Das Fass ist voll!

Rechtsextremismus in Bernburg / Alter Markt 28 – JN-Bundesgeschäftsstelle und Neonaziladen unter einem Dach

Rechtsextremismus in Bernburg

In Bernburg sind seit vielen Jahren Aktivitäten eines organisiert-verfassten Rechtsextremismus zu verzeichnen. Bereits 1998 gründete sich nach Angaben der Landesregierung die Neonazigruppierung „Kameradschaft Köthen“, die sich noch im gleichen Jahr in „Freie Nationalisten Bernburg-Köthen“ umbenannte und so ihren Anspruch zum Ausdruck brachte, auch in den ehemaligen Landkreis Bernburg hineinzuwirken. Diesem rechtsextremen Personenzusammenschluss, eine der ersten Kameradschaften die in Sachsen-Anhalt überhaupt in Erscheinung trat, kam in den folgenden Jahren eine bedeutende Rolle innerhalb der rechten Szene zu, die weit über die Grenzen des Bundeslandes hinaus reichte. Die Führungspersonen dieser Kameradschaft beteiligten sich so an der Entwicklung rechtsextremer Strategiepapiere, gründeten und förderten später Neonazibands und waren am Aufbau eines rechtsextremen Versandes und Shoppingportals im Internet beteiligt.

Wie virulent der Rechtsextremismus in Bernburg und Umgebung - nicht nur im Straßenbild- nach wie vor in Erscheinung tritt, zeigt die Angriffsstatistik für das Jahr 2007.

 

Neonazikameradschaften und NPD/JN – enge Kooperation & organisatorischer Schulterschluss

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und deren Jugendorganisation, die Jungen Nationaldemokraten (JN), können mit Fug und Recht als Sperrspitze und Sammelbecken des organisierten Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt bezeichnet werden. Andere rechtsextreme Parteien spielen hier kaum noch eine Rolle und sind in die Bedeutungslosigkeit abgeglitten.

Die NPD steht somit für eine neue Qualität und einen dynamischen Wandel des parteipolitischen Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt im Allgemeinen und in der Region Anhalt im Speziellen.

Darüber hinaus ist noch eine weitere besorgniserregende Entwicklung zu konstatieren, die die Kampagnenfähigkeit des Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt spürbar gesteigert hat. Die NPD grenzt sich immer weniger – nicht einmal aus taktisch-operativen Gründen – vom jungendkulturellen Rechtsextremismus und den Neonazikameradschaften ab. Vielmehr gibt es auf allen Ebenen eine enge Zusammenarbeit auf einem neuen Niveau. Mehr noch, mittlerweile ist sogar eine Personalunion zu verzeichnen. So sind ehemalige Aktivisten der Kameradschaft „Freie Nationalisten Bernburg-Köthen“ in die NPD eingetreten und haben funktionierende Strukturen der JN in der Region etablieren können. Dieser Strategie folgend, ist die Kameradschaft im Jahr 2007 unter diesem Label auch nicht mehr öffentlich aufgetreten und hat Aktivitäten unter dem organisatorischen Dach der NPD/JN durchgeführt.

Offensichtlich hat sich bei den NPD-Kadern in der Region Anhalt die Erkenntnis durchgesetzt, dass der rechtsextreme Nachwuchs durch erlebnisorientierte Angebote (rechtsextreme Erlebniswelt), Eventcharakter und Anlassbezogenheit viel leichter zu erreichen ist, als mit klassischen Politikangeboten. Ganz bewusst wird hier auf das Bauchgefühl und ein emotionales Politikverständnis abgezielt. Dieser Paradigmenwechsel wäre freilich nie möglich gewesen, wenn insbesondere die Neonazikameradschaften sich nicht aktiv auf die NPD zu bewegt hätten. Es ist ein konzeptioneller Wandel, von dem beide Seiten profitieren.

Die neonazistischen Personenzusammenschlüsse nutzten das legalistische Dach und die Privilegien, die die NPD als zugelassene Partei geniest, als Bühne für ihre Kampagnen aus. Der NPD wiederum gelingt es gerade durch die aktionistische JN, junge Leute an die Parteiarbeit zu binden.

 

Die Jungen Nationaldemokraten (JN) in Anhalt

In Bernburg existiert seit Oktober 2006 ein eigener JN-Stützpunkt. Die dortigen JN-Strukturen gelten als einer der zentralen Anlaufstellen für Rechtsextremisten und Neonazis in der gesamten Region Anhalt. Die Internetpräsenz der JN Bernburg ist das wichtigste rechtsextreme Portal in der Region.

Diese Entwicklung ist vor allem an einer Person festzumachen: dem JN-Aktivisten Philipp Valenta. Der 26jährige, der das Amt des JN-Landesvorsitzenden in Sachsen-Anhalt bekleidet und als stellvertretender Bundesvorsitzender agiert, sitzt außerdem für die NPD im Kommunalparlament des Salzlandkreises.

Valenta kann als rechtsextremer Jungfunktionär neuen Typs bezeichnet werden. Er verfügt nicht nur über enger Kontakte zur NPD-Führungsriege und einschlägig vorbestraften Neonazis, sondern zeichnet sich vor allem durch seine Eloquenz und einen intellektuellen Habitus aus. Valenta studiert an der Hochschule Anhalt Betriebswirtschaft. Ihm ist es in den letzten eineinhalb Jahren gelungen, viele Aktivisten aus den örtlichen Kameradschaften an sich zu binden und für die Parteiarbeit der NPD und deren ideologischen und strategischen Ziele zu interessieren.

 

Alter Markt 28 – JN-Bundesgeschäftsstelle und Neonaziladen unter einem Dach


Dem organisierten Rechtsextremismus ist es mit angemieteten Räumlichkeiten im Objekt „Am Markt 28“ gelungen, im Bernburger Stadtzentrum, also in einer ausgesprochen exponierten Lage, eine Infrastruktur aufzubauen.

Bereits seit Oktober 2006 betreibt der Neonazi Steffen B. an diesem Standort unter dem Label „Nordic Flame“ einen Neonaziladen. In dem Geschäft werden neben einschlägigen Tonträgern und Textilien, auch neonazistische Devotionalien aller Art und Teleskopschlagstöcke angeboten. Der Köthener Rechtsextremist war vorher in der Kameradschaft „Freie Nationalisten Bernburg-Köthen“ aktiv und zeichnet für das rechtsextreme Internet-Shoppingportal „Odins Eye“ verantwortlich.

Zudem war bis zum Herbst 2007 in dem Haus die Landesgeschäftsstelle der Jungen Nationaldemokraten untergebracht. Anfang Oktober traf sich die JN zur ihrem 2. Bundeskongress in der Nähe Quedlinburgs, um einen neuen Vorstand zu wählen.

Dort wurde u.a. beschlossen, dass zukünftig der NPD-Kreistagsabgeordnete (Harz) Michael Schäfer, die Geschicke des rechtsextremen Jugendverbandes leiten soll. Er wurde zum JN-Bundesvorsitzenden gewählt und Philipp Valenta in seinem Amt als Vize bestätigt. Darüber hinaus wurden weitere Rechtsextremisten aus Sachsen-Anhalt als Beisitzer in den JN-Vorstand berufen.

Neben der personellen Schwerpunktsetzung auf Aktivisten aus Sachsen-Anhalt, beschloss die JN konsequenterweise, ihr organisatorisches Zentrum von Sachsen nach Sachsen-Anhalt zu verlagern. Die Wahl fiel auf Bernburg: Dort ist nun offiziell die JN-Bundesgeschäftsstelle untergebracht.

Diese Aufwertung des informellen und organisatorische Treffpunktes Am Markt 28, geht nachweisbar mit verstärkten Aktivitäten der rechten Szene einher. So unterband die Polizei am 06. Oktober 2007 eine Neonaziparty im „Nordic Flame“. Außerdem veranstaltete der Nationale Bildungskreis (NBK) der JN regelmäßig Schulungen in den Räumlichkeiten in der Bernburger Innenstadt.

Es ist davon auszugehen, dass das Wirken aus der JN-Bundesgeschäftsstelle heraus, für die Binnenverfasstheit und Deutungsmächtigkeit der NPD/JN und der rechtsextremen Personenzusammenschlüsse, in Bernburg und ganz Sachsen-Anhalt, von entscheidender Bedeutung sein wird.



Aufruf:

Das Fass ist voll!

Demonstration gegen die JN-Bundesgeschäftsstelle am 11. März, 16:30 Uhr, Bernburg / Karlsplatz

Stellen Sie sich vor, es würde wieder losgehen: mit Gewalt auf den Straßen, mit der ideologischen Verführung Minderjähriger, mit der Vertreibung von Familien aus der Heimat, mit der Tötung von Menschen, die einem nicht in den Kram passen. Die ältere Generation hat all das erleben müssen. Wir wollen das nicht haben - weder für uns noch für unsere Kinder.


Jetzt sind die wieder da, die sich von denen, die damals all das ausgelöst haben, nicht klar und deutlich distanzieren. Mitten im Herzen von Bernburg, in der Fußgängerzone am Markt, haben die Jungen Nationaldemokraten (Jugendorganisation der NPD) ihre Bundesgeschäftsstelle eingerichtet. Von Bernburg aus verbreiten sie ihr Gedankengut übers Land.

Wenn Sie auch etwas dagegen haben, dann kommen Sie zur Demonstration des Bernburger Bündnisses für Demokratie und Toleranz am Dienstag, 11. März, um 16.30 Uhr auf den Karlsplatz. Vom Karlsplatz gehen wir zum Markt.

Bringen Sie einen Eimer mit!

Denn wir wollen in einer langen Menschenkette ein Fass mit Saalewasser füllen, um deutlich zu machen:

Das Fass ist voll!




Bernburger Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Rechtsextremismus und Gewalt
Martinstr. 5
06406 Bernburg
www.kreis-slk.de
Der Sprecherrat: Friedel Meinecke  Karl-Heinz Schmidt  Juliane Stephan  Roland Wiermann
V.i.S.d.P. Karl-Heinz Schmidt
Mit freundlicher Unterstützung von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Salzlandkreis

 

Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt