Augen auf! Ausgabe August 2009 |
Nach bislang ungeklärtem Tod eines Flüchtlings: Parteien, Vereine und Beratungsprojekte fordern Schließung des Asylbewerberheims in Möhlau150 Menschen demonstrierten vor dem Landratsamt in WittenbergDie Ereignisse um den mysteriösen Tod eines Flüchtlings (mehr dazu hier...) und (hier...) aus einem Heim in Möhlau (Landkreis Wittenberg) scheinen sich zu überschlagen. Nachdem Ermittler erst vor wenigen Tagen verlauten ließen, dass der 28-jährige Mann gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde wohl eine falsche Identität angegeben habe, kritisieren immer mehr Landespolitiker und lokale Initiativen die katastrophalen und menschenunwürdigen Lebensbedingungen in der Unterkunft. Laut einem Bericht des Internetportals „Mut gegen rechte Gewalt“ schließt die hiesige Staatsanwaltschaft einen fremdenfeindlichen Hintergrund als handlungsleitendes Tatmotiv nach wie vor nicht aus. Die Bewohner des Heims hatten in einem Offenen Brief bereits im April diesen Jahres davon gesprochen, dass sie und ihre Kinder mehrmals Opfer rechtsextremer Angriffe geworden wären. Der Asylbewerber hatte sich am 30. Juni 2009 unter bisher nicht geklärten Umständen schwere Brandverletzungen zugezogen und verstarb wenige Tage später in einer Spezialklinik in Halle. Beratungsprojekte gegen Rechtsextremismus bilanzieren erstes Halbjahr 2009rechte Gewalttaten auf unverändert hohem Niveau / Rückgang der verzeichneten Propagandadelikte / Doppelstadt Dessau-Roßlau Hochburg neonazistischer AktivitätenIn ihrer Präsentation der Halbjahresstatistik kommen die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt (OBS) und das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus (Projekt gegenPart) zu dem Schluss, dass die Region Anhalt (Dessau-Roßlau, Landkreis Wittenberg, Landkreis Anhalt-Bitterfeld) nach wie vor ein Schwerpunkt rechter Gewalt im Land ist. Die von den Projektmitarbeitern festgestellte Abnahme bei Propagandadelikten ist indes kein Beleg dafür, dass die Kampagnenfähigkeit und Deutungsmächtigkeit des organisiert und jugendkulturell verfassten Rechtsextremismus zwischen Elbe und Saale spürbar abgenommen hat: Von einer Entwarnung kann also keine Rede sein. Der Trend, dass vor allem Neonazis aus dem Kameradschaftsspektrum ihre Aktionen zusehends auf Dessau-Roßlau konzentrieren, hielt auch in den ersten beiden Quartalen im Jahr 2009 unvermindert an. „Jetzt kriegen die auch mal einen dran.“Untersuchungsausschuss befasst sich mit polizeilichen Ermittlungen gegen Leiter einer Netzwerkstelle gegen RechtsDer 10. Parlamentarische Untersuchungsausschuss im Magdeburger Landtag (mehr dazu hier...) befasste sich in seinen Sitzungen vor der Sommerpause erneut mit polizeilichen Verfehlungen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Diesmal verhandelte das Gremium den Fall des ehemaligen Leiters der Civitas-Netzwerkstelle in Dessau. Steffen Andersch hatte am 14. September 2006 im Rahmen eines Aktionstages in der Gemeinde Bergwitz (Landkreis Wittenberg) einen Vortrag gehalten und in diesem auch Akteure der lokalen rechten Szene benannt (mehr dazu hier...). Als im Nachgang der Veranstaltung gegen Andersch anfänglich wegen des Verstoßes gegen das Kunsturheberrechtsgesetz ermittelt wurde, ging dieser zunächst davon aus, dies sei auf Betreiben von Rechtsextremisten erfolgt. Nachdem sich abzeichnete, dass die zuständige Polizeibehörde von Amtswegen die Strafanzeige auf den Weg gebracht hatte, wurde scharfe Kritik laut. Auch deshalb weil der Vorwurf im Raum stand, Polizeibeamte hätten Neonazis im weiteren Verlauf regelrecht ermutigt, Anzeige gegen eine mit Bundes- und Landesmitteln finanzierte demokratische Initiative zu erstatten. In den Sitzungen des Gremiums kam schließlich zu Tage, dass einer der von Andersch gekennzeichneten Rechtsextremisten der Sohn eines Polizeibeamten ist. Schließlich erklärte sich das Land Sachsen-Anhalt in Vergleichsverhandlungen bereit, dem Projektleiter ein Schmerzensgeld zu zahlen und für dessen Anwaltskosten aufzukommen. „Rechtsextreme Gewalt ist keine künstliche, keine aufgebauschte Gefahr"Gedenken an Alberto Adriano im Dessauer StadtparkRund 70 Bürger haben sich an der Stelle versammelt, an der vor neun Jahren der Mosambikaner Alberto Adriano von Neonazis ermordet wurde. Zahlreiche Initiativen und Institutionen hatten zum „Tag der Erinnerung“ aufgerufen, um das schändliche Verbrechen erneut ins Gedächtnis zu rufen und damit auch auf den wieder erstarkten Rechtsextremismus in der Stadt hinzuweisen. Eine szenische Lesung führte dabei anschaulich vor Augen, wie der Cocktail aus brauner Gesinnung, Trostlosigkeit und antizivilisatorischer Enthemmung dazu führte, dass die Täter so unglaublich brutal und menschenverachtend zu Werke gingen. Kommunalwahlen in Sachsen-AnhaltMit 19 neuen Mandaten der „Systemüberwindung“ ein kleines Stück näher. Sachsen-Anhalt hat gewählt – zumindest ein Teil des Bundeslandes. Die neonazistische NPD wirft im Wahlkampf lange Schatten voraus, holt weitere Mandate aber bleibt weit hinter den selbstgesteckten Zielen zurück.Von Tilo Giesbers und Mario Bialek |
NEWS
Interaktive Karte zur europäischen Dimension der extremen Rechten www.projekt-entgrenzt.de |
DIE NAZIS, DIE MEINUNGSFREIHEIT UND DER PROTEST Netzwerk GELEBTE DEMOKRATIE lädt zu DEBATTE am 14. Dezember 2015 ins Mehrgenerationenhaus Dessau ein |
„Frau trifft…Engagement und Courage gegen Rechtsextremismus“ Ausstellungseröffnung am 18. November im Frauenzentrum Wolfen |
15 Punkte für eine Willkommensstruktur in Jugendeinrichtungen Handreichung des Projekt ju:an der Amadeu-Antonio-Stiftung |
„Antisemitismus in der DDR und die Folgen“ Konferenz vom 26. bis 27. November 2015 in der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur |
Flüchtlinge in Anhalt – Fragen und Antworten Faltblatt der evangelischen Landeskirche Anhalt |
HATE SPEECH – zum Umgang mit Menschenverachtenden Postings im Web 2.0 Workshop am 20. November 2015 in der Volkshochschule Dessau |
Rassismus - Antisemitismus - Jugendkultur Handreichung von Argumente und Kultur gegen Rechts e.V. |
Einladung zur Veranstaltung „Lieder gegen das Vergessen“ Erinnerung an den Novemberpogrom von 1938 und Gedenken an die Opfer des Holocaust aus Dessau-Roßlau |
Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt