20. Oktober 2008 / Köthen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld)

Seit Anfang Oktober `08 ist das extrem rechte Ladengeschäft „Nordic Flame – Street and Fightwear“ in Bernburg geschlossen. „Wir haben schon, nicht weit von Bernburg, neue Räume bezogen. Wenn wieder alles fertig ist, lassen wir es Euch wissen.“, ist auf der dazu gehörenden Internetpräsenz „Odins-Eye“ zu lesen. „Nicht weit von Bernburg“ im Landkreis Anhalt-Bitterfeld liegt Köthen, eine Hochburg des Karnevals mit knapp 30.000 Einwohnern.


"Nordic-Flame"-Verkaufsstand auf dem NPD-Sommerfest 2008 in Sangerhausen (mehr dazu hier...)

Der Neonazi-Versandhandel führt quasi alles was das rechtsextreme Herz begehrt und zukünftig scheint er dies in Köthen zu tun. Zwischen einem Standort der Hochschule Anhalt und dem Köthener Krankenhaus in der Lohmannstraße wird seit kurzem ein Verkaufsgeschäft mit schätzungsweise 45-50 Quadratmetern renoviert. Noch sind die Schaufenster mit schwarzer Folie abgeklebt, scheinbar will man sich nicht in die Karten gucken lassen. Seit wenigen Tagen ist erkennbar, dass im Innenraum der Verkaufseinrichtung bereits in großen Lettern der Schriftzug „Nordic Flame“ an der Wand prangt.


der "Nordic Flame"-Laden in der Köthener Innenstadt

Nordic Flame“ ist ein extrem rechtes Ladengeschäft, das von Steffen B. seit Oktober 2006 in Bernburg betrieben wurde (mehr dazu hier...). Angegliedert ist ein Online-Versand, der schon längere Zeit vor dem Verkaufsgeschäft sein Repertoire anbot. In Bernburg war der Laden zunächst im sogenannten „nationalen Zentrum“ ansässig. In diesen Räumen sitzen die Bundesgeschäftsstelle der NPD-Jugend „Junge Nationaldemokraten“ (JN) und andere NPD-Verbände (mehr dazu hier...). Ferner sind neonazistische Kameradschaftsgruppen dort gemeldet und das Objekt, gilt als überregionaler Anlaufpunkt für das breite Spektrum der Neonaziszene. Hier konnten politische und kommerzielle Interessen in zentraler Lage unter einem Dach verfolgt werden – quasi menschenfeindliche Parteiarbeit, Propaganda und rechtsextreme Geschäfte in Symbiose vereint.

Im Mai 2008 zog B. aus den Räumen der JN am Markt 28 aus und in einen schräg gegenüben liegenden größeren Laden. In kundenträchtiger Lage und mit großer Schaufensterfläche hoffte er wohl, sich weiter in Bernburg etablieren zu können. Nachdem der Vermieter auf die Hintergründe des Geschäftsmannes aufmerksam gemacht wurde, musste dieser den Laden dort nach kurzer Zeit wieder räumen.


Geschäftsmann und Neonaziaktivist: Steffen B. aus Trebbichau

Ein Verkaufsgeschäft allein kann sich finanziell durchaus über Wasser halten, aber wirklich Gewinn macht man vor allem mit dem Verkauf via Internet. Unter dem Label „Odins Eye“ vertreibt Steffen B. überregional seit mehreren Jahren ein breites Angebot von derzeit über 1.300 Artikeln. Darunter befinden sich mehr als 400 CDs / DVDs und LPs einschlägiger rechtsextremer Bands, zahlreiche Anstecker, Aufnäher und Fahnen sowie über 600 Artikel in der Kategorie „Bekleidung/ Ausrüstung“. Angesagte Modemarken der Neonaziszene sowie selbstproduzierte Kleidungsstücke sind ebenfalls zu finden, wie auch Sturmhauben, Handschuhe mit Quarzsandfüllung, Teleskopschlagstöcke und Fahrtenmesser können hier erworben werden.

Für jeden Straßenkämpfer genau richtig. Die werden dem Gegner unheimlich weh tun“ bewirbt „Odins Eye“ seine Handschuhe. Oder: „Nachbau eines Messers der Jugendorganisation, welche ich hier nicht nennen kann.“ Ferner bietet „Odins Eye“ auch „alles für Eure Party und/oder Euer Konzert“: „Schlagzeug, Boxen, Endstufen, Lichtanlage usw.“ an oder sucht Bands für CD-Produktionen. Als neueste Errungenschaft bietet der Geschäftsmann B. den „Bekleidungskonfigurator“ an, hier können sich Interessenten online oder im direkten Ladengespräch ganz individuelle Pullover oder einheitliche „Kameradschafts“-T-Shirts drucken lassen.

Kleidungsstücke mit rechtsextremen Parolen, Zahlencodes sowie Namen und Slogans von Neonazibands sind eine elementare Grundlage der jugendkulturell ausgerichteten Szene. Mit „Jetzt den Aufstand wagen - Fight the System“ oder Ku Klux Klan werden „Kampf – Aktion – Widerstand“ für die „White Revolution“ propagiert. T-Shirts wie „Gewalttäter Sport – mittendrin statt nur dabei“ oder „Ruhm und Ehre der Wehrmacht“ zeigen weiter, welche Mittel zur Auseinandersetzung herangezogen werden sollen oder wessen Geistes Kind die Betreiber und Käufer sind.


Steffen B. (l.) bei einer Kundgebung der neonazistischen NPD-Jugend in Bernburg

Die Angebote der rechtsextremen Kulturindustrie gehen weiter über die Geldbörse mit „White-Power“-Stickerei, Schlüsselbändern mit entsprechenden Slogans, Nachbildungen von historischen Blechschildern aus dem Nationalsozialismus oder auch die Kaffeetasse mit neonazistischen Symboliken, damit die menschenfeindliche Ideologie auch bis am heimischen Wohnzimmertisch präsent ist. CDs, von Bands wie: „Arische Jugend“, „Braune Brüder“, „Faustrecht“, „Hass Attacke“ oder „Reichswehr“ mit denen laut Titel „das Recht zu hassen“, „Alte Kraft soll neu entstehen“ oder die „Wiederkehr des Reiches“ eingefordert werden, sind nur eine kleine Auswahl jener angebotenen Musik, die für Kenner als Einstiegsdroge Nummer 1 in die rechtsextreme Szene gilt. „White Power Rock mit der nötigen Melodie und Härte. Dieses “feine” System mit all seinen Auswüchsen bekommt ordentlich sein Fett weg.“, so „Odins Eye“ bspw. zur Charakterisierung manch eigener Produkte. Mit „Hassgesang“, Gewalt- und Mordgelüsten von A bis Z kundenfreundlich sortiert, tritt der Betreiber den Feldzug gemäß dem „World Wide War Sampler -Vol.1- (Titel) Mit uns ist der Sieg“ über die Jugend und gegen das demokratische System an.

Steffen B. ist seit mehreren Jahren in der Neonaziszene aktiv und niemand, der einfach nur den schnellen Euro mit seinem Angebot machen will. „Angefangen hat alles so gegen 1993 als ich 13/14 Jahre alt war. Damals habe ich zum ersten mal Störkraft auf Kassette gehört und seit dem war ich dabei.“, so der Betreiber von Odins Eye auf eine Interviewfrage, wann er denn das erste Mal selbst mit der Szene in Berührung gekommen sei (mehr dazu hier...). Bereits 1999 mieteten Steffen B. und weitere Vertreter der „Kameradschaft Köthen“ im ehemaligen Finanzamt Räume für ein selbstverwaltetes rechtsextremes Jugendzentrum an, in dem ideologische Schulungen, rechtsextreme Jugendarbeit und Freizeitgestaltung stattfanden. Als sich im Oktober 2001 in Glauzig bei Köthen der NPD-Kreisverband Anhalt für die ehemaligen Landkreise Anhalt-Zerbst und Köthen sowie die kreisfreie Stadt Dessau gründete, wurde B. zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Später agierte der harte Kern der Köthener Neonaziszene, dem auch B. angehört unter wechselnden Namen.


Screenshot des neonazistischen Online-Versandes "Odinseye"

Ein 1999 in Garitz bei Zerbst veranstaltetes Konzert des weltweiten Neonazi-Netzwerkes „Blood and Honour“ mit etwa 2000 Besuchern, wurde laut Verfassungsschutz von der „Kameradschaft Köthen“ und „Blood and Honour“-Kadern aus Brandenburg organisiert (mehr dazu hier...). „Blood and Honour“ ist ein weltweit tätiges Netzwerk, welches sich zur Aufgabe gemacht hat, mittels Musikveranstaltungen Geld für die „nationale Bewegung“ einzuspielen. Diese Musiknetzwerk vertritt und propagiert u.a. den bewaffneten Kampf und terroristische Anschläge gegen politische Gegner und ist seit September 2000 in Deutschland verboten. Neben zahlreichen Verkaufsständen bei NPD-Veranstaltungen ist der Handelsreisende B. heute auch bei „Blood and Honour“- Konzerten z.B. in Belgien anzutreffen. Deutsche Rechtsextreme besuchen sehr häufig Neonazikonzerte im Ausland, weil diese dort zumeist nicht Gefahr laufen, von der Polizei aufgelöst zu werden.

Der User in neonazistischen Internetforen, der seine Beiträge zumeist mit „Steffen / odins-eye.de“ abschließt und dort regelmäßig die neuesten Artikel von „Odins Eye“ anpreist, sowie neu entworfene Druckmotive zur Kritik einstellt, sagt von sich selbst: „Kreativität ist (…)nicht wirklich meine Stärke. Ich bin Kaufmann.“ „War dann leider für meine Interessen zu spät am Konzertort und ging dann mit den Kameraden rein, um mir die Musik zu Gemüte zu führen.“, zeigt wohl auch, dass er wegen Gewinnstreben, nicht aber primär wegen der Musik zum „Ian Stuart Memorial Festival“ 2007 nach Belgien gefahren ist, welches von „Blood and Honour“-Strukturen veranstaltet wurde. Ian Stuart ist der Begründer dieses Musiknetzwerkes, der 1993 bei einem Autounfall verstarb.

Mit dem Versand wollten wir eigentlich eine weitere Einnahmequelle für unsere Kameradschaftskasse schaffen“ und „100% abzüglich der Strafen und Ordnungswidrigkeitengelder“ würden vom Gewinn wieder „zurück in die Bewegung“ fließen, äußerte B. 2006 in einem Interview mit der Kampagne „Schöner leben mit Naziläden“. Trotzdem wird B. innerhalb der Szene für seine Profitorientierung kritisiert.

Zuletzt sind die Räume am Markt 28 in Bernburg im März 2008 durchsucht worden. Gegen Steffen B. wurde ermittelt, weil er Gegenstände mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, sowie strafrechtlich relevante CDs vertrieben haben soll. Im Juli 2006 fanden bundesweit Razzien statt, um den WM-Sampler „Zu Gast bei uns“ sicherzustellen, auf dem „Hooliganismus und die Gewalt zwischen Fans und der Polizei verherrlicht sowie Fremdenfeindlichkeit propagiert“ worden sein sollen. Die Polizei durchsuchte zwei Tage nach der Weltmeisterschaft bundesweit Objekte von Rechtsextremen, unter anderem auch ein Objekt in Trebbichau/Fuhne (Landkreis Köthen), wo „Odins Eye“ derzeit gemeldet war.



Ladengeschäfte wie das „Nordic Flame“ dienen auch als informelle Treffpunkte der Neonaziszene. Neben dem alltäglichen Kundenverkehr veranstaltete B. (mehr dazu hier...) bspw. am 06.Oktober 2007 zum einjährigen Bestehen des Ladengeschäftes einen Liederabend, zu dem 50-60 Gäste eintrafen. Die Polizei löste diese Veranstaltung auf. Bereits für den 21.April 2007 hatte B. als Abschlussveranstaltung des NPD-Wahlkampfes ein Konzert im Köthener Elsdorfer Weg angemeldet, dieses wurde jedoch schon im Vorfeld aufgrund baulicher Mängel gerichtlich verboten (mehr dazu hier...).

Aktuell ist die extrem rechte Szene in Köthen seit etwa einem Jahr wieder in einer Phase der Neuorganisierung. Nachdem die Strukturen in den zurückliegenden Jahren eher als lose rechte Cliquen wahr zu nehmen waren, tritt seit Ende 2007, neben dieser diffusen rechten Szene, wieder ein rechtsextremer Personenzusammenschluss - “Freie Nationalisten Coethen/Anhalt” - in Erscheinung. B. scheint zur rechten Zeit am rechten Ort aufzuschlagen und sich weiterhin florierender Geschäfte erfreuen zu können.

Quellen:
infothek-dessau.de
eigener Bericht

 

Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt