„Beim ersten Mal dachte ich: `Skandal`. Beim zweiten Mal dachte ich: Da ist nichts dran, wo man strafrechtlich ansetzen kann.“

Magdeburger Untersuchungsausschuss befragt erneut Zeugen zur Dessauer Staatsschutzaffäre

Der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes wird befragt

„Sie sagten ja wahrheitsgemäße Aussage, damit möchte ich beginnen.“, eröffnet der Kriminaldirektor Norbert Postler seine Ausführungen vor dem 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Das Gremium beschäftigt sich auch in seiner zweiten öffentlichen Sitzung ausschließlich mit der Dessauer Staatsschutzaffäre (mehr dazu hier…) und (hier…).

Postler gibt an, seit 1990 bei der Polizei tätig gewesen zu sein. In den Dienstjahren habe er bereits verschiedene Abteilungen geleitet. Zuletzt als Leiter im Zentralen Kriminaldienst (ZKD).

„Da gibt es mehrere Wahrheiten, ich kann ihnen nur meine präsentieren.“
Norbert Postler

„Für mich gibt es keine Dessauer Polizeiaffäre und auch keine im Land Sachsen-Anhalt.“
Norbert Postler

„Da gibt es mehrere Wahrheiten, ich kann ihnen nur meine präsentieren.“, sagt der Zeuge zur möglichen Staatsschutzaffäre an den Ausschussvorsitzenden Jens Kolze (CDU) gerichtet. Er hält für sich zudem unmissverständlich fest: „Für mich gibt es keine Dessauer Polizeiaffäre und auch keine im Land Sachsen-Anhalt.“, „Es sind Fehler passiert, es lief nicht alles glatt.“, aber „Es ist keine Affäre, es sind Fehler passiert.“ Diese Fehler, die die Polizei zu verantworten habe, würden schließlich in fortlaufenden internen Ermittlungen untersucht. „Das ist fast kaum noch auszuhalten“, sagt der Zeuge und meint damit den aus seiner Sicht hohen Druck, den insbesondere die Medien aufgebaut hätten. Die Kollegen in der Polizeidirektion würden das als Belastung ansehen. Explizit nennt Postler hier den Fall Oury Jalloh [Oury Jalloh verbrannte am 07. Januar 2005 in einer Zelle des Dessauer Polizeirevieres. An Händen und Füßen gefesselt, soll er, trotz starker Alkoholisierung, die feuerfeste Matratze, auf der er lag, selbst entzündet haben. Die genauen Hintergründe sind bis heute nicht geklärt, der Hauptangeklagte soll den Rauchmelder abgestellt haben. Andauernde Prozessbeobachtung unter www.prozessouryjalloh.de , Anm. d. Red.].

„Die besondere Tragik des Falls liegt in der Aussage des Herrn Glombitza.“
Norbert Postler

„Die besondere Tragik des Falls liegt in der Aussage des Herrn Glombitza.“, spielt der Zeuge auf Äußerungen an, die der ehemalige Leiter Polizei der PD Dessau laut einem Gesprächsprotokoll getätigt haben soll (mehr dazu hier…) und die die Dessauer Staatsschutzaffäre überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte. Obwohl er mit seinem Vorgesetzten Glombitza oft nicht einer Meinung gewesen wäre, vor allem bei Fragen der Kriminalitätsbekämpfung, ist sich der Befragte sicher: „Fakt ist, dass der Herr Glombitza im Kampf gegen Rechts alles gemacht hat, auch mehr als das Innenministerium vorsieht, alles was geht.“ Der Beamte sagt dazu weiter: „Es gibt neben der Bekämpfung des Rechtsextremismus noch andere Straftaten.“ Die politische Kriminalität mache insgesamt nur 1,5% des Gesamtaufkommens aus, da gelte es abzuwägen und die knappen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Herr Wels, der Vertreter des Herrn Glombitza, könne, laut Zeugen, viel zur Strategie Glombitzas gegen Rechtsextremismus sagen, dieser sei aber von Herrn Nitzsche nicht befragt worden.

“Das zeigt, das dem Kampf gegen Rechtsextremismus Priorität eingeräumt wurde.“, sagt der Beamte hinsichtlich der erfolgten Polizeistrukturreform. Damit spielt der Zeuge auf die Erweiterung der Staatsschutzabteilungen auf die Polizeireviere an.

Der CDU-Abgeordnete Siegfried Borgwardt ermahnt den Zeugen nun, zum Thema auszusagen und keine allgemeinen Bewertungen abzugeben. Guido Kosmehl (FDP) sieht das etwas anders. Der Zeuge versuche schließlich, „seine Sicht der Dinge darzustellen“ und dies sei vom Untersuchungsausschussgesetz des Landes gedeckt. Holger Stahlknecht (CDU) pflichtet seinem Kollegen Kosmehl bei. Schließlich wird die Befragung des Zeugen nach einer kurzen Debatte fortgesetzt.

Norbert Postler gibt an, vom 01. Januar 2006 bis 01. April 2007 zur Umsetzung der Polizeistrukturreform ins Innenministerium abgeordnet gewesen zu sein. In diesem Zeitraum habe seine Stellvertreterin Heusmann (mehr dazu hier…) maßgeblich die Geschicke des ZKD geleitet. „Nein gar nicht“, so der Zeuge zur Frage, ob es je eine Anweisung gegeben habe, der Bekämpfung des Rechtsextremismus keine Priorität mehr einzuräumen. Außerdem gibt der Befragte an, dass sich die Beamtin Heusmann mit ihm in wichtigen Personalfragen immer abgestimmt habe, auch während seiner Abwesenheit, ansonsten hätte sie die Tätigkeit eigenständig bewältigt. Postler bestätigt zudem, dass er als Leiter des ZKD eine Belastungsanalyse hinsichtlich der Staatsschutzabteilung in Auftrag gegeben habe. Der Grund sei eine Überlastungsanzeige des ehemaligen Staatsschutzleiters Sven Gratzik (mehr dazu hier…) gewesen. Postler habe sich gesträubt, Gratzik das Ergebnis mitzuteilen. „Herr Glombitza hat festgelegt, dass die vielen Fälle die beim Staatsschutz aufgelaufen sind, auf andere Kommissariate aufgeteilt werden.“, so der Beamte, später seien die Fälle auf Postlers Vorschlag hin in die Reviere abgegeben wurden. Ziel sei es dabei gewesen, die Fälle abzuarbeiten. Letztlich hätten sie der Polizeistrukturreform damit schon vorweggegriffen.

„Ich habe auch Fehler gemacht, selbstverständlich.“
Norbert Postler

„Sie sprechen davon, dass es Fehler gegeben hat, können sie sagen welche?“, beginnt Gudrun Tiedge (Die Linke) die Befragung des Zeugen. Postler verweist auf möglichen Fehlverhalten der Polizei bei einer rechtsextremen Gewalttat in Halberstadt, mit dem sich der Untersuchungsausschuss noch beschäftigen wird. Mögliche Fehler die die Polizeidirektion Dessau zu verantworten habe, benennt er nicht. In einer Behörde, würden Fehler nun einmal unvermeidlich: „Ich habe auch Fehler gemacht, selbstverständlich.“

„2300 Überstunden zeigt ja eine intensive Belastung.“
Norbert Postler

Postler bestätigt zudem, dass Sven Gratzik wegen dienstrechtlichen Verfehlungen die womöglich strafrechtlich relevant gewesen sein könnten, Strafanzeigen gegen Mitarbeiter des Staatsschutzes erstellt habe. Gratzik wäre in dieser Angelegenheit persönlich bei ihm vorstellig geworden. Das Netzwerk Staatsschutz, sei zudem auf Initiative Gratziks und Ennulatts hin ins Leben gerufen worden. Gratzik habe dieses Projekt dann umgesetzt. Die Aufstockung der Staatsschutzabteilung auf 14 Mitarbeiter sei dabei ein Ergebnis der Projektgruppe gewesen. „Wenn ich sage zum Schluss waren 15 drin, dass zeigt, dass wir aufgestockt haben.“, so der ZKD-Leiter. Der Beamte äußert sich zudem zu den Überstunden, die im Staatsschutz aufgelaufen seien: „2300 Überstunden zeigt ja eine intensive Belastung.“ Ferner ist dem Zeugen nicht erinnerlich, dass seine Stellvertreterin Frau Heusmann mit ihm über ein Treffen aller ZKD`s in Sachsen-Anhalt vom 11. oder 12. Dezember 2006 (mehr dazu hier…) gesprochen habe.

“Ich muss entschieden sagen, es gibt keine andere Zählweise.“
Norbert Postler

„Sie waren mit der Leitung unzufrieden, aber auch das ist eine Interpretationsfrage.“
Norbert Postler

“Ich muss entschieden sagen, es gibt keine andere Zählweise.“, sagt der Zeuge zur Frage Tiedges, ob ihm veränderte Modalitäten bei den Meldungen politischer Straftaten bekannt seien. Holger Stahlknecht wirft Tiedge nun vor, den Zeugen mit unzulässigen Suggestivfragen zu bestimmten Antworten zu drängen. Zurückkommend auf die Frage, antwortet Postler, dass es Interpretationsmöglichkeiten bei der Beurteilung politischer Straftaten geben könne. Er selbst habe von unterschiedlichen Interpretationen aber keine Kenntnis. Auf Nachfrage bestätigt der Zeuge nochmals die Anzeigen, die Sven Gratzik gegen Polizeibeamte erstellt haben soll. Ihm sei so eine Anzeige gegen einen VP-Führer erinnerlich und eine Anzeige gegen einen Mitarbeiter, der Reisekostenabrechnungen nicht korrekt ausgefüllt haben soll. „Ein anderer sagte, er könne keine Glatzen mehr sehen.“, erinnert sich Postler an eine Begründung eines Beamten, der die Staatsschutzabteilung unter Gratzik verlassen wollte. Aus seiner Sicht wäre diese Begründung aber nur vorgeschoben gewesen: „Sie waren mit der Leitung unzufrieden, aber auch das ist eine Interpretationsfrage.“

„Fakt ist, dass beide das gleiche gewollt haben.“
Norbert Postler

Norbert Bischoff setzt die Befragung für die SPD-Fraktion fort und möchte wissen, wie aus Sicht des Zeugen der Polizeivize Glombitza zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gestanden habe. „Fakt ist, dass beide das gleiche gewollt haben.“, schätzt Postler die Motivlage Glombitzas und des ehemaligen Staatsschutzleiters ein. Als Leiter Polizei habe Glombitza alles im Blick haben müssen, die gesamte Bekämpfung aller Kriminalitätsbereiche. „Das nicht alles machbar ist, was möglich ist.“, interpretiert der Zeuge die inkriminierte Aussage Glombitzas (mehr dazu hier…). Er verneint nochmals, dass Glombitza eine andere Sicht der Dinge bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus gehabt hätte. Lediglich habe er entgegen wirken wollen, dass sich bei einer Gruppe die sich speziellen Aufgaben widmen solle Elitedenken ausprägt. Glombitza hätte das lieber auf breitere Füße stellen wollen.

„Offiziell hat keiner zu mir gesagt, er möchte wegen Herrn Gratzik oder der Leitung raus.“
Norbert Postler

Guido Kosmehl (FDP) befragt den ZKD-Leiter weiter. „Offiziell hat keiner zu mir gesagt, er möchte wegen Herrn Gratzik oder der Leitung raus.“, so Postler zu der Personalfluktuation im Fachkommissariat 4. Vielmehr sei geäußert worden, man arbeite lange genug im Staatsschutz oder sie „können keine Glatzen mehr sehen.“ Außerdem gibt er an, dass alle Verfahren gegen die Beamten die der ehemalige Staatsschutzleiter angezeigt habe, inzwischen eingestellt seien. Kosmehl möchte wissen, ob der Staatsschutz nun tatsächlich personell aufgestockt wurde und nicht nur durch die Abordnung von Praktikanten und den Einsatz „szenekundiger Beamter Fußball“ temporär verstärkt worden sei. „Generell ist versucht wurden, die Richtlinie 14 Mann im Staatsschutz einzuhalten.“, so Postler dazu. Die „szenekundigen Beamten“ sowie die Praktikanten seien eher ein „Kniff“ gewesen, um darüber hinaus mehr Beamte vorhalten zu können. Der FDP-Politiker fragt nach einer Schwerpunktsetzung bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus in der Polizeidirektion Dessau. „Fakt ist, wir hatten das meiste Personal im FK 4. Mehr als die anderen Polizeidirektionen.“, so der Zeuge. Die Spannungen zwischen dem Staatsschutz und dem Leiter Polizei habe ihm seine Abwesenheitsvertretung Frau Heusmann nicht angezeigt. Die Verstimmungen zwischen ihr (Heusmann, Anm. d. Red.) und Herrn Gratzik habe sie aber erwähnt. Daraufhin habe er ihr fordernd den Hinweis gegeben: „Es sollte für sie gewissermaßen ein Führungspraktikum sein.“ „Soweit ich mich erinnere, war da der Herr Gratzik schon nicht mehr im FK 4.“, so Postler zur Frage, wie die Stimmung nach seiner Rückkehr aus dem Innenministerium am 01. April 2007 in der Direktion gewesen sei.

Der CDU-Vertreter Erich Reichert stellt dem Zeugen nun Fragen, die die Charaktereigenschaften des Herrn Gratzik beleuchten sollen. Darauf hin interveniert Gudrun Tiedge und möchte die Fragen nicht zulassen. Sein Fraktionskollege Stahlknecht dazu: „Die Frage ist völlig zulässig.“ Schließlich stellt der Ausschussvorsitzende die Frage zurück und bittet den Abgeordneten Reichert, den Zeugen konkrete Aussagen Gratziks oder Glombitzas aus den Akten vorzuhalten.

„So ein Skinheadkonzert dauert mit Vorbereitung schon 10 Stunden.“
Norbert Postler

„Mit der Gesamtheit der Polizei muss der Rechtsextremismus bekämpft werden, nicht nur mit einer Eliteeinheit.“
Norbert Postler

Bernward Rothe (SPD) möchte von dem Beamten zunächst wissen, ob mögliche Statistikänderungen bei dem Treffen der Zentralen Kriminaldienste im Dezember 2006 eine Rolle gespielt haben könnten. Laut Zeugen sei es dabei nicht um Zahlen sondern um die qualitative Erfassung von Delikten gegangen. Rothe stellt Postler dann die Frage, warum im Staatsschutz 2300 Überstunden auflaufen konnten, wo doch die Abteilung personell recht gut ausgestattet sei. Die Summe an Überstunden sei 2006 fast ausschließlich durch Gratzik, Ennulatt, Kappert und einen weiteren Beamten entstanden. „So ein Skinheadkonzert dauert mit Vorbereitung schon 10 Stunden.“, begründet Postler und meint damit die oftmals ausgedehnte Vor-Ort-Präsenz der Staatsschutzbeamten. Der Bruch zwischen Herrn Gratzik und Herrn Glombitza kam seines Erachtens zustande, da Glombitza die Forderung nach mehr Personal für das FK4 nicht mehr erfüllen konnte. „Mit der Gesamtheit der Polizei muss der Rechtsextremismus bekämpft werden, nicht nur mit einer Eliteeinheit.“, sagt Postler weiter.

In der weiteren Befragung interessiert den Ausschuss nochmals die Personalfluktuation im Staatsschutz. „Das Ziel der Kollegen war, aus dem Staatsschutz rauszukommen, ohne größere Probleme. Ruckzuck.“, so Postler. Das habe er den Abgangsgesprächen mit den entsprechenden Beamten entnehmen können. „Das ist nicht wahr, dass wir belogen und betrogen haben.“, erinnere er sich sinngemäß an Aussagen eines Beamten, dem eine inkorrekte Fahrkostenabrechnung vorgeworfen worden sei. „Meine Anweisung war, für den Staatsschutz sind Überstunden zu genehmigen.“, so Postler weiter.

Der Abgeordnete Guido Henke (Linke) hält dem Zeugen nun einer Aussage Gratziks vor, in dem er davon gesprochen hatte, „latent rechte Tendenzen da raus zunehmen“ (mehr dazu hier…). Gratzik meinte damit eine von ihm angeregte Versetzung eines Staatsschutzbeamten, der sich abfällig über Minderheiten geäußert haben soll. Postler bestätigt die Bestrebung auch von seiner Position her. Er hält es für möglich, dass darin auch Wechselwünsche von Kollegen begründet lägen können. Es sei „eine schwierige Kiste der Polizei“, immer den Ton zu wahren, wenn man jahrelang auf ein und dem selben Themengebiet arbeite.

„Den Vorwurf mache ich mir selber, dass nehme ich auf.“
Norbert Postler

„Ich bin eigentlich der Förderer von Herrn Gratzik.“
Norbert Postler

„Es ist was die Teilung anbelangt, in die Hose gegangen.“
Norbert Postler

“Ist Ihnen da aufgegangen, dass die Zahlen bei der politischen Kriminalität niedriger waren als 2006?“, fragt Gudrun Tiedge den Kriminaldirektor zu seiner Rückkehr in die Direktion im April 2007. Dies habe er wahrgenommen, aber mit niemanden darüber gesprochen. Dies sehe er selbst als Defizit an: „Den Vorwurf mache ich mir selber, dass nehme ich auf.“ Er selbst habe die Gesprächsnotiz, dass die 3 Staatsschützer von der Unterredung mit Glombitza gefertigt haben, nie gelesen: „ Man wollte mir das Protokoll zeigen, aber ich wollte es nicht lesen.“ Mit den 3 Staatsschutzbeamten habe er im Nachgang darüber nicht geredet, wohl aber mit Herrn Glombitza. „Herr Glombitza ist total betroffen, sein ganzer Beamtenabschluss ist durch die Medien gezogen.“, erinnert sich Postler an den Gemütszustand seines Vorgesetzten. „Er hofft immer noch, er wird durch den Ausschuss rehabilitiert.“, sagt der Zeuge zu den möglichen Erwartungen Glombitzas. „Ich bin eigentlich der Förderer von Herrn Gratzik.“, antwortet der Kriminaldirektor auf die Frage Tiedges, ob er nicht doch mit den 3 Staatsschutzbeamten gesprochen habe. So habe Gratzik seinerzeit ein DNA-Projekt vorangetrieben, für das die PD Dessau damals federführend verantwortlich gewesen sei. Zur fachlichen Beurteilung der Staatsschutzabteilung unter Gratzik sagt Postler: „Gut, die Arbeit war gut“, aber auf Dauer sei es nicht leistbar gewesen. Dabei sei vor allem die Informationsgewinnung sehr gut gelaufen. Im Nachgang sieht Postler allerdings die inhaltliche Splittung der Abteilung in Verfahrensbearbeitung und GIA (mehr dazu hier...) kritisch: „Es ist was die Teilung anbelangt, in die Hose gegangen.“ Die Vorgangsbearbeitung sei mehrheitlich vernachlässigt worden. Gratziks Zusammenarbeit mit den „Opferverbänden“ sei wiederrum sehr gut gewesen.

„Ich bin ja ein Statistikfreak.“
Norbert Postler

“Hat es eine Anweisungen gegeben, auf die Statistik auf die ein oder andere Weise einzuwirken?“, möchte Holger Stahlknecht (CDU) dezidiert vom Zeugen wissen. „Nein“, so der Befragte. „Wenn man als Leiter vollkommen sein will, muss man alles im Blick haben“, so der Zeuge zur Frage, warum ihm die Brisanz der sinkenden Fallzahlen Rechts nicht bewusst war. Ihm sei das heute noch unerklärlich: „Ich bin ja ein Statistikfreak.“

„Wir können Herr Gratzik nicht mit einer großen Fregatte betrauen.“
Norbert Postler

Erich Reichert (CDU) stellt nun seine Frage zum Charakter Sven Gratziks. Postler sagt aus, dass sich der Leiter des Staatsschutzes irgendwann verändert habe. „Mir hat seine Geradlinigkeit am Anfang sehr imponiert.“, stellt Postler fest. Gratzik sei erfolgsorientiert und suche in seinem Bereich Möglichkeiten, wenn nötig Leute auszuwechseln um die Erfolge gewährleisten zu können. „Meine und Herrn Glombitzas Lebensphilosophie ist aber eine andere.“, gibt der Zeuge zu Protokoll und erläutert dazu weiter: das Leben sei nun mal nicht so geradlinig und bei der Polizei gäbe es nun mal auch noch andere Aufgabenfelder. Außerdem gibt er an, dass die Entscheidung Gratzik zur Führungsakademie zu delegieren, damals nicht einstimmig gefallen wäre. Er und die Polizeipräsidentin Scherber-Schmidt hätten eigentlich geplant, Gratzik die Leitung des Präventionsdezernates zu übertragen. Dies sei dann aber nicht möglich gewesen. „Wir können Herr Gratzik nicht mit einer großen Fregatte betrauen.“, paraphrasiert Postler seine damaligen Empfindungen. Gratzik sei der Mann, der ein Schnellboot führen und Projekte umsetzen könne.

„Es ist temporär möglich, dass man vor Ort führt. Aber als Leiter sollte man am Schreibtisch sitzen."
Norbert Postler

Guido Kosmehl befragt den Kriminaldirektor Postler nochmals zum Führungsstil Gratziks. „Es ist temporär möglich, dass man vor Ort führt. Aber als Leiter sollte man am Schreibtisch sitzen. Das ist meine Meinung dazu.“, so der Zeuge. Außerdem habe Gatzik eine ständige Rufbereitschaft durchgesetzt, um zu vermeiden, dass bei politisch motivierter Kriminalität Fehler unterliefen.

„Die Problematik Gratzik ist im ZKD nur eine Episode.“
Norbert Postler

Siegfried Borkwardt (CDU) fragt Norbert Postler, ob die Staatsschutzabteilung innerhalb der Direktion eine gewisse Sonderstellung innegehabt hätte. „Natürlich“, so der Zeuge. „Herr Gatzik hat es verstanden, den Staatsschutz aufzuwerten.“, so Postler. „Die Problematik Gratzik ist im ZKD nur eine Episode.“, sagt der Kriminaldirektor weiter. Er habe im Gegensatz zu Glombitza auf Zeit gesetzt. Es habe eine klare Absprache mit der Polizeipräsidentin gegeben, dass Sven Gratzik den Staatsschutz nur 2 Jahre leiten solle. Danach hätte man eine andere Verwendung für ihn vorgesehen.

Gudrun Tiedge verweist nochmals auf die Richtlinien des Bundesinnenministerkonferenz, die seit einigen Jahren bundesweit eine einheitlich geregelte Zählweise der politisch motivierten Kriminalität vorschreibe. „Nein“, so der Zeuge zur Frage, ob es in der Polizeidirektion Dessau jemals Hinweise darauf gegeben habe, dass nicht mehr mit diesen Richtlinien gearbeitet werden solle. „Ich habe weder einen Anruf noch einen Erlass dazu bekommen.“, so Postler zur Frage, ob das LKA Sachsen-Anhalt für das Jahr 2006 Fallmeldungen in einer signifikanten Größenordnung der Direktion Dessau bemängelt habe.

„Diese Verfahrensweise hat sich bewährt und ist damals von der Polizeidirektion Halberstadt übernommen wurden.“
Norbert Postler

Frau Dr. Paschke (Linke) möchte noch einmal wissen, ob sich die Trennung zwischen Fallbearbeitung und Informationsbeschaffung im Staatsschutz bewährt habe und als modellhaft angesehen werden könnte. „Diese Verfahrensweise hat sich bewährt und ist damals von der Polizeidirektion Halberstadt übernommen wurden.“, so der Befragte. Zu nicht anlassbezogenen Ermittlungen des Staatsschutzes schätzt Postler ein: „Wenn ich Zeit habe ja, aber die war nicht da.“

„Hausverbot ist sicherlich nicht der richtige Ausdruck.“
Norbert Postler

Guido Kosmehl erfährt vom Zeugen, dass er sich während seiner Zeit im Innenministerium die Zahlen der politischen Kriminalstatistik nicht hat vorlegen lassen. Diese habe nur seine Stellvertreterin Frau Heusmann gesehen. „Hausverbot ist sicherlich nicht der richtige Ausdruck.“, so Postler zum Vorhalt aus der Akte, dass er gegen Gratzik Zutrittsbeschränkungen in der Direktion gegeben haben soll. Ihm sei nur bekannt, dass Gratzik der Zutritt zum speziell gesicherten Staatsschutzbereich untersagt gewesen sei. Er hätte ja klingeln können, meint der Kriminaldirektor dazu.

Auf Nachfrage Tiedges bestätigt Postler zum Ende seiner Befragung zudem, dass er und Frau Heusmann mit der Entscheidung Glombitzas, Fälle des Staatsschutzes auf andere Kommissariate zu verteilen, nicht einverstanden gewesen seien. Er habe vorgeschlagen, diese Delikte vom Revierkriminaldienst bearbeiten zu lassen. Dies wäre dann auch so beschlossen wurden.

 

 



Oberregierungsrat Georg Findeisen als Leiter des Rechtsdezernates im Zeugenstand

„Wir standen vor neuen Herausforderungen.“
Georg Findeisen

„Die sollen wissen, dass Herr Glombitza voll hinter Herr Gratzik steht, auch wenn er einigen auf die Füße tritt.“
Georg Findeisen

Mit dem 40jährige Georg Findeisen, dem Leiter des Dezernates 21, das in der jetzigen Direktion Sachsen-Anhalt Ost für rechtliche Fragen zuständig sei, wird der Ausschusstag fortgesetzt. Der Zeuge gibt an, seit 2002 das zuständige Rechtsdezernat zu leiten und mit dem Staatsschutz eine „sehr vertrauenswürdige Zusammenarbeit“ zu pflegen. „Wir standen vor neuen Herausforderungen.“, so Georg Findeisen. Für ihn und dem Staatsschutz unter Sven Gratzik sei klar gewesen, bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus „bis an die Grenze des rechtlich zulässigen“ zu gehen. Sven Gratzik habe ein „unglaubliches rechtliches Fachwissen“ gehabt, das so nicht einmal bei einigen seiner Fachkollegen zu verzeichnen sei. „Wir waren schnell per Du.“, fasst Findeisen seine Beziehung zum ehemaligen Staatsschutzleiter zusammen. „Dass führte dazu, dass Leute die Probleme mit Herrn Gratzik oder Herrn Ennullat hatten, nicht zu mir kamen.“, schätz der Oberregierungsrat ein. Als Beispiel für die durchaus innovativen Wege, mit dem er und Gratzik versucht hätten, rechtsextreme Veranstaltungen zu verunmöglichen, nennt er das Baurecht: „Das gilt für Tanzveranstaltungen von Technofreaks und bei Skinheads.“ Findeisen erinnert sich an eine Besprechung mit Glombitza Mitte 2006: „Es war die Bekämpfung des Rechtsextremismus auf der Tagesordnung, gleich Punkt 1 oder 2. Das war bei uns in Dessau so üblich.“ Bei dieser Zusammenkunft wären alle Revierleiter und Dezernatsleiter der Polizeidirektion zugegen gewesen. Zur Zielorientierung dieses Gespräches führt Findeisen aus: „Die sollen wissen, dass Herr Glombitza voll hinter Herr Gratzik steht, auch wenn er einigen auf die Füße tritt.“

„Die Polizeiführung stand hinter dem, was der Staatsschutz getan hat.“
Georg Findeisen


Herr Gratzik habe oftmals Polizeibeamte gegen sich aufgebracht. Als Beispiel nennt Findeisen ein Hakenkreuz, dass 200 Meter von einem Revier entfernt vom Staatsschutz entdeckt worden sei. Diese Tatsache, so Findeisen, können man in einer Meldung erwähnen, müsse es aber nicht. Außerdem habe Gratzik oftmals bei einem Staatsschutzeinsatz die Führung im entsprechen Polizeirevier übernommen. Nach seiner Erinnerung hätten sowohl Herr Glombitza als auch die Polizeipräsidentin wiederholt darauf hingewiesen, das die Erhöhung der Fallzahlen Rechts kein Problem darstelle. Ferner habe Glombitza absolute Loyalität gegenüber Gratzik von allen Beamten gefordert. „Die Polizeiführung stand hinter dem, was der Staatsschutz getan hat.“, würdigt Findeisen das Fachwissen und das Zeitengagement von Sven Gratzik in dieser Funktion.

„Objektiv muss ich sagen, hat Herr Gratzik sich nichts zu Schulden kommen lassen.“
Georg Findeisen

Zum Status des Fachkommissariats 4 innerhalb der PD Dessau sagt Findeisen: „Es gab immer mehr und mehr Staatsschützer.“ Zur personellen Belastung im Staatsschutz führt er aus: „Über 1000 Überstunden zu dritt, das ist schon sehr heftig.“ Nach seiner Wahrnehmung habe es im FK 4 zudem „einen starken Personalverschleiß“ gegeben. „Herr Gratzik hat uns gesagt, ich möchte den und den. Aus dem LKA oder aus dem Revier. Und nach ein paar Wochen hörten wir dann: „Ich brauch ihn nicht, der kann ins Revier.“ “, so Findeisen. In seiner temporären Funktion als stellvertretender Leiter eines anderen Dezernates habe er versucht, diese Personalanforderungen zu unterstützen. „Viele Leute sind einfach nicht klar gekommen, sind vergrault wurden oder haben sich selbst vergrault.“, aber „Objektiv muss ich sagen, hat Herr Gratzik sich nichts zu Schulden kommen lassen.“, so Findeisen zu der Fluktuation.

„Aus dem Staatsschutz rausgedrängt oder sein Engagement gegen Rechtsextremismus haben wir, so meine ich, damit nicht behindert.“
Georg Findeisen

Im Januar 2007 habe er dann mit den Staatsschutzbeamten Gratzik, Ennullat und Kappert wegen deren Überstundenbudget reden wollen. Ursprünglich sei auch ein Essen beim Griechen geplant gewesen, zu dem es aber nie gekommen sei. Im Februar 2007 habe dann die Entscheidung angestanden, ob Swen Ennullat für eine Laufbahn im gehoben Dienst empfohlen wird. Man habe dann mit Ennullat gesprochen und ihm gesagt, dass er als stellvertretender Leiter des Staatsschutzes erst einmal dort gebraucht würde. Außerdem wäre ihm der Vorschlag unterbreitet worden, sich für einen Posten in einem großem Revierkommissariat zu bewerben, um sich auch mit leistungsschwächeren Beamten auseinanderzusetzen und Erfahrungen in der Schutzpolizei sammeln zu können. Findeisen sagt zu diesen Vorschlägen: „Aus dem Staatsschutz rausgedrängt oder sein Engagement gegen Rechtsextremismus haben wir, so meine ich, damit nicht behindert.“

„Wo er allerdings nicht, wie es in der Presse stand, für das Einfangen von Katzen zuständig ist.“
Georg Findeisen

Zum beruflichen Werdegang Christian Kapperts (mehr dazu hier…) sagt Findeisen, dass wegen eines gestörten Vertrauensverhältnisses nach der „so genannten Affäre“ eine Weiterbeschäftigung im Staatsschutz nicht mehr in Frage gekommen sei: „Weil das Vertrauensverhältnis nicht mehr bestand, da er im Fernsehen und der Zeitung aufgetreten war.“ Es habe an Kappert den Vorschlag gegeben, zum Präventionsdezernat zu wechseln und dort für „Gefährdeansprachen“ bei Rechtsextremisten verantwortlich zu sein. Dies habe Kappert abgelehnt und sei stattdessen bei seinem Favoriten, dem Zentralen Einsatzdienst, geblieben: „Wo er allerdings nicht, wie es in der Presse stand, für das Einfangen von Katzen zuständig ist.“

Der Ausschussvorsitzende Jens Kolze eröffnet nun die Befragung des Zeugen und möchte wissen, wir er denn die Fürsorgepflicht des Dienstherren gegenüber den drei Staatsschützern einschätze. „Sie war hoch, sie war gut:“, so Findeisen. Außerdem habe der Polizeivize Glombitza oft mit den Beamten über ihre Arbeit gesprochen.

„Beim ersten Mal dachte ich: `Skandal`. Beim zweiten Mal dachte ich: Da ist nichts dran, wo man strafrechtlich ansetzen kann.“
Georg Findeisen

„Für mich war klar, dass das Protokoll so wie es da steht, im Wortlaut richtig war.“
Georg Findeisen

Guido Henke knüpft an und möchte von Findeisen wissen, wann er das erste Mal von dem Gedächtnisprotokoll erfahren habe. Dazu hält er dem Zeugen aus der Akten ein Vermerk vor, dass augenscheinlich vom 20. März 2007 stammen soll und folgenden Wortlaut hat: „Behalte es bitte für Dich.“ Genau an jenem 20. März 2007 habe er die Notiz das erste Mal gesehen: „Ich habe dieses Gedächtnisprotokoll am 20. März 2007 übergeben bekommen, in der Zeit zwischen 16 und 18 Uhr.“ Gratzik sei in sein Dienstzimmer gekommen. „Er sah sehr schlecht aus. Gesichtsausdruck. Körperhaltung.“, erinnert sich Findeisen. Gratzik habe auf seine dahingehenden Feststellungen gesagt: „Ach lass mal, guck Dir das mal an.“ Georg Findeisen schildert dem Ausschuss sehr eindruckvoll seine damalige Gefühlslage: „Beim ersten Mal dachte ich: `Skandal`. Beim zweiten Mal dachte ich: Da ist nichts dran, wo man strafrechtlich ansetzen kann.“

„Das kann nicht sein, dass darf nicht sein. Eine solche Weisung darf es nicht geben.“
Georg Findeisen


Außerdem schätzt er zum Gespräch ein: „Dass muss unglaublich provozierend gewesen sein, wie die 3 Beamten mit Herrn Glombitza umgegangen sein müssen.“ Darüber hinaus ist sich Findeisen sicher: „Für mich war klar, dass das Protokoll so wie es da steht, im Wortlaut richtig war.“ Allerdings schränkt er ein und sagt, dass er die Stimmung in der die 3 Beamten das Protokoll verfasst haben müssten, nicht nachvollziehen könne. „Das kann nicht sein, dass darf nicht sein. Eine solche Weisung darf es nicht geben.“, so Findeisen weiter. Er habe Gratzik in diesem Zusammenhang sofort gefragt ob es möglich sein könne, dass sie die Äußerungen Glombitzas falsch verstanden hätten. „Ich bin davon ausgegangen, dass das ein Arbeitskonzept war.“, sagt er zu der Protokollversion, die ihm zuerst vorgelegt worden sei. Er habe den Eindruck gehabt, dass das Protokoll noch nicht vollendet sei. Das Schriftstück wäre zudem nicht unterzeichnet gewesen. „Ich habe es für mich behalten, ich habe es in meine privaten Unterlagen gepackt.“, so Findeisen zum Verbleib seines Protokolles. Aus seiner Sicht wäre er nicht dazu verpflichtet gewesen, einen „nicht unterschriebenen Zettel“ innerhalb der Behörde weiterzureichen. Er habe das Protokoll von Gratzik „als Freund“ bekommen und deshalb auch nicht mit Glombitza darüber gesprochen. „Zudem habe er Gratzik den Rat gegeben: “Das gehört wohl eher in den Papierkorb, arbeitet so weiter wie bisher. Vergiss es, mach weiter, schau nach vorne.“ Herr Gratzik habe Findeisen gegenüber gesagt, dass er Oberstaatsanwalt Preissner dazu befragt hätte und äußerte: „Herr Oberstaatsanwalt Preissner meine rechtliche Meinung teilen.“ Woraufhin Findeisen nochmals Gratzik bekräftigt habe: „Na siehst du, mach weiter wie bisher, schau nach vorne.“

“Was macht man denn in einem langen Gespräch?“, fragt Siegfried Borgwardt und möchte von Findeisen wissen, ob er sich mit Sven Gratzik nicht detailliert über den Inhalt des Protokolls und dessen mögliche Konsequenzen unterhalten habe. Findeisen sagt, dass er erst im August 2007 oder ein paar Wochen zuvor dem Regierungsdirektor Hesse und der Polizeipräsidentin eröffnet habe, von Herrn Gratzik das Protokoll gezeigt bekommen zu haben.

Auf eine entsprechende Frage Jens Kolzes, wer denn nun das Protokoll geschrieben habe, antwortet Findeisen: „Herr Gratzik, Herr Ennullat und Herr Kappert, alle 3 zusammen.“. Dies habe ihm zudem Herr Kappert zudem später noch einmal persönlich bestätigt.

Der Abgeordnete Guido Henke hält den Zeugen die Aussage Swen Ennullats (mehr dazu hier…) vor, in der dieser angegeben habe, sich mit Findeisen in der ersten oder dritten Märzwoche 2007 nochmals unterhalten zu haben. „Mir ist keine Unterredung mit Herrn Ennullat in dieser Zeit erinnerlich.“, so Findeisen. Er könne sich allerdings an eine Gespräch mit ihm im Polizeirevier Bitterfeld erinnern.

„Bei der Polizei läuft einiges sehr, sehr schnell. Nicht mit der Ruhe, die man sich bei Behörden vorstellt.“
Georg Findeisen

Gudrun Tiedge möchte wissen, warum er in seinem Protokoll erst am 17. August 2007 vermerkt habe, es bekommen zu haben. Dies begründet Findeisen damit, dass es ja zu diesem Zeitpunkt längst ein dienstlicher Vorgang gewesen sei. Außerdem wäre dass handschriftliche Vermerk ein Ersatz für einen Posteingangsstempel, den er privat nicht verwende. „Bei der Polizei läuft einiges sehr, sehr schnell. Nicht mit der Ruhe, die man sich bei Behörden vorstellt.“, sagt Findeisen und beantwortet damit die Frage, warum er zu einem Gesprächstermin mit der Polizeipräsidentin, dass vor dem 17. August 2007 stattgefunden haben soll, dass Protokoll nicht mitgenommen habe und sein Vermerk auch erst danach angefertigt habe.

„Ich beziehe das Lob auf alle Staatsschutzbeamte, auch als Herr Gratzik nicht mehr weiterarbeiten konnte.“
Georg Findeisen

„Und das sagen Sie erst jetzt!“, soll sein Vorgesetzter Matthias Hesse regiert haben, als er ihm in einer Autofahrt Monate später erstmals von dem Protokoll erzählt habe. Der Zeuge gibt an, Hesse damals erklärt zu haben, dass es sich dabei um eine „vertrauliche Information“ gehandelt habe, die er von Gratzik bekommen habe. „Ja, auf alle Fälle bis Mitte März“, so Findeisen auf die Frage, ob die 3 Staatsschützer aus seiner Sicht den Rechtsextremismus wirksam bekämpft haben. Außerdem wisse er, dass die drei in der Kampagne „Hingucken“ des Landes Sachen Anhalt (mehr dazu hier..) engagiert seien: „Das findet unsere Unterstützung.“ Zu rechtsextremen Ereignislagen sagt er außerdem: „Da hätten wir jemanden wie Herrn Gratzik gut gebrauchen können.“ Und außerdem führt er an: „Ich beziehe das Lob auf alle Staatsschutzbeamten, auch als Herr Gratzik nicht mehr weiterarbeiten konnte.“ Findeisen äußert sich zudem zu den Verleumdungsanzeigen, die im Zusammenhang mit dem Gesprächsprotokoll von den Staatsschützern gegen leitende Beamte der Direktion erstattet worden seien. Er habe die Staatsschützer davor gewarnt. Er habe im Umgang mit den Staatsschützern weiter versucht, als Freund zu handeln.

Zum Abgeordneten Kosmehl sagt der Zeuge: „Ob er von mir dafür einen Rechtsrat haben wollte, weiß ich nicht.“ Ihm sei unklar, ob Gratzik ihm das Protokoll aus dieser Motivlage heraus gegeben habe. Auf Nachfrage bleibt der Zeuge bei seiner Aussage, dass Swen Ennullat ihm in einem Gespräch offeriert habe, dass das Protokoll an mehreren Wochenenden und Stück für Stück entstanden sei. Außerdem habe er am 02. Juli 2007 Kontakt zum leitenden Oberstaatsanwalt Bittmann gehabt und da erfahren, dass gegen den Beamten Kappert wegen des Protokolls ermittelt würde. In diesem Kontext hätte es auch ein Vermerk zu seinem Gespräch mit Gratzik am 20. März 2007 gegeben. Er könne sich zudem nicht daran erinnern, Ende 2006 oder Anfang 2007 an einem Gespräch beteiligt gewesen zu sein, in dem Glombitza zu Gratzik gesagt haben soll, den Kontakt zu Ennullat zu reduzieren. Das habe er im Nachgang von Gratzik oder Ennullat erfahren. Er sei nicht „die Beschwerdeinstanz des Herrn Glombitza“, so Findeisen weiter.

„Durch das Verhalten im Umgang mit der Presse hat er für mich seine eigenen Interessen soweit in den Vordergrund gestellt, so dass ich bezweifle, dass es ihm um die Sache geht.“
Georg Findeisen

„Dann hab ich nur noch Sie gesagt.“
Georg Findeisen

Holger Stahlknecht möchte wissen, wie sich sein derzeitiges Verhältnis zu Gratzik gestalte. „Ich bin beim Sie“, so Findeisen. „Ich habe Herrn Gratzik wegen seiner fachlichen Stärken geschätzt.“, so der 40jähriger dazu. Schließlich hätten sie mit ihrer Zusammenarbeit etwas bewegen können. So etwas schweiße zusammen. „Durch das Verhalten im Umgang mit der Presse hat er für mich seinen eigenen Interessen soweit in den Vordergrund gestellt, so dass ich bezweifle, dass es ihm um die Sache geht.“, stellt Findeisen fest. „Alles was ich versucht habe bei Herrn Gratzik, war fruchtlos“, so der Rechtsdezernent weiter. Gratzik sei irgendwann nur noch seinen eigenen Weg gegangen das habe Findeisen dann nicht mehr akzeptieren können: „Dann hab ich nur noch Sie gesagt.“ Ob Herr Gratzik eventuell seine eigene Kontroll- und Distanzfähigkeit verloren haben könnte, könne Findeisen nicht detailliert einschätzen. Er habe sich eher Sorgen um die Gesundheit Gratziks gemacht und das er sich total verrennt.

„Aus meiner Sicht wäre es im Interesse des Landes gewesen, sich mit voller Kraft weiter für die Interessen in Köthen einzusetzen. Das Auftreten in den Medien hat, denke ich, keinem etwas genützt.“
Georg Findeisen

“Ja ich bin da absolut sicher.“, bestätigt der Zeuge gegenüber Bernward Rothe das Datum 20. März 2007 bezüglich der Protokollübergabe an ihn. Er könne sich deshalb so genau daran erinnern, weil Gratzik ihm in diesem Gespräch gesagt habe, in der Sache mit dem Oberstaatsanwalt Preissner telefoniert zu haben. „Ich glaube ja.“, so Findeisen zur Frage, ob Gratzik ihm an diesem Tag erzählt habe, dass er mit Glombitza gerade eine Unterhaltung wegen seiner Beurteilung geführt habe. „Das könnte sein Gesicht erklären.“, so Findeisen. Ferner sagt der Oberregierungsrat: „Herr Gratzik hat mit mir über seine Beurteilung gesprochen. Ich weiß auch, dass ihn einige Punkte sehr getroffen haben.“ „Aus meiner Sicht wäre es im Interesse des Landes gewesen, sich mit voller Kraft weiter für die Interessen in Köthen einzusetzen. Das Auftreten in den Medien hat, denke ich, keinem etwas genützt.“, resümiert Findeisen.

„Wissen Sie, ob Herr Gratzik das Protokoll an die Öffentlichkeit gebracht hat?“, fragt Gudrun Tiedge nach. „Ich beteilige mich nicht an solchen Spekulationen.“, antwortet Findeisen.

Der Zeuge bringt zum Anschluss seine Besorgnis bezüglich Gratziks etwaigen Vorgehen zum Ausdruck: „Ich hatte Sorge das er Schritte geht, die niemanden helfen.“

 

 



Der Personalleiter wird befragt

„Es entwickelte sich zu Beginn 2005 eine rege Personalfluktuation.“
Lutz Gutewort

Um 14.20 Uhr betritt PHK Lutz Gutewort den Saal im Landtag. Er arbeite seit 2003 im Dezernat Personal der Polizeidirektion Dessau [heute Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost, Anm. d. Red.]. Er habe die Ära Sven Gratziks in der Direktion mit verfolgt, seitdem dieser von seinem Studium auf der Polizeifachhochschule zurück gekommen sei und infolge dessen das Fachkommissariat Staatsschutz geleitet habe. „Es entwickelte sich zu Beginn 2005 eine rege Personalfluktuation.“, so der Zeuge und erläutert seine Einschätzung, dass er „24 Personalmaßnahmen“ für einen solch kleinen Bereich wie den Staatsschutz als sehr überdurchschnittlich empfinde. Der Zeuge führt, Gratzik zu Gute haltend, die innovativen Erneuerungen an, die dieser in der Abteilung eingeführt habe. Zum Beispiel, dass Gratzik die Abteilung neu strukturiert habe und sie in die Bereiche „GIA“ (Gefahrenabwehr – Informationsbeschaffung – Auswertung, Anm. d. Red.) und „Verfahrensbearbeitung“ geteilt habe.


Zur Bewertung des Führungsstiles des damaligen Leiters der Abteilung Staatsschutz Sven Gratzik führt der Zeuge aus, dass ohne dessen ausdrücklich Zustimmung niemand in das Fachkommissariat 4 (polizeilicher Staatsschutz / jetzt Fachkommissariat 5, Anm. d. Red.) gekommen sei oder dieses verlassen hätte können. Ferner führt er zu diesem Komplex aus, dass es während dieser Zeit Beamte gegeben habe, die bereits sechs Wochen nach Arbeitsbeginn im Staatsschutz das Handtuch werfen wollten, selbst Beamte, die aus dem LKA für das FK 4 Dessau abgeworben wurden, hätten nach sechs Wochen wieder das Gespräch mit der Personalabteilung gesucht. Ein Beamter ist dem Zeugen Gutewort erinnerlich. Dieser habe gebeten, wieder in das LKA zurück zu dürfen oder auch irgendwo anders hin, er habe aber „auf alle Fälle“ wieder raus gewollt aus der Fachabteilung unter Gratziks Leitung, gibt Gutewort zu Protokoll. Heute seien, laut Zeugen, noch vier Beamte des alten Stammes in der Abteilung, alle anderen wären teils aus eigenem Ersuchen, teils auf Gratziks Drängen hin versetzt worden.


Das Mitglied des Untersuchungsausschusses, Guido Kosmehl, geht nun zunächst auf die Zahlenunterschiede bzgl. der Personalwechsel ein. Der Zeuge konkretisiert, dass 24 Personalmaßnahmen natürliche heiße, dass nicht 24 Mitarbeiter die Abteilung durchliefen, sondern Personalveränderungen, Eintritt wie Austritt aus dem jeweiligen Bereich, als einzelne Maßnahmen gezählt werde und somit eigentlich 12 Personalwechsel stattgefunden hätten. Ferner gibt der Zeuge zu Protokoll, dass zu den 17 Mitarbeitern des Staatsschutzes alle zählen würden, der eigentliche Stamm seien aber 14 Beamte inklusive der Abteilungsleitung. Zur Mehrarbeit in der Abteilung befragt gibt Gutewort zu Protokoll, das der Abteilungsleiter Gratzik damals nur für sich selbst, Ennulatt, Kappert und dem Beamten Höff (mittlerer Dienst) eine Vergütung der Überstunden beantragt hätte. Gutewort habe daraus geschlussfolgert, dass die Überlastungsanzeigen, die aus der Abteilung Staatsschutz derzeit bekannt gegeben wurden, nur auf die Arbeitsweise Ennulatts, Kapperts und Gratziks zurück zuführen seien. Diese hätten entgegen den anderen Mitarbeitern wesentlich mehr Überstunden zu verbuchen gehabt. Laut dem Personalchef habe Sven Gratzik beispielsweise im Februar 2006 innerhalb eines Monats 80 Überstunden angesammelt.


Das Mitglied des Untersuchungsausschusses Siegfried Borgwardt hält dem Personalchef vor, dass die Summe der Überstunden nicht mit den Vergütungen übereinstimme. Laut Gutewort habe sich die Polizeidirektion damals entschieden, die Überstunden nur für Gratzik und Ennunlatt zu vergüten, nicht aber für den Kollegen Kappert. Die Nebentätigkeitsgesuche Sven Gratziks trotz Überbelastung hätten aus Sicht Guteworts ausschließlich steuerrechtliche Gründe gehabt, eine Ausübung der Tätigkeit sei ihm nicht bekannt. Dass diese angemeldete Nebentätigkeit „zur Ausübung der dienstlichen Tätigkeit“ gedacht gewesen sei, könne sich Gutewort nicht erklären. Nach seiner Auffassung werden die für Ermittlungen notwendigen Möglichkeiten, die diese Nebentätigkeit offeriert, auch von Seite der Behörde geboten. Die „Leistungsparameter“ der Abteilung Staatsschutz der Polizeidirektion seien unter der Leitung Sven Gratziks angestiegen, bestätigt der Zeuge auf Nachfrage Borgwardts Diesem Wandel wären einige Mitarbeiter nicht gerecht geworden und würden somit die „überdurchschnittlichen“ Personalwechsel des Fachkommissariats erklären.


Untersuchungsausschussmitglied Frau Dr. Helga Paschke lässt sich eingangs ihrer Befragung vom Zeuge Gutewort nochmals explizit bestätigen, dass die Personalwechsel der Abteilung nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Leiters Gratzik von statten gingen, diese Regelung habe laut Gutewort immer Bestand gehabt. Unregelmäßigkeiten bezüglich Aktennotizen aus Personalgesprächen kann der Personalleiter nicht aufklären. So ist nicht zu ermitteln, wieso teils Aktennotizen vorhanden sind, wenn aber der Mitarbeiter Herr Kloppe den Zeugen nach 20.00 Uhr angerufen habe, ihm mitgeteilt habe: „Ich kann nicht mehr.“, und Herr Gratzik dessen Versetzung mit: „Der packt es nicht.“, zugestimmt habe, wiederum keine Notiz in der Personalakte zur Folge hatte. Ferner bestätigt der Personalchef Gutewort, dass das Gesprächsprotokoll vom 05.Februar 2007 ihn auf dem regulären Dienstweg erreicht hätte.


Bernward Rothe hakt bei dem Zeugen zu einem Personalgespräch zwischen Gutewort und Swen Ennulatt nach. Ennulatt habe am 11. Januar 2007 ihm gegenüber geäußert, er wolle in den Höheren Dienst aufsteigen, die Leitung eines Polizeirevieres, wie es ihm angeboten wurde, würde ihn unterfordern. Diese Gespräche hätte Gutewort protokolliert. Christian Kappert wiederum hätte bei einem Personalgespräch bezüglich seiner weiteren Verwendung gemeint, er habe von Sach- und Vorgangsbearbeitung keine Ahnung. Das verwundere den Zeugen Gutewort, hatte doch Sven Gratzik dem Beamten Kappert bescheinigt, dass dieser Sach- und Vorgangsprozesse schnell und gut überblicken und erfassen könne. Kappert sei in Personalgesprächen angeboten wurden, sich auch zukünftig mit Rechtsextremismus beschäftigen zu können. Beispielsweise hätte er Prävention und Gefährdeansprachen oder als Ansprechpartner für Staatsschutzanliegen im Polizeirevier fungieren können. Diese Angebote habe Kappert laut Aussage des Personalchefs ausgeschlagen. Zum eingereichten Umsetzungsantrag Gratziks äußert der Zeuge, dass der Leiter des FK4s bereits Anfang des Jahres hätte versetzt werden sollen, und zwar in das Polizeirevier Köthen. Seiner Tätigkeit als Leiter der Abteilung in der Polizeidirektion sei von der Führungsspitze ohnehin lediglich für zwei Jahre angedacht gewesen.

„Die Fluktuation war mit Weggang Herrn Gratziks beendet.“
Lutz Gutewort


Guido Kosmehl fragt den Personalchef der PD Dessau (jetzt PD Sachsen-Anhalt Ost, Anm. d. Red.) weshalb er im Protokoll zu dem Personalgespräch mit Swen Ennulatt notiert habe, dass Ennulatt die Äußerungen bezüglich einer Unterforderung seiner Person „lächelnd“ getätigt habe. Dies erschiene dem Zeugen damals als wichtig, da Ennulatt auf ihn überheblich gewirkt habe. Auf ein „Kontaktverbot“ angesprochen, welches Sven Gratzik am 16.05.2007 zugestellt worden sei, führt der Zeuge aus: Gratzik habe die Angestellte Frau Wein privat angerufen, um sie zu fragen wie es im FK4 laufe und was mit der Unterschriftensammlung für den Polizeivize Hans-Christoph Glombitza sei. Frau Wein habe mit: „Lass mich da raus.“, abgewehrt und sich daraufhin an den Personalchef Gutewort gewandt. Dieser habe Gratzik mitgeteilt, er solle es unterlassen, Bedienstete der Direktion privat zu kontaktieren, um an Informationen zu gelangen und habe ihm das „Kontaktverbot“ schriftlich zugestellt. Als Gratzik Frau Wein daraufhin nochmals angerufen habe, hätte Gutewort dazu einen Aktenvermerk gefertigt, da dies einen Verstoß gegen das „Kontaktverbot“ dargestellt habe.
Auf Erich Reicherts Frage hin bestätigt der Zeuge: „Die Fluktuation war mit Weggang Herrn Gratziks beendet.“ Aktuell gäbe es Personalwechsel nur bedingt durch die Polizeistrukturreform, die ab Januar 2008 in Kraft getreten sei.

„Beide haben gesagt, dass sie weg wollten, keiner hat gesagt, dass sie mit dem Führungsstil Herrn Gratziks nicht einverstanden sind.“


Gudrun Tiedge will genau wissen, wer vehement aus der Abteilung weg wollte. Gutewort kann diesen konkreten Wunsch nur auf zwei Beamte zurückführen, Herr Kloppe und Herr Weber. Ferner bestätigt der Zeuge den Vorhalt: „Beide haben gesagt, dass sie weg wollten, keiner hat gesagt, dass sie mit dem Führungsstil Herrn Gratziks nicht einverstanden sind.“ Tiedge fragt den Zeugen, warum Herr Gratzik der Zugang in die Räumlichkeiten jener Abteilung verunmöglicht wurde, die er selbst bis August 2007 geleitet habe. Gutewort sei lediglich bekannt, dass Gratzik das Kommissariat bis April 2007 offiziell geleitet hätte, die Wahrnehmung des Dienstes sei ihm darüberhinaus verwehrt worden.


Guido Kosmehl geht nun nochmals auf die hohe Fluktuation des Personals ab 2005 im Dessauer FK 4 ein. Der Zeuge führt dazu aus, dass es seiner Meinung nach nicht notwendig gewesen sei die Leitung des FK4 zu verändern, aber ein Gespräch mit Sven Gratzik hätte von den Vorgesetzten gesucht werden müssen. Da von Gratzik selbst gesuchtes Personal aus dessen damaliger Abteilung schnell wieder weg wollte, habe der Zeuge Gutewort Ende 2006 mit dem Polizeivize Hans-Christoph Glombitza eine Unterhaltung gehabt und diesen dann dazu angehalten, das Gespräch mit Sven Gratzik zu suchen.
Gudrun Tiedge fragt den Zeugen wiederum, weshalb in Erwägung gezogen worden sei, einen Beamten, dem mangelnde Führungskompetenzen attestiert worden wären, statt der Leitung von 14 Mitarbeitern die Leitung eines Revieres mit 70 Beamten übertragen werden solle.

Auf Nachfrage des Ausschussmitgliedes Rothe bestätigt Lutz Gutewort, dass Sven Gratzik mittlerweile wieder im Dienst sei. Er leite aktuell wieder ein Fachkommissariat in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd.

 

 



Der Abteilungsleiter der Verwaltung wird zum Fall befragt

Etwa 16.00 Uhr betritt Matthias Hesse den Saal des Untersuchungsausschusses. Er habe zum Zeitpunkt der hier verhandelten Geschehnisse die Abteilung Verwaltung in der Polizeidirektion Dessau geleitet. Aktuell sei er im Statistischen Landesamt eingesetzt.

„Ich habe Herrn Glombitza als einen Kollegen kennengelernt, der das Thema regelmäßig und rigoros in den Dienstbesprechungen angesprochen hat.“
Matthias Hesse


„Ich habe Herrn Glombitza als einen Kollegen kennengelernt, der das Thema regelmäßig und rigoros in den Dienstbesprechungen angesprochen hat.“, gibt der Zeuge bezüglich der Einstellung des damaligen Vizechefs der Polizeidirektion zum Thema Rechtsextremismus zu Protokoll.


Auf Nachfrage Guido Kosmehls gibt Hesse an, von dem Gespräch und dem daraus entstandenem Protokoll erstmals am 10. April 2007 konkret erfahren zu haben. Der Personalleiter Lutz Gutewort sei mit dem Protokoll zu ihm gekommen und beide seien daraufhin zur damaligen Polizeipräsidentin Brigitte Scherber-Schmidt gegangen. Weiter führt der Zeuge aus, dass er mit Georg Findeisen damals eine Fahrgemeinschaft gebildet habe, da sie beide aus der selben Stadt kämen. Findeisen habe auf einer Fahrt Mitte oder Ende März 2007 ihm gegenüber einmal ein brisantes Protokoll erwähnt, was ihm bekannt geworden sei, aber der Sachverhalt habe sich für Hesse damals nicht weiter erschließen lassen.


Gudrun Tiedge antwortet der ehemalige Abteilungsleiter der Verwaltung, er hab Sven Gratzik gesagt, dass er es „unglücklich“ fände, wenn dieser das Fachkommissariat, welches er derzeit theoretisch noch leitete, betreten würde. Ein Beamter des Polizeirevieres Köthen sei daraufhin am nächsten Tag instruiert worden, um die persönlichen Sachen Gratziks aus dessen ehemaligen Büro abzuholen. Sven Gratzik habe sich infolgedessen für den reibungslosen Ablauf bei Hesse telefonisch bedankt, so der Zeuge.
Auf Kosmehls Fragen hin gibt Hesse an, dass Georg Findeisen von dem Protokoll wohl erfahren habe, weil das Dezernat 21, in dem dieser sitzt, und das FK 4 eine gute Zusammenarbeit gepflegt hätten. Zwischen Findeisen und Gratzik habe seiner Auffassung nach, darüberhinaus eine „Arbeitsfreundschaft“ bestanden.

 

 


Der Zeuge Hesse habe laut eigenem Bekunden nicht mit Gratzik über die hohe Fluktuation in dessen Abteilung gesprochen. Nach seinen Informationen hätten ausschließlich die Polizeipräsidentin Scherber-Schmidt und ihr Stellvertreter Hans-Christoph Glombitza das Problem mit dem damaligen Staatsschutzleiter Gratzik besprochen.

 



Die ehemalige Polizeipräsidentin sagt aus

„Aus meiner Sicht gab es zu keinem Zeitpunkt einen Schwerpunktwechsel in der Polizeidirektion Dessau.“
Brigitte Scherber-Schmidt

16.25 Uhr betritt die 49-jährige Brigitte Scherber-Schmidt den Ausschusssaal. Die Zeugin war zum Zeitpunkt der „Dessauer Staatsschutzaffäre“ Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Dessau [heute Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost, Anm. d. Red.]. Heute leitet sie das Referat 21 „Recht der Gefahrenabwehr/ Recht der Polizei“ im Innenministerium. „Aus meiner Sicht gab es zu keinem Zeitpunkt einen Schwerpunktwechsel in der Polizeidirektion Dessau.“, gibt sie als Eingangsstatement zu Protokoll. Um den „Tanker“ Polizeidirektion zu drehen, wäre ihrer Meinung nach mehr notwendig gewesen, als dass was ihr Stellvertreter gegenüber den drei ehemaligen Staatsschützern gesagt haben soll. Während ihrer Tätigkeit als Polizeipräsidentin sei kein Schwerpunktwechsel in der Arbeit der Polizeidirektion und speziell im Fachkommissariat „polizeilicher Staatsschutz erfolgt oder gar von ihr angewiesen“ worden.


Gudrun Tiedge hält der Zeugin die Aussage vor: Dass das Dezernat 21 der PD Dessau gemeint habe, das der Sachverhalt als so brisant eingeschätzt worden sei, dass dies unmöglich an der Polizeipräsidentin vorbei hätte bearbeitet werden können. Dazu gibt Scherber-Schmidt zu Protokoll, dass, als sie vom Gedächtnisprotokoll der drei Staatsschützer erfuhr, zuerst den Gedanken an einen Runden Tisch gehabt habe. Nach der Beratung mit Matthias Hesse, dem Leiter der Verwaltung, und einer dritten Person sei sie wiederrum davon überzeugt gewesen, bezüglich des Sachverhaltes den offiziellen Weg gehen zu müssen und habe daraufhin das vorliegende Protokoll an die Staatsanwaltschaft übergeben. Der Oberstaatsanwalt habe den Inhalt des Schriftstückes auf strafrechtliche Relevanz prüfen sollen. Anschließend habe die Polizeipräsidentin einen Beamten im Innenministerium kontaktiert, um ihn über den Sachverhalt und die von ihr eingeleiteten Schritte in Kenntnis zu setzen. Das angefertigte Gedächtnisprotokoll des Gespräches vom 05. Februar 2007, sowie die schriftliche Erklärungen der drei damaligen Staatsschützer habe Brigitte Scherber-Schmidt in einem Bericht dann an das Innenministerium gesandt.

„Ich war schlichtweg stocksauer, dass er so etwas zwei Monate mit sich herumtrug.“
Brigitte Scherber-Schmidt


Die Zeugin habe Sven Gratzik infolgedessen einmal darauf angesprochen, weil sie diese Vorgehensweise als Vertrauensbruch empfand: „Ich war schlichtweg stocksauer, dass er so etwas zwei Monate mit sich herumtrug.“, so Scherber-Schmidt dazu. Sie sei sich sicher, dass Sven Gratzik der Auffassung gewesen sei, dass die Weisungen von Hans-Christoph Glombitza mit der Behördenleitung hätten abgesprochen sein müssen, deswegen habe er sich nicht an sie, als Diensthöchste in der Direktion gewandt. Ein Protokoll zu diesem Gespräch sei nicht angefertigt worden. In der gleichen Woche hätte der Staatsschützer Kappert sie um einen Termin gebeten und wollte diesen zusammen mit der Polizeipfarrerin wahrnehmen. Scherber-Schmidt gibt zu Protokoll, dass sie sich trotz der Schweigepflicht der Polizeipfarrerin von dieser einen Hinweis erwartet hätte, „dass sich da was zusammen braut“. Kappert hätte geäußert, dass er nicht wisse, ob er mit einer anderen Leitungsspitze im Fachkommissariat Staatsschutz loyal zusammenarbeiten könne. Der Personalchef Lutz Gutewort habe dieses Gespräch führen sollen. Er hätte Kappert vier oder fünf Vorschläge unterbreitet, wo dieser hin wechseln könnte. Mit dem Staatsschützer Swen Ennulatt habe sie selbst kein Gespräch zu diesem Sachverhalt geführt. Die Zeugin ist der Auffassung, es sei „ihre Pflicht gewesen, sich damit an mich zu wenden.“ Und meint damit die drei Staatschützer Christian Kappert, Swen Ennulatt und Sven Gratzik. Mit Hans-Christoph Glombitza habe sie ebenfalls ein Gespräch diesbezüglich geführt, sie habe ihn aufgefordert, ein dienstliche Erklärung dazu abzugeben.

„Diesen Vorwurf, ich kann ihn heute noch nicht nachvollziehen."
Brigitte Scherber-Schmidt


Auf die Nachfragen Guido Kosmehls bestätigt die damalige Polizeipräsidentin, dass Differenzen wegen der Statistik zwischen der erstellenden und der kontrollierenden Behörde völlig normal seien. Zu dem Vorwurf, den die drei Staatsschützer Glombitza machten, meint die Zeugin: „Diesen Vorwurf, ich kann ihn heute noch nicht nachvollziehen.“ Sie empfinde ihn als „absurd“. Scherber-Schmidt gibt an, dass sie selbst nach dem ersten Presserummel einen Beitrag ins Intranet der Polizei gebracht hätte. Die scheinbaren Zusammenhänge mit dem Fall Oury Jalloh, bei dem sich zwei Polizeibeamte gegen den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit wehren müssen, empfinde sie als tragisch [mehr dazu unter www.prozessouryjalloh.de , Anm. d. Red.]. Die Polizeipräsidentin habe zu Sven Gratzik geäußert, dass er und sein Fachkommissariat gefälligst so weiter arbeiten sollten, wie vor dem Gespräch mit Glombitza. Wenn es trotzdem Probleme gäbe, solle er sich melden.
Auf die Fragen Bernward Rothes bestätigt die Zeugin, dass das Fachkommissariat unter Gratzik personell sehr gut gefördert worden sei. Zur hohen Fluktuation der Mitarbeiter aber habe die Polizeipräsidentin nie ein Gespräch mit dem damaligen Leiter Sven Gratzik geführt.

„Nach dieser Aktion wollte ich ihn nicht mehr als FK4-Leiter sehen.“
Brigitte Scherber-Schmidt


Gudrun Tiedge will von der Zeugin wissen, ob der Grund für ihr Eintrag im polizeiinternen Intranet Werbung für Glombitza oder Diffamierung der drei Staatsschützer gewesen sei. Scherber-Schmidt entgegnet, dass der Anlass ein großer Artikel auf Seite Drei in der Mitteldeutschen Zeitung gewesen sei, in dem Sven Gratzik gefordert habe: „Ich will meinen Job zurück.“ Die Zeugin gibt zu Protokoll, dass Gratzik eigentlich bis zur Polizeistrukturreform Januar 2008 hätte Leiter des Fachkommissariats bleiben sollen, aber „Nach dieser Aktion wollte ich ihn nicht mehr als FK4-Leiter sehen.“ Er hätte als Revierleiter eingesetzt werden sollen und habe sich auch nicht gegen diese Planung ausgesprochen. Ferner äußert Scherber-Schmidt zum Anlass des eingestellten Artikels, dass an irgendeiner Stelle die Beamten der Polizeidirektion natürlich auch haben wissen wollen, „Was denkt unsere Spitze dazu?“


Für die damalige Polizeipräsidentin Brigitte Scherber-Schmidt seien die diffamierenden Äußerungen ihres ehemaligen Stellvertreters Glombitza, bezüglich der Landeskampagne „Hingucken“ „die eine Sache“, viel schwerwiegender empfand sie jedoch den Vorwurf, er solle Ermittlungen gegen Rechtsextremismus gebremst haben. Die Versetzungen der drei Staatsschützer, so die Zeugin, hätten keinen Zusammenhang mit dem angefertigten Gedächtnisprotokoll gehabt.


Auf Nachfragen Jens Kolzes entgegnet die Zeugin, dass es eine Interviewgenehmigung für Sven Gratzik nie gegeben hätte. Wo keine Genehmigung vorläge, ginge das ihrer Auffassung nach schon in Richtung disziplinarrechtliche Vorprüfung.


Guido Kosmehl will von der ehemaligen Polizeipräsidentin wissen, weshalb sie in ihrem Artikel im Intranet nicht die Abwertungen Glombitzas in Hinblick auf die Landeskampagne „Hingucken“ für ein demokratisches und weltoffenes Sachsen-Anhalt thematisiert habe. Scherber-Schmidt habe zu diesem Zeitpunkt keine langen Abhandlungen machen wollen, ihr sei es einzig und allein um den Kernvorwurf gegen ihren Stellvertreter gegangen. Sie habe aufgrund dieser Vorwürfe die Richtung der gesamten Direktion ins Schwanken kommen sehen. Sie sei quasi nur die Übermittlerin gewesen, antwortet die heutige Referatsleiterin im Innenministerium darauf, weshalb sie sich genötigt gesehen habe, zu einem Zeitpunkt als eine unabhängige Stelle zu diesem Sachverhalt ermittelte, Ausführungen von Hans-Christoph Glombitza mit einem persönlichen Anschreiben von sich an die ermittelnde Stelle weiterzuleiten.

„Gab es ein Fax Ihrer Behörde, das den dreien untersagte mit unserer Fraktion zu reden?“
Gudrun Tiedge


Mit einem klaren „Ja.“ beantwortet Brigitte Scherber-Schmidt die abschließende Frage von Gudrun Tiedge: „Gab es ein Fax Ihrer Behörde, das den dreien untersagte mit unserer Fraktion zu reden?“

 



Der Rektor der Polizeihochschule vor dem Ausschuss

Als sechster Zeuge des heutigen Tages wird der 1955 geborene Rektor der Polizeihochschule, Rainer Nitsche, befragt. Nitsche war im Auftrag des Innenministeriums mit der Untersuchung des Falls betraut. Er habe in seinen Untersuchungen festgestellt, dass Herr Glombitza keine explizite Anweisung gegeben habe, den Kampf gegen Rechtsextremismus zu behindern, fasst Nitsche seine Untersuchungsergebnisse gleich zu Beginn zusammen. Hätte er ein solche Anweisung ausgemacht, hätte er dem Minister die Empfehlung gegeben, eine Dienstaufsichtsbeschwerde in die Wege zu leiten. Es habe in der PD Dessau eine „komplexe Verfügungslage“ zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gegeben. Nitsche betont dabei vor allem die „Kreativität“, die hier an den Tag gelegt worden sei: „Das hat es vorher in keiner Polizeidirektion gegeben.“

„Das Verfassen des Protokolls selbst ist ein so ungewöhnlicher Vorgang, das macht man eigentlich nicht.“

Rainer Nitsche

Nitsche lobt Glombitza ausdrücklich und sagt, dass er die 3 Staatsschutzbeamten gefördert, aber auch gefordert habe. Auch im Februar 2007 wäre keine Änderung in der Schwerpunktsetzung der PD Dessau zu verzeichnen gewesen: „Etwas derartiges hat es aber nicht gegeben.“ Nitsche erläutert „objektive Umstände“, auf deren Grundlage er zu seiner Gesamteinschätzung gekommen sei. Wenn ein Polizeichef etwas umsetzen wollen würde, dann würde er dies schriftlich verfügen. Weiter sieht er als Ursache vor allem „die Verhaltensweisen der 3 Beamten selbst“. So hätten es die Staatsschützer versäumt, an die Polizeipräsidentin heranzutreten. Sie hätten als nicht von der Möglichkeit der Remonstration Gebrauch gemacht, die jedem Beamten als Weg zur Verfügung stehe. Außerdem sei es nicht erklärlich, warum die Staatsschützer das Protokoll zurückgehalten hätten. Zum aus seiner Sicht letzten objektiven Gesichtspunkt sagt er: „Das Verfassen des Protokolls selbst ist ein so ungewöhnlicher Vorgang, das macht man eigentlich nicht.“ Es sei ein „sehr unorthodoxes Verhalten“ der 3 Beteiligten, sich mit dem Protokoll an den Petitionsausschuss des Landtages zu wenden. Den Beamten hätten die üblichen Dienstwege zur Verfügung gestanden. Das Protokoll sei zudem im Vokabular „sehr unüblich“. Hinzu komme eine weitere Motivlage, „eine subjektive Seite der 3 Staatsschützer“, so Nitsche.

„Herr Glombitza wollte mit dem Gespräch erreichen, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus anders geschieht.“

Rainer Nitsche

„Das mussten die Leute im Staatsschutz gesagt bekommen.“
Rainer Nitsche

„Herr Glombitza wollte mit dem Gespräch erreichen, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus anders geschieht.“, so Nitsche. Die Behördenleitung habe den Gesamtüberblick bei der Kriminalitätsbekämpfung: „Dies war die Motivation von Herrn Glombitza, nach meiner Auffassung.“ Es sei u.a. darum gegangen, die Prioritäten hinsichtlich der anlassbezogenen Internetrecherche anders zu gewichten: „Das mussten die Leute im Staatsschutz gesagt bekommen.“ Hier gelte es, die Zuständigkeiten, so der Landespolizei, zu beachten. Glombitza habe womöglich versucht, eine klare Abgrenzung aufzuzeigen. So komme der Bereich GIA im Staatsschutz ja nah an die Aufgaben des Verfassungsschutzes heran. Er persönlich habe sich zudem über „viele Eigenmächtigkeiten“ der Staatsschutzkollegen gewundert. Nitsche nennt hier vor allem die Personalpolitik Gratziks.

Guido Kosmehl möchte wissen, auf welcher Quellengrundlage er den Bericht erstellt habe. Dies seien vor allem Gespräche mit den Beteiligten gewesen, so der Rektor. Mit Glombitza habe er zweimal gesprochen, mit Gratzik und Ennullat einmal. Ein Fax das er in der Angelegenheit von Glombitza bekommen habe und das in den Akten des Ausschusses enthalten ist, wäre dagegen nicht in die Bewertung eingeflossen. Dies wäre laut Nitsche „ziemlich subjektiv“ gewesen und habe mehr auf die öffentliche Beurteilung abgezielt. Er habe zudem Ennullat um einen zweiten Gesprächstermin gebeten, dieser habe mit Verweis auf seinen Urlaub allerdings abgelehnt. Der Anwalt Gratziks habe zudem die Verfahrensweise seiner Untersuchung bezweifelt, so sei auch mit ihm kein weiteres Gespräch zu Stande gekommen.

Gegenüber Gudrun Tiedge stellt Nitsche den Status seiner Ermittlungen klar. Seine Untersuchung wäre keine „dienstdisziplinarische Voruntersuchung“
gewesen, sondern eine „verwaltungsinterne Ermittlung“.

Tiedge zitiert nun eine längere Passage aus dem Nitsche-Bericht und sagt dann dazu: „Das verstehe ich jetzt nicht.“ Es geht um die Stelle im Protokoll, wo Glombitza gesagt haben soll, nicht alles sehen zu müssen. „Das war explizit eine Anweisung weniger zu tun, und die hat es nicht gegeben?“, setzt Tiedge fort. Nitsche antwortet darauf, dass es nach seiner Sicht Glombitza darum gegangen sei, die Mittel und Instrumente, „den Instrumentenkasten“ bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus zu überprüfen. Glombitza habe damit nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass sich die Behörde dafür entschieden haben, den Rechtsextremismus zukünftig nicht mehr schwerpunktmäßig zu behandeln: „In der Prioritätensetzung im einzelnen nicht.“ Glombitza habe diesen Eindruck nicht erwecken wollen.

„Weil die Beamten die Äußerungen des Herrn Glombitza bei einem objektiven Empfängerhorizont verstehen mussten.“
Rainer Nitsche

„In der Tat stand hier Aussage gegen Aussage.“
Rainer Nitsche

„Die Aussagen der Beamten: `Wir haben das so verstanden`, waren für mich nicht glaubhaft.“

Rainer Nitsche

Die Landtagsabgeordnete trägt eine weitere Sequenz aus dem Papier vor, in der der Rektor schreibt, dass die Staatsschützer diese Intention des Polizeivizes hätten erkennen müssen: „Weil die Beamten die Äußerungen des Herrn Glombitza bei einem objektiven Empfängerhorizont verstehen mussten.“ Der Zeuge räumt ein: „In der Tat stand hier Aussage gegen Aussage.“ Rainer Nitsche ist sich dennoch sicher: „Die Aussagen der Beamten: `Wir haben das so verstanden`, waren für mich nicht glaubhaft.“ Dies sei seine Bewertung, die er letztlich auch in seinem Bericht so zum Ausdruck gebracht habe. Der Rektor betonte nochmals, dass sich die Äußerung Glombitzas, dass man nicht alles sehen müsse, ausschließlich auf Internetrecherchen bezogen habe. Es seien sicher missverständliche Äußerungen gewesen, aber für Nitsche sei klar, dass die objektiven Umstände dagegen gesprochen hätten, dass daraus tatsächlich eine Verhaltensänderung hätte erfolgen sollen.

Frau Dr. Paschke fragt den Zeugen ob es üblich sei, bei einer solchen Ermittlung alle Beteiligten auf mögliche Dienstpflichtsverletzungen hin zu durchleuchten. Nitsche antwortet, dass dies eben keine dienstrechtliche Ermittlung gewesen sei, sondern vielmehr eine Verwaltungsvorermittlung. Er jedenfalls habe allen 4 Beteiligten bescheinigt, keine Dienstpflichtsverletzungen begangen zu haben.

Guido Kosmehl hält dem Zeugen nun die Aussage Glombitzas vor, in der er angegeben haben soll gar nicht genau zu wissen, wie lange die Staatsschützer anlassfrei im Netz recherchiert hätten. Rainer Nitsche ist sich sicher, dass es solche Recherchen dennoch gegeben haben muss: „Das haben mir die 3 Beamten selbst gesagt, das haben sie auch verteidigt.“ Der Befragte erwähnt zudem einen Maßnahmenkatalog der Polizeidirektion Dessau vom 01. August 2006, in dem die Bekämpfung des Rechtsextremismus in Erlassform geregelt sei. So sei ein Erlass zum Themenkomplex vom 24. Mai 2006 aktenkundig und ein weiterer einige Zeit später. Nitsche zählt in diesem Zusammenhang auch den Erlass „Netzwerk Staatsschutz“ auf. Im Laufe seiner Ermittlungen, erzählt Rainer Nitsche, habe ein Polizeibeamter ihm zudem geschrieben, dass Glombitza innerhalb der PD Dessau in der Kritik gestanden habe, weil er das Fachkommissariat Staatsschutz und speziell den Rechtsextremismus derart aufgewertet haben. Außerdem sagt er aus, dass er keinen der Beteiligten in seinem Beisein den Bericht gezeigt habe. Die Einstufung „Nur für den Dienstgebrauch“ habe nicht er veranlasst sondern das Innenministerium.

Frau Dr. Paschke antwortet der Zeuge: Er sei davon ausgegangen, dass nur der Auftraggeber eine solche Einstufung vornehmen könne, also das Innenministerium. Das Nitsche diese Einstufung seines Berichtes hätte auch selbst vornehmen können, sei ihm nicht bewusst gewesen.

Auf Nachfrage bestätigt Rainer Nitsche dem Ausschussmitglied Gudrun Tiedge, dass er seinen Abschlussbericht persönlich im Innenministerium abgegeben habe. Außerdem gibt er an, die Personalakten der Staatsschützer nicht zur Bewertung hinzugezogen zu haben. Von den Gesprächen mit den Beteiligten habe er zudem keine Protokolle gefertigt, sondern handschriftliche Notizen. Der Rektor sagt aus, dass ihm der Beamte Markus Loichen ohne Veranlassung einen Brief geschrieben habe, in dem er sich zum Untersuchungsgegenstand geäußert habe. Womöglich habe der Polizist aus den Medien erfahren, dass er mit der Untersuchung des Falls betraut sei. Er habe bei seinen Ermittlungen immer wieder gehört, „dass die drei Kollegen nicht die einfachsten seien.“ Deshalb habe er sich entschlossen, den Loichen-Brief in den Bericht einfließen zu lassen. Seine Einlassungen wären in diesem Kontext beispielhaft. Loichen habe in dem Schreiben behauptet, dass es Gratzik gelingen kann, auf dem Rücken eines Vorgesetzten die gesamte Landespolizei zu diskreditieren. Der Zeuge gibt an, diese Meinungsäußerung allerdings nicht im Bericht gewürdigt zu haben.

„Es gibt Plakate, es gibt Schilder, doch nichts passiert.“
Rainer Nitsche

Gudrun Tiedge möchte vom Rektor wissen, warum die 3 Staatsschützer als unglaubwürdig gelten, wenn er selbst eingeräumt habe, dass die Äußerungen Glombitzas „missverständlich“ seien. Darauf antwortet Nitsche, dass sich der Polizeidirektor abfällig zur Landeskampagne „Hingucken“ geäußert habe und versucht sich gleichzeitig in die Motivlage Glombitzas hinein zu versetzten: „Es gibt Plakate, es gibt Schilder, doch nichts passiert.“ „Die äußeren Rahmenbedingungen“ wären es, die die Gesprächsinterpretation der 3 Staatsschützer trotz der missverständlichen Formulierungen Glombitzas unglaubwürdig machen würden. Glombitza habe sich gegen die Staatsschützer nicht mehr anders zu helfen gewusst, als harte Worte zu gebrauchen. Die Handlungsmotivation der drei ehemaligen Staatsschützer rühre für den Rektor wiederrum aus der Enttäuschung, dass ein weiterer Personalaufbau des Fachkommissariats sowie Fortildungsseminare für Mitarbeiter nicht gefördert worden seien. Gudrun Tiedge hält dem Zeugen zudem die Aussage Gratziks vor in der er behauptet, dass es anlassunabhängige Internetrecherchen im Staatsschutz nicht gegeben habe. Dies, so bestätigt Nitsche, habe Sven Gratzik auch in der Befragung durch ihn so geäußert. Er sei durch die anderen Gespräche allerdings zu einem anderen Schluss gekommen.

„Einfangen heißt, den Freiraum zu beschränken, es heißt da nicht, weniger zu zulassen.“
Rainer Nitsche

Guido Kosmehl fragt den Zeugen danach, auf welche Initiative hin das Treffen zwischen den drei Staatsschutzbeamten und dem Polizeidirektor stattgefunden habe. Nach seinen Erinnerungen hätten alle Befragten übereinstimmend angegeben, dass es die Staatschützer gewesen seien, die um das Treffen gebeten haben sollen. „Einfangen heißt, den Freiraum zu beschränken, es heißt da nicht, weniger zu zulassen.“, sagt der Rektor und interpretiert mit diesen Worten noch einmal die Motivlage Glombitzas aus seiner Sicht. „Das ist ein Anderes, aber kein Weniger.“, so Nitsche zur „veränderten Prioritätensetzung“ durch den Polizeidirektor hinsichtlich des „Instrumentenkastens“, aus dem sich die Staatsschützer bedienen sollten.

 



34jähriger Dienstgruppenleiter steht Rede und Antwort

„Ich hatte den Eindruck, dass er den Staatsschutz grundlegend reformieren wollte.“
Markus Loichen

Als letzter Zeuge wird der 34jähriger Polizeibeamte Markus Loichen vom Ausschuss befragt. Der Zeuge gibt an, ein Schreiben an den Rektor der Polizeihochschule gesandt zu haben. Seine Hauptmotivation wäre dabei gewesen, „die Arbeitsweise des Herrn Gratzik an den Tag zu legen.“ Aus seiner Sicht, könnten dem Polizeidirektor Glombitza keine Verfehlungen nachgewiesen werden. Er kenne Sven Gratzik seit 1992 als eifrigen, „manchmal zu eifrigen“ Kollegen der sehr karrierebewusst sei. Dies, so Loichen, möchte er jedoch nicht negativ verstanden wissen. „Ich hatte den Eindruck, dass er den Staatsschutz grundlegend reformieren wollte.“, sagt der Zeuge weiter. Er gibt zudem an, dass Gratzik versucht habe, auch ihn für den Staatsschutz abzuwerben. Auf dieses Angebot wäre er jedoch nicht eingegangen.

Er habe dann mit dem Staatsschützer später erneut im Fall einer „Bombing“-E-Mail zu tun gehabt, in der im Zusammenhang mit dem Irakkrieg das Andenken von 14 getöteten US-Soldaten verunglimpft worden sei. Der Zeuge gibt an, den Auftrag gehabt zu haben, diese Nachricht zu übersetzten, um dann eine mögliche strafrechtliche Relevanz prüfen zu lassen. Schließlich habe er den Vorgang als polizeilich nicht relevant eingestuft. Nach diesem Ergebnis habe sich Gratzik dann an seinen Vorgesetzten im Revier gewandt und beklagt, dass die Prüfung durch Loichen nicht ausreichend sei. „Das ganze sollte ein Fall islamistischer Terrorismus werden.“, so der Zeuge. Das habe er allerdings nicht so eingeschätzt. Loichen sei infolgedessen bei Glombitza vorgeladen worden. Dort sei ihm vorgeworfen worden, dass er Arbeit verweigern würde und die Tragweite des Fachkommissariats 4 unterschätze. In der Folge wäre er dann vom Polizeidirektor Glombitza „sehr umfassend belehrt“ worden, dass ihm die Entscheidung bezüglich der Spam-Mail nicht zustünde. Dieses Gespräch habe ihm gezeigt, dass die Prioritäten bei der Bekämpfung des Extremismus in der PD nach wie vor relevant sei. Außerdem habe er den Eindruck gehabt, dass Glombitza hier politischen Vorgaben folgte, die die Wichtigkeit des polizeilichen Staatsschutzes unterstreichen sollen und dass Sven Gratzik weitestgehende Freiheiten in seinem Handeln genieße.

„Er hat in diesem Gespräch unmissverständlich deutlich gemacht, dass er mich im FK 4 fördern würde.“
Markus Loichen

Bernward Rothe (SPD) kommt noch einmal auf den Anwerbeversuch Gratziks aus dem Jahr 2005 zurück. „Er hat in diesem Gespräch unmissverständlich deutlich gemacht, dass er mich im FK 4 fördern würde.“, so Loichen dazu. Außerdem soll ihm Gratzik gleichzeitig gedroht haben. Sollte er sich nach einem Wechsel nicht den Richtlinien des Staatsschutzleiters unterwerfen, würde Gratzik „entsprechende Maßnahmen“ ergreifen. Auch ein anderer Beamter habe gegenüber ihm die „aggressive Personalpolitik“ Gratziks erwähnt. Er habe zudem mit vielen Kollegen gesprochen, die den Druck auf die Polizisten in Gratziks Abteilung bestätigt haben sollen. Loichen nennt einen Fall, in dem Gratzik einen Beamten angewiesen haben soll, einen Fall am Wochenende zu bearbeiten. Der Polizist hätte dann diese Zeit nicht als Überstunden angerechnet bekommen.

„Herr Glombitza hat auf mich den Eindruck gemacht, dass er 150% hinter der Entscheidung des Herrn Gratzik stand.“
Markus Loichen

Guido Kosmehl erfährt von dem befragten Dienstgruppenleiter, dass er nie in einer Einheit stationiert gewesen sei, die durch Gratzik geleitet worden sei. Der Zeuge bestätigt auf Nachfrage zudem, dass ihm die Regelungen zur Mehrarbeitsvergütung nicht bekannt seien. Über die Rufbereitschaft im FK 4 könne er nichts sagen, seine Erkenntnisse stützen sich in erster Linie auf Aussagen von Beamten, welche aus dem FK4 ins Revier Bernburg verstzt worden seien und auf Statistiken die offen zugänglich seien. „Herr Glombitza hat auf mich den Eindruck gemacht, dass er 150% hinter der Entscheidung des Herrn Gratzik stand.“, so Loichen zu seinem Gespräch mit dem Polizeidirektor. Ferner sei für ihn bei diesem Gespräch der Eindruck manifestiert worden, dass die Arbeit des FK4 nicht kritisiert werden dürfe.

„Das habe ich aus einem gewissen Gerechtigkeitsempfinden getan.“
Markus Loichen

„Woher wissen Sie, dass Herr Gratzik das Protokoll an die Presse lanciert hat?“
Gudrun Tiedge

Von der Dessauer Staatsschutzaffäre habe er persönlich aus der Presse erfahren, sagt der Zeuge zu Gudrun Tiedge. „Diese Anschuldigungen finde ich völlig haltlos.“, sagt der Zeuge zu den Vorwürfen gegen Glombitza. „Das habe ich aus einem gewissen Gerechtigkeitsempfinden getan.“, erläutert Loichen seine Motivation, an Rainer Nitsche einen Brief zu schreiben. Außerdem sagt er aus, dass Herr Gratzik wohl das Gesprächsprotokoll an die Presse gegeben habe. „Woher wissen Sie, dass Herr Gratzik das Protokoll an die Presse lanciert hat?“, hakt Tiedge nach. „Aus der Presse“, so der Befragte. Viele Ausschussmitglieder schütteln darauf hin zweifelnd den Kopf.

„Ich bitte hier, keine Vermutungen zu äußern.“
Jens Kolze

Der Ausschussvorsitzende Jens Kolze greift wenig später ein und gibt zu bedenken, dass sich viele Aussagen des Zeugen auf Vermutungen aufbauen würden. „Ich bitte hier, keine Vermutungen zu äußern.“, so der CDU-Politiker.

Der Dienstgruppenleiter habe Rainer Nitsche in seinem Schreiben mitteilen wollen, dass die Darstellung der Sachverhalte in der Presse im krassen Gegensatz zu seinem Eindruck von Hans-Christoph Glombitza stünden. Guido Kosmehl möchte von Markus Loichen wissen, welche FK 4-Mitarbeiter ihm konkret die Informationen über die Arbeitsbedingungen im Kommissariat gegeben hätten. Diese Frage kann der Zeuge nicht konkret beantworten. Resümiert abschließend aber, dass diese ehemalige Mitarbeiter des FK4s gewesen seien und er nicht wüsste, weshalb diese ihn belügen sollten. Dann hörte er von dem Umstand, dass die einzige Beförderung in der Polizeidirektion nicht auf Sven Gratzik abgefallen sei, empfand er seine Eischätzung bestätigt. „Das hielt ich dann für sehr wahrscheinlich“, so Markus Loichen, dass Sven Gratzik allein aus Karrierewillen derartig agiert habe.

 

Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt