„Das war eine kluge Entscheidung“

Berufung zurückgenommen // Körperverletzung, „Blood & Honour“-Schriftzug und andere Straftaten bringen Neonazi hinter Gitter

Vor der dritten Strafkammer am Landgericht Dessau-Roßlau wurde am 11. Januar 2010 die Berufungsverhandlung gegen den 31-jährigen Rene Ö. aus Bitterfeld-Wolfen verhandelt. Der bereits erheblich strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte hatte sich infolge seiner eigenen sowie der staatsanwaltschaftlichen Berufung erneut für das öffentliche Tragen eines Schriftzuges der verbotenen Neonaziorganisation „Blood & Honour“ und Körperverletzung zu verantworten.

Am 25. Oktober 2008 sei der Angeklagte auf dem Hallenser Bahnhof aus einer Gruppe Fußball-Fans heraus von Polizeibeamten festgestellt worden, weil er am Hals als Tätowierung den Schriftzug „Blood & Honour“ mit einer Triskele öffentlich zur Schau getragen habe. Da das internationale Neonazi-Musiknetzwerk „Blood & Honour“ seit dem Jahr 2000 in Deutschland verboten ist, hat sich Rene Ö. somit des Tragens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) strafbar gemacht. Zudem ist ihm zur Last gelegt worden, einen Bekannten seiner Mutter nach einem Streit in deren Wohnung geschlagen zu haben.


der Angeklagte (1.v.li.) auf einer Neonazidemonstration am 08. Mai 2009 in Burg (mehr dazu hier...)

Rene Ö. hatte für diese Berufungsverhandlung gleich zwei Rechtsanwälte mitgebracht, immerhin ging es für ihn um eine Gesamthaftdauer von bis zu zwei Jahren und acht Monaten. Neben den für dieses Verfahren angesetzten zehn Monate Haftstrafe befand sich der Angeklagte zur Tatzeit bereits wegen anderer Straftaten auf Bewährung. Ö. beteuerte vor dem Landgericht, dass die in Rede stehende Tätowierung „nicht in vollem Umfang sichtbar gewesen“ sei. „Da bin ich in Pose geworfen worden von der Polizei“, so der Angeklagte bezüglich der damals vor Ort angefertigten Fotoaufnahmen durch Polizeibeamte. In der ersten Verhandlung vor dem Amtsgericht Bitterfeld, so zitierte der Vorsitzende Knief aus der Akte, soll Rene Ö. jedoch zu den Vorwürfen gesagt haben: „Ja das stimmt so.“ Dass er versuchte sich damit herauszureden, dass bis zu dem Tattag nie jemand sich an dem tätowierten Schriftzug gestört hätte, spielt keine Rolle, machte ihm der Vorsitzende deutlich. An diesem Verhandlungstag hatte er die Tätowierung lieber abgeklebt.

Der vorsitzende Richter am Landgericht lies den Angeklagten gleich zu Beginn wissen, dass er nicht viel von der Berufung seitens Rene Ö.`s hielt. In der Bewährungszeit erneut strafbar geworden zu sein, bedeutet sich nicht bewährt zu haben, verdeutlichte Knief dem Angeklagten. Bei einer Neuverhandlung der Straftaten könnte das Verfahren auch ganz anders ausgehen, gab er ihm weiter zu bedenken. Bereits im Jahr 2008 ist eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für Ö., aus Gründen die hier nicht weiter erläutert werden sollten, zur Bewährung ausgesetzt worden. Bei dieser Verhandlung ging es um weitere zehn Monate Haft für den Angeklagten.


Landgericht Dessau-Roßlau

Die Staatsanwaltschaft hatte in diesem Fall erst Berufung eingelegt, nachdem der Angeklagte nach der ersten Verhandlung Rechtsmittel einlegte. Auf Anraten des vorsitzenden Richters Knief an den Angeklagten, seine Berufung zurückzunehmen, offerierte auch der Staatsanwalt einer gegenseitigen Rücknahme der Berufung zuzustimmen. Nach einer Beratungspause erklärten Rene Ö. und seine Verteidiger, die Berufung zurückzunehmen. Neben der anstehenden Haftstrafe kommen nun zusätzlich noch die Kosten des Prozesses auf den vorbestraften Neonazi zu. „Das war eine kluge Entscheidung, Herr Ö.“, gab Richter Knief ihm dennoch abschließend mit auf den Weg und lies damit erahnen, dass bei einer Neuverhandlung rechtsextrem motivierter Straftaten vor dem Landgericht Dessau-Roßlau kaum eine geringere Strafe in Aussicht gestanden hätte.

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