mit den Vorwürfen befasst. In der Sitzung räumte der zuständige Polizeipräsident Karl-Heinz Willberg nach Angaben der Fraktion DIE Linke ein, dass der Einsatz „teilweise nicht angemessen und verhältnismäßig“ gewesen sei (mehr dazu hier…). Außerdem habe sich ein Beamter mittlerweile für seine beleidigende Wortwahl Betroffenen gegenüber entschuldigt.


Gedenken an der Friedensglocke

Oberbürgermeister Klemens Koschig (parteilos) schien sichtlich erleichtert, dass seinem Aufruf fast 70 BürgerInnen der Stadt gefolgt waren. Neben Mitgliedern des Stadtrates waren auch bekannte Persönlichkeiten wie der leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann, Kirchenpräsident Joachim Liebig und Polizeipräsident Karl-Heinz Willberg gekommen. Solche Zeichen der Anteilnahme waren aus Sicht zahlreicher Beobachter lange Zeit in der Stadt nicht selbstverständlich. Viel zu lange, so der Vorwurf, hätten die Verantwortlichen geschwiegen und sich zum qualvollen Tod Oury Jallohs in einer Dessauer Polizeizelle nicht öffentlich positioniert. Die erstmals im letzten Jahr von der Stadt ausgerichtete Gedenkveranstaltung bezeichneten Opfer- und Beratungsprojekte, Vereine und Initiativen damals in Form und Ausgestaltung als nicht würdevoll genug (mehr dazu hier…). Dies jedenfalls schien nun anders zu sein.

„Dieser grausame Tod in der Gewahrsamszelle darf nicht umsonst gewesen sein.“

“Was treibt einen jungen Mann dazu seine von Ahnen ererbte Heimat im ferner Afrika zu verlassen?“ eröffnete Koschig seine Erinnerungsworte und lieferte neben mehreren rhetorischen Antworten diese gleich mit: „Ist es, weil dort mit zweierlei Maß gemessen wird, Andersdenkende in Internierungslager oder gar Konzentrationslager gesteckt werden?“ Das Stadtoberhaupt betonte wie wichtig es sei, gerade an „diesem schweren Tag für unsere Stadt“ demokratische und tolerante Grundwerte einzufordern. Klemens Koschig versuchte abseits solcher Bekenntnisschwüre aber auch, sich dem Mensch Oury Jalloh zu nähern. Dieser floh vor den Bürgerkriegswirren in Sierra Leone und habe versucht in der Stadt Fuß zu fassen, ging eine Beziehung ein und wurde später Vater eines Kindes. Ob er dabei von Anfang an ein neues Leben in Deutschland oder gar in Dessau im Sinn gehabt hätte, kann der Oberbürgermeister für sich nicht beantworten: „Ich weiß nicht, ob er gern hierher gekommen ist? Darf man bei Asylsuchenden von einem Land ihrer Wahl sprechen?“ Zur Persönlichkeit Oury Jallohs gehört für Koschig auch die „schiefe Bahn“, auf die er geraten sei. Damit spielt er augenscheinlich auf den Drogen- und Alkoholkonsum des Afrikaners an. Das wollte der Kommunalpolitiker aber ausdrücklich nicht als Generalvorwurf verstanden wissen, sondern leitete daraus eine „unabdingbare Integrationsarbeit“ ab, die dazu beitragen könne, das „Abdriften von Asylsuchenden in die Grauzonen unserer Gesellschaft“ zu verhindern. Es müsse darum gehen zu vermitteln, dass Mitbürger mit Migrationshintergrund nicht mehr oder weniger kriminell seien als die Mehrheitsgesellschaft. Das allein sei schon eine Herausforderung, weil dieses Thema - nicht nur in Dessau-Roßlau - nach wie vor sehr vorurteilsbehaftet diskutiert werde. Auch mit struktureller Kritik wartete Koschig an dieser Stelle auf: „Ich denke das liegt auch an unserem Asylrecht.“ Wohl auch deshalb fordert er nachdrücklich: „Dieser grausame Tod in der Gewahrsamszelle darf nicht umsonst gewesen sein.“


Oberbürgermeister Klemens Koschig an der Friedensglocke

Dass viele Migrantinnen in der Stadt das Vertrauen in die Prinzipien des Rechtsstaates inzwischen verloren haben, ist derweil kein Geheimnis. Viele bringen diese Haltung unmissverständlich zum Ausdruck, die sich regelmäßig in der These: „Oury Jalloh, das war Mord“ emotionalisiert entlädt. Der Freispruch der Polizeibeamten und der als gescheitert anzusehende Prozess am hiesigen Landgericht haben diese Überzeugung zusätzlich verstärkt.

„Unser Mitgefühl gehört allen, die um ihren Freund und Bruder trauern.“

Für die Afrikaner in der Stadt hatte der Oberbürgermeister deshalb einen Handschlag im Gepäck, setzte in dieser angespannten Situation auf Dialogbereitschaft: „Wir sind heute hier zusammen gekommen, um unsere Solidarität mit der Community zu bezeugen. Unser Mitgefühl gehört allen, die um ihren Freund und Bruder trauern.“ Dies bedürfe allerdings auch des „Mit-Tuns“ und „Mit-Wollens“ der Community. Die Bemühungen des Aufeinanderzugehens müssten verstärkt werden. Dies sei aber nur möglich, wenn sich die Community nicht weiter versage. Koschig forderte hier ein Bekenntnis „zur Anerkennung der Gewaltenteilung in unserer Gesellschaft“ ein.


Gedenken auf der Treppe des Polizeireviers

“Dann wird auch endlich unsere Stadt Frieden finden, Frieden, den wir so dringend brauchen.“

Auf die juristische Aufarbeitung der Todesumstände Oury Jallohs hatte Koschig derweil seine ganz eigene Sicht, aus der dann doch wieder stärker das Stadtoberhaupt spricht. Nach dem 07. Januar 2005 habe es schließlich Konsequenzen im Polizeirevier Dessau gegeben. Zu einem rechtsstaatlichen Verfahren in diesem Fall hätte niemand erst gezwungen werden müssen. Wohl war. Allerdings vergas Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister dabei zu erwähnen, dass es der vorsitzende Richter Manfred Steinhoff im Jalloh-Prozess war der davon gesprochen hatte, das ein rechtsstaatliches Verfahren auf Grund des Aussageverhaltens vieler Polizisten nicht möglich gewesen sei. Steinhoff hatte in der Hauptverhandlung offensichtliches Mauern, Falschaussagen, Lügen und Zeugenabsprachen immer wieder harsch angeprangert (mehr dazu hier…). Den Polizisten, die vor fünf Jahren Schuld auf sich geladen hätten, wünschte Koschig die Fähigkeit zur „Sühne“. Für alle anderen wünschte er sich „sehnlichst“ einen Freispruch. “Dann wird auch endlich unsere Stadt Frieden finden, Frieden, den wir so dringend brauchen“ sagte er später nicht nur hinsichtlich des angespannten Verhältnisses mit der Community. Sein Wusch, dass es „für uns alle ein ENDLICH geben“ muss, dürfte angesichts der BGH-Entscheidung aus Karlsruhe nicht so schnell in Erfüllung gehen.


Gedenken auf der Treppe des Polizeireviers

schlechte Presse ist das letzte was die Polizei will

Auch Polizeipräsident Karl-Heinz Willberg äußerte an diesem Tag unter der Friedensglocke einen Wunsch in die Kameraobjektive der Journalisten. Er hätte sich gewünscht, dass die Betroffenen des Polizeieinsatzes vom 16. Dezember 2009 im Treffpunkt der afrikanischen Community in Dessau, dem Telecafe in der Friedrich-Naumann-Strasse, zunächst auf ihn zugegangen wären anstatt die Anschuldigungen öffentlich in den Medien zu verhandeln. Da konnte er wohl noch nicht ahnen, welche politische Brisanz der Fall annehmen würde und dass sich noch im Januar der Magdeburger Innenausschuss damit beschäftigen sollte.


Konfliktmanagement scheint nötig zu sein

„Die polizeilichen Maßnahmen haben sich mithin nicht gegen die Inhaber des Tele-Cafés gerichtet.“

Bereits einen Tag nach der Razzia sahen sich die zuständige Staatsanwaltschaft und die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost gezwungen, ihre Version der Geschehnisse zu veröffentlichen. Demnach hätte sich ein 37jähriger Mann aus dem Sudan, der des Drogenhandels verdächtigt wurde, einer Durchsuchung entziehen wollen und sei ins Telecafe geflüchtet. Um einen „Beweismittelverlust“ zu verhindern, wären Polizisten dem Täter gefolgt und hätten auf dem Boden des Ladens dort liegende Rauschmittel festgestellt. Außerdem seien bei dem Mann weitere Drogen gefunden worden. Weitere Drogenfunde hätte es in den Räumlichkeiten nicht gegeben. Außerdem dementierten die Behörden in der Pressemitteilung vehement Vorwürfe, die polizeiliche Maßnahme hätte sich gegen das Telecafe oder dessen Mitarbeiter Mouctar Bah gerichtet: „Die polizeilichen Maßnahmen haben sich mithin nicht gegen die Inhaber des Tele-Cafés gerichtet.“


Polizeibeamte haben die Demonstranten genau im Blick

„Halt die Fresse!“

Die Version der „Deutsch-Afrikanische Initiative“, die das Begegnungszentrum betreibt, sah indes anders aus. Sie erhob dagegen schwere Vorwürfe und sprach von einem „rechtswidrigen und diskriminierenden Polizeieinsatz“ und einer „abscheulichen Behandlung durch Polizeibeamte“. Nach der Schilderung des Vereins mussten sich alle anwesenden Afrikaner, neben dem vermeintlichen Drogendealer auch drei Angestellte, die sich zu diesem Zeitpunkt im Treff aufhielten einer Durchsuchungsprozedur unterziehen. Die Polizisten hätten die vier Anwesenden ausnahmslos geduzt und mit den Worten „Hört auf zu fressen!“ und „Halt die Fresse!“ beleidigt. Zwei Mitarbeiter des Treffs hätten sich dann nackt ausziehen müssen, während Mouctar Bah seine Oberbekleidung ablegen und die Hose habe öffnen müssen. Aus den eidesstaatlichen Erklärungen geht weiter hervor, dass die Einsatzkräfte den Laden gefilmt und den Afrikanern verboten hätten, sich in ihrer Landessprache zu unterhalten. Inzwischen hat die Deutsch-Afrikanische Initiative über einen Rechtsanwalt eine gerichtliche Überprüfung der Durchsuchungsumstände auf den Weg gebracht.


Mouctar Bah von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh vor dem Polizeirevier

„Nach diesem Polizeieinsatz …  ist das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit … nochmals schwer erschüttert.“  

Die Initiative zeigte sich daraufhin erschüttert und hatte zugleich ein niederschmetterndes Fazit zu verkünden: „Nach diesem Polizeieinsatz mit Verletzungen der Persönlichkeitsrechte und der Menschenwürde ist das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit, insbesondere bei Migranten, nochmals schwer erschüttert.“ 



Während viele lokale Akteure und die Grünen im Land (mehr dazu hier…) eine lückenlose Überprüfung des Einsatzes fordern, gibt es von Leserbriefseiten und Stammtischen manchmal ganz andere Töne zu hören. Mit mal mehr oder weniger stark kaschierter rassistischer Motivation wird dort gegen Flüchtlinge und MigrantInnen gehetzt. Trauriger Höhepunkt dieser Haltung ist eine Schmäh-Postkarte, die der Leiter des Multikulturellen Zentrums , Razak Minhel, vor wenigen Tagen von einem anonymen Schreiber bekam. Darin wird Minhel u. a. aufgefordert, „den Kokshandel im Dessauer Stadtpark zu unterbinden“ und „Unsere Deutschen Kinder sowie Jugendliche zu schützen.“


Schmähpostkarte an das Multikulturelle Zentrum

„Bestimmte polizeiliche Maßnahmen seien von ihrem Ausmaß her so nicht notwendig gewesen.“

Polizeipräsident Willberg hatte laut der Landtagsabgeordneten Gudrun Tiedge (LINKE)  im Innenausschuss am 14. Januar 2010 (mehr dazu hier…) derweil eingeräumt, dass die Aufforderung an die Mitarbeiter sich zu entkleiden „weder angemessen noch verhältnismäßig“ gewesen sei. Insgesamt habe er zu dem Einsatz eingestanden: „Bestimmte polizeiliche Maßnahmen seien von ihrem Ausmaß her so nicht notwendig gewesen“ zudem habe sich „ein Beamter … für eine beleidigende Wortwahl im Nachhinein schriftlich entschuldigt.“


die Hoffnung stirbt zuletzt

„Damals wie heute wird mit derselben Propaganda gearbeitet: Schwarze Menschen sind Drogendealer!“

Bei dieser angespannten Situation war nicht unbedingt zu erwarten, dass der Aufzug „Oury Jalloh – das war Mord! Gedenkdemonstration zum fünften Jahrestag“ am Nachmittag des 07. Januar 2010 reibungslos verlaufen würde. „Damals wie heute wird mit derselben Propaganda gearbeitet: Schwarze Menschen sind Drogendealer!“, konstatierte ein Redner der Veranstaltung, nachdem der Polizeieinsatz auch hier Thema war. Etwa 150 Menschen hatten sich zu diesem Aufzug eingefunden. Dass der BGH-Termin auf den Todestag Jallohs gelegt wurden war sorgte für Kritik im Vorfeld. Auch Mouctar Bah und einige UnterstützerInnen konnten es sich nicht nehmen lassen, der Sitzung in Karlsruhe beizuwohnen. Anschließend machten sie sich umgehend auf den Weg nach Dessau-Roßlau. Erst als die Gedenkdemonstration kurz vor Ende Stopp am Polizeirevier machte, stießen er und seine BegleiterInnen dazu.


Demonstration vor dem Landgericht


Mamadou Siliou, der Halbbruder Oury Jallohs, am Hauptbahnhof

„Dass es nicht mehr so leicht ist, einen Menschen umzubringen und dann einfach so weg zu gehen.“

„Dass man die Wahrheit herausfindet und dass man die Schuldigen zur Verantwortung zieht“, antwortet Mamadou Siliou, der Halbbruder Oury Jallohs, darauf, was er sich von dem neu angeordneten Prozess erwarte. Ein Sprecher der antirassistischen Karawane Hamburg resümierte, dass sich in den letzten Jahren geändert habe, dass es mittlerweile Initiativen gäbe, die solche Fälle, wie den Tod eines Migranten in einer Polizeizelle, ansprechen würden. „Dass es nicht mehr so leicht ist, einen Menschen umzubringen und dann einfach so weg zu gehen“ – „der deutsche Staat muss nachbessern … so viel Ungereimtheiten gibt es nicht“, wie im Verlauf des Prozesses im Dessau-Roßlauer Landgerichts zu Tage traten. Die am Morgen gefällte Entscheidung des Bundesgerichtshofes bestätigte diese Position. Und er betonte: „Wenn wir irgendwann in einer besseren Gesellschaft leben wollen, dann sind wir hier in Dessau genau richtig“ mit diesem Anliegen. Dennoch kritisierte der Redner, dass es wohl auch in diesem Prozess ausschließlich um die Reaktionszeit der Polizeibeamten gehen werde, nicht aber um die Möglichkeit, dass der Tod Oury Jallohs auch ein Mord gewesen sein könnte.


Demonstration vor dem Landgericht

„Viele Menschen sind hier, weil ihr in unsere Länder Waffen verkauft habt.“

Bei einer Zwischenkundgebung im Stadtpark an der Stele für den von Neonazis ermordeten Alberto Adriano (mehr dazu hier…) war die Stimmung schon deutlich emotionaler. „Wo sind Menschenrechte hier, wenn Menschen einfach verschwinden? Wo sind Menschenrechte hier, wenn Polizeibeamte offen lügen?“ rief der Redner einer Initiative fragend in die Runde. Viele Deutsche würden meinen, dass Flüchtlinge aus anderen Ländern nach Deutschland kämen, weil sie es auf die Sozialleistungen hier abgesehen hätten, führte er weiter an. Und entgegnete diesen Klischees sogleich, mit spürbarer Verzweiflung, aber auch Wut in der Stimme: „Viele Menschen sind hier, weil ihr in unsere Länder Waffen verkauft habt. Wir haben bei uns Tod und Krieg“ aufgrund solcher Waffengeschäfte, an denen auch die deutsche Wirtschaft beteiligt ist.

„Wir sind heute hier, weil ein Mensch ums Leben gekommen ist und dieser Tod nicht gesühnt wurde.“

„Wir sind heute hier, weil ein Mensch ums Leben gekommen ist und dieser Tod nicht gesühnt wurde“, war über den Lautsprecherwagen weiter zu hören. Wenn am Ende der kommenden Verhandlung zum Tod Oury Jallohs nicht „Aufklärung, Wahrheit und Gerechtigkeit“ stünden, dann würde dies bedeuten: „Deutschland hat versagt“. Nach emotionalen Begrüßungsszenen zwischen Mouctar Bah, seinen BegleiterInnen und DemonstrationsteilnehmerInnen vor dem Polizeirevier, äußerte Bah nochmal die Freude und Erleichterung über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wenige Stunden zuvor in Karlsruhe. Er bedankte sich bei den Anwesenden, der Familie Jallohs und auch den zahlreichen UnterstützerInnen die an diesem Tag nicht nach Dessau-Roßlau kommen konnten. Bah resümierte auch noch das Engagement der Initiative vor Ort: „Diese Stadt hat versucht … uns Steine in den Weg zu legen“, aber schlussfolgerte auf die anhaltende Unterstützung vieler Mensch: „Ihr habt uns wirklich Kraft gegeben.“


Demonstration vor dem Polizeirevier

mit Schreckschusswaffe und verbaler Gewalt

Der oberste Dienstherr der sachsen-anhaltinischen Polizei Holger Hövelmann meinte zu der BGH-Entscheidung: „Die Wiederholung des Strafprozesses ist eine Chance, zu einer vollständigen juristischen Aufarbeitung des Todes von Oury Jalloh zu kommen.“ Dass einige Passanten und Anwohner der Muldestadt dem Anliegen der Initiative und der Demonstranten, nach Aufklärung des Todes eines Menschen, nicht per se aufgeschlossen gegenüberstanden, war auch an diesem Tag wiedermal zu spüren. Teils leise, teils laute Bemerkungen bis unter die Gürtellinie – teils plumpe Schmähungen, teils offener Rassismus, war auf den Gehsteigen von PassantInnen zu vernehmen, wenn der Demonstrationszug in Sicht- und Hörweite kam. In der Kavalierstraße, gegenüber des Stadtparks, wurde von einem Balkon sogar mehrmals mit einer Schreckschusswaffe in Richtung der Demonstration gefeuert und anschließend wilde Unmutsbekundungen vom Schützen an die Adresse der Demonstranten ausgestoßen. Der Anwohner erhielt kurz darauf in seiner Wohnung Besuch von Einsatzkräften der Polizei. Der Pressesprecher der Polizeidirektion Moritz, gab im Anschluss der Veranstaltung auf Nachfrage noch an, dass neun Personen der rechten Szene an der Museumskreuzung von der Polizei vertrieben worden seien, die sich zu „Gegenprotest“ dort eingefunden haben sollen.




verantwortlich für den Artikel:

 

Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt