Beratungsprojekte gegen Rechtsextremismus in Anhalt bilanzieren 1. Halbjahr 2015

Landkreis Anhalt-Bitterfeld absoluter Schwerpunkt neonazistischer Aktivitäten und Gewalttaten in der Region

Die Zahlen und Analysen der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt (OBS) und des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus (Projekt gegenPart) beschreiben ein deutliches Bild: In der Region Anhalt (Dessau-Roßlau, Landkreis Wittenberg, Landkreis Anhalt-Bitterfeld) gehören rechtsextreme und demokratiefeindliche Bestrebungen zur Realität auf den Straßen und öffentlichen Plätzen. Zwischen Elbe und Saale haben statistisch gesehen viermal wöchentlich Rechtsextremisten Menschen bedroht, Aufmärsche organisiert, Propagandadelikte verübt und zugeschlagen. Die Opferberatungsstelle registrierte im Berichtszeitraum (1. Halbjahr 2015) insgesamt 21 Straf- und Gewalttaten mit einer rechtsextremen Motivation. Damit ist bereits jetzt das Angriffsniveau aus dem Gesamtjahr 2014 (18 Angriffe) überschritten. Diese exorbitante Steigerung ist vor allem mit einer beispiellosen Straftatserie in Bitterfeld-Wolfen zu erklären (mehr dazu hier...). Allein dort mussten in den ersten 6 Monaten des Jahres 17 Delikte gezählt werden.

Die vom Mobilen Beratungsteam in einer Chronik bislang festgehaltenen rechtsextremen Ereignislagen für Anhalt im 1. Halbjahr 2015 unterstreichen diesen Trend. Von den genau 100 Meldungen konnten demnach 50% (50 Treffer)  dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld zugerechnet werden (mehr dazu hier...). Damit führt dieser Landkreis erstmals das Ranking der Gebietskörperschaften (Anhalt-Bitterfeld, Dessau-Roßlau, Wittenberg) im Vergleich an. In den letzten Jahren war indes immer die kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau operative Hochburg des organisiert verfassten und jugendkulturell geprägten Rechtsextremismus in der Region (mehr dazu hier...).


Angriffsstatistik der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg für das erste Halbjahr 2015

Für die ersten sechs Monate des Jahre 2015 hat die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten für die Region Anhalt/ Bitterfeld/ Wittenberg (kurz: OBS) mindestens 21 politisch rechts motivierte Angriffe registriert. „Damit ist bereits jetzt das Angriffsniveau aus dem Gesamtjahr 2014 (18 Angriffe) überschritten.“, so der Leiter der OBS Marco Steckel am 4. August 2015 in Dessau-Roßlau gegenüber der Presse. Die OBS ist zuständig für die Doppelstadt Dessau-Roßlau, für die Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg.

Steckel weiter: „Diese exorbitante Steigerung ist vor allem mit einer beispiellosen Angriffsserie in Bitterfeld-Wolfen zu erklären. Allein dort wurden in den ersten 6 Monaten dieses Jahres 17 Delikte gezählt.“ Jeweils zwei Angriffe wurden in der Bauhausstadt Dessau-Roßlau und im Landkreis Wittenberg festgestellt.

Von den 21 rechten Angriffen des ersten Halbjahres 2015 waren 65 Prozent Körperverletzungsdelikte, die schwerwiegende Folgen für die Betroffenen hatten. Ferner wurden zwei Brandstiftungen, zwei massive Bedrohungen und zwei massive Sachbeschädigungen in die Angriffsstatistik aufgenommen. Hauptopfergruppe waren Anhänger von nichtrechten Jugendkulturen. Von zwei Angriffen waren politische Gegner_innen von Rechten betroffen. Der Opfergruppe von Rassismus Betroffenen konnten drei Angriffe zugeordnet werden.

Wegen der hohen Dunkelziffer von rechten Angriffen ist davon auszugehen, dass das Ausmaß rechter Gewalttaten in der Region Anhalt/ Bitterfeld/ Wittenberg in der Wirklichkeit höher ist, so die Erkenntnisse von Dunkelfeldstudien und der OBS übereinstimmend. Marco Steckel: „Nicht selten wird der erlebte Angriff von den Betroffenen in eine lange Reihe negativer Erfahrungen eingeordnet oder die Betroffenen haben Angst vor Racheakten aus dem Kreis der Täter_innen. Auch Probleme mit der Sprache bei Migrant_innen und Erfahrungen mit Diskriminierungen können dazu beitragen, dass ein Vertrauen in die Institutionen der Rechtspflege nicht gegeben ist und die Angriffe nicht bekannt werden.“


Chronik des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus

Im 1. Halbjahr 2015 wurden insgesamt 100 rechtsextreme Ereignislagen in der Region Anhalt registriert. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet dies ein nahezu gleichbleibendes Niveau (1. Halbjahr 2014: 108 Ereignislagen). Bei den Ereignislagen nach Gebietskörperschaften liegt erstmals eindeutig der Landkreis Anhalt-Bitterfeld an der Spitze – 50 Einträge (50 Prozent des Gesamtaufkommens) entfallen allein auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld. In den vergangenen Jahren führte dieses Ranking immer die kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau an.

Im 1. Halbjahr 2015 wurden insgesamt 13 rechtsextrem motivierte Gewaltstraftaten in Anhalt-Bitterfeld festgestellt. Dies ist unter qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten in dieser Dichte in den letzten Jahren für keine Gebietskörperschaft im gesamten Land zu konstatieren gewesen. Im Vergleich dazu sind in Dessau-Roßlau und dem Landkreis Wittenberg keine politisch rechts motivierten Gewaltstraftaten offiziell bekannt geworden.

Ebenfalls neu ist, dass der LK Anhalt-Bitterfeld die Statistik im Bereich rechtsextreme Kundgebungen und Demonstrationen anführt (8). Mit halb so vielen Ereignislagen im öffentlichen Raum bleiben Dessau-Roßlau (4) und der Landkreis Wittenberg (4) im Vergleich zum Vorjahr aber auf einem relativ gleichbleibenden hohen Niveau.

Die rechtsextremen Propagandadelikte bleiben insgesamt im Vergleich zum 1. Halbjahr 2014 ebenfalls auf einem relativ gleichbleibenden Niveau. Wenn auch nur minimal, führt auch hier der Landkreis Anhalt-Bitterfeld (24) die Statistik an; im Vergleich dazu: Dessau-Roßlau (16) und Landkreis Wittenberg (22).

Insgesamt sind die von der Landesregierung gemeldeten rechtsextrem motivierten Sachschäden im 1. Halbjahr 2015 (insgesamt € 3.510 bis zum  31. Juli 2015)  für die Region im Vergleich zum 1. Halbjahr 2014 (insgesamt € 11.800 für die Region bis einschließlich 31. Mai 2014) deutlich rückläufig.

ABER! Erstens haben die Erfahrungen aus den letzten Jahren gezeigt, dass in diesem Bereich noch mit Nachmeldungen aus den zuständigen Polizeidienststellen zu rechnen ist.

UND! Zweitens sind zum Beispiel die Sachschäden im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Wahlkreisbüros von B90/ Die Grünen und DIE LINKE und der Brandanschlag auf das Alternative Kulturwerk (AKW) in Bitterfeld offiziell noch nicht beziffert wurden. Diese Schäden belaufen sich voraussichtlich auf mehrere Tausend Euro, so dass die Sachschäden noch deutlich nach oben korrigiert werden müssen und sich ein abschließendes Bild wohl erst im Volljahresvergleich ergeben wird.






Quelle/ Graphik: MBT Anhalt


Bilanz des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus

Den Schwerpunkt der Beratungsanlässe bildeten im 1. Halbjahr 2015 eindeutig rechtsextreme Ereignislagen im öffentlichen Raum, dabei fallen insbesondere Demonstrationen und Kundgebungen der extrem rechten Szene in Dessau-Roßlau und der Stadt Bitterfeld-Wolfen (LK Anhalt Bitterfeld) ins Gewicht.

Wie bereits in den vergangenen Jahren, waren demnach die mit Abstand meisten Beratungsprozesse (mit 11 Treffern 58% am Gesamtaufkommen) in Dessau-Roßlau verortet
zudem waren im LK Anhalt-Bitterfeld insgesamt 5 Beratungen (26 % am Gesamtaufkommen) verortet (1. Halbjahr 2014: 0 Fälle). Dieser Trend lässt sich dabei vor allem mit der dynamischen Entwicklung der extrem rechten Szene in Anhalt-Bitterfeld erklären.

Wer wurde beraten?


Das MBT Anhalt hat 12 Verwaltungen (im Vergleichszeitraum 2014: 8) beraten und zudem insgesamt 12 Prozesse in der Kommunalpolitik begleitet (Vergleichszeitraum 2014: 9) Dieser Aufwuchs steht in einem engen Zusammenhang mit einer gestiegenen Sensibilisierung in diesem Feld. Hinzu kommt, dass in der Region Anhalt verstärkt Aktivitäten von Rechtsextremisten in den Kommunalparlamenten festzustellen sind. Überdies ist ein Anstieg von Beratungsnehmer_innen im Bereich Schule/ Bildung/ Freizeit (von 1 Treffer im 1. Halbjahr 2014 auf 4 Treffer im 1. Halbjahr 2015) zu konstatieren. Hier zeigt sich, dass rechtsextreme Bestrebungen und Tendenzen auch im (Jugend-) Bildungssektor zunehmend auf eine gestiegene Problemwahrnehmung treffen.



 


Quelle/ Graphik: MBT Anhalt


Rechtsextremismus-Monitor für die Region Anhalt

Rechtsextreme Personenzusammenschlüsse/ Neonazikameradschaften

Im Gegensatz zum Vorjahreszeitraum traten gleich mehrere rechtsextreme Personenzusammenschlüsse öffentlich in Erscheinung. Unter dem Label „Freie Nationalisten Dessau-Anhalt“ haben sich vor allem Neonazis aus Dessau-Roßlau und Umgebung informell und aktionsorientiert vernetzt.


Neonaziaufmarsch am 07. März 2015 in Dessau-Roßlau (mehr dazu hier...)

Neu auf der Bildfläche erschienen zudem die extrem rechten Personenzusammenschlüsse „Freie Nationalisten Bitterfeld“ und „Brigade Bitterfeld“. In den letzten Jahren war zu konstatieren , dass  Neonazis aus dem militanten Kameradschaftsspektrum im Bereich Bitterfeld-Wolfen wenige wahrnehmbare Aktivitäten vor Ort entfalteten und sich sowohl informell als auch operativ eher Aktionen der Kameradschaft „Freie Nationalisten Dessau-Anhalt“ anschlossen.


Stefan W. (hinten links) und Siegmar Z. (davor) am 11. Juli bei einer neonazistischen Kundgebung der „Brigade Halle“ in Halle Silberhöhe;
Quelle: Arbeitsstelle Rechtsextremismus (AREX); Miteinander e.V.

Nun verlagerte sich die zentrale Aktions- und Projektfläche von Dessau-Roßlau eindeutig nach Bitterfeld-Wolfen. Ein Indiz für diesen Paradigmenwechsel  sind zum einen offensiv vorgetragene versammlungsrechtliche Aufzüge im öffentlichen Raum. Hier zeigt sich dieses neue Selbstbewusstsein auch dergestalt, dass es nun ein Bedürfnis zu geben scheint, sich mit eigenen Gruppenbezeichnungen und Labels zu anderen Personenzusammenschlüssen in der Region abzugrenzen.


Neonazistische Kundgebung „Linksextremistischer Terror? Bitterfeld sagt NEIN!“ am 10. Mai 2015 auf dem Bitterfelder Marktplatz (mehr dazu hier...)


Auch wenn davon auszugehen ist, dass die  Gruppierungen „Freie Nationalisten Bitterfeld“ und „Brigade Bitterfeld“  auf personeller Ebene zumeist identisch sind, soll damit nach Außen – aber auch nach Innen in die Szene hinein –  tatsächliche oder vermeintliche Handlungsfähigkeit signalisiert werden. Überdies kann dies auch als Versuch interpretiert werden, dem steigenden Ermittlungsdruck durch Polizei und Staatsanwaltschaft zu entgehen.

Zentrales (Demo-) Ereignis der regionalen Szene bleibt der sogenannte Trauermarsch, der anlässlich der Bombardierung Dessaus alljährlich im März stattfindet . Mit dem zweiten Aufmarsch der ebenfalls am 7. März 2015 stattfand, hat die regionale Szene erneut einen zweiten identitätsstiftenden Höhepunkt gesetzt. Die aggressive Mobilisierung gegen „Asylanten“ hat dabei auch extrem rechte Strukturen über die Region Anhalt hinaus angesprochen.


Der vorbestrafte Neonazi Philipp S. (g. rechts) aus Köthen als Ordner am 7. März 2015 in Dessau-Roßlau (mehr dazu hier...)


Blick auf die zweite Demonstration  am Abend des 7. März 2015 unter dem Motto „Kriminelle Ausländer sofort ausweisen!“ (mehr dazu hier...)

Neonaziaktivisten


Der Neonazi Mario A. aus Witteberg (Bildmitte mit Sonnenbrille) tritt als rechtsextremer Liedermacher "Oiram" auf (mehr dazu hier...). Hier fungiert er als Ordner bei einem Neonaziaufmarsch am 07. März 2015 in Dessau-Roßlau
(mehr dazu hier...)


Der Neonaziiaktivist Alexander Weinert (Dessau-Roßlau; u. a. Anmelder von Demonstrationen und Kundgebungen), hier beim Neonaziaufmarsch am 07. März 2015 in Dessau-Roßlau (mehr dazu hier...).


Henry B. (Bildmitte) ist ein mehrfach vorbestrafter und verurteillter rechtsextremer Intensivtäter


Der rechtsextreme Aktivist, verurteitle Brandstifter und stadtbekannte Neonazi Stefan W.  aus Bitterfeld (mehr dazu hier...)
Quelle: Arbeitsstelle Rechtsextremismus (AREX); Miteinander e.V.

Subkultur

Die Bedeutung loser Zusammenschlüsse und jungendkulturell geprägter rechtsextrem eingestellter Gruppen und Cliquen ist sehr hoch. Ein lokaler Schwerpunkt dieser Szeneverfasstheit war einmal mehr der Landkreis Wittenberg.  Kleidung und Lifestyle sind für die Identifikation mit der Szene entscheidend, gerade wenn es darum geht, junge Menschen für rechtsextreme Politikangebote zu interessieren. Exponierter Vertreter dieses subkulturellen Bereiches ist der rechtsextreme Konzertveranstalter Henry B. aus Wittenberg, der von der Lutherstadt aus seit Anfang 2012 den Neonazi-Versand „Frontline“ betreibt und zudem die neonazistischen Versandseiten „Heimdall“ und „Sleipnir-Shop“.


Screenshot des extrem rechten Internetversandes "Frontline"


Rechtsextremismus-Monitor für die Region Anhalt

Die neonazistische NPD - Der Kreisverband Anhalt-Bitterfeld

Im April 2011 gründete die neonazistische NPD für den Landkreis Anhalt-Bitterfeld einen Kreisverband. Für die rechtsextreme Partei sitzt Andreas Köhler aus Priorau im Kreistag, er verfügt zugleich über enge informelle Kontakte zur militanten Kameradschaftsszene . Der Rechtsextremist Swen Behrendt veröffentlicht auf der Homepage des Kreisverbandes regelmäßig rassistische und populistische Beiträge.


Andreas Köhler beim extrem rechten Demonstrationszug am 07. März 2015 in Dessau (m. schw. Fahne)


Der NPD-Autor Swen Behrendt (r.) zur konstituierenden Sitzung des Kommunalparlamentes in Dessau im Juli 2014


Die neonazistische NPD - Der Kreisverband Wittenberg

Der Kreisverband der extrem rechten Partei tritt regelmäßig mit Infoständen in der Wittenberger Innenstadt in Erscheinung (mehr dazu hier...) und (hier...).Thomas Lindemann aus Wittenberg trat zuletzt für die NPD als Stadtratskandidat in Leipzig an. Der Aktivist pflegt enge Kontakte ins militante Neonazispektrum und nimmt regelmäßig an Nazidemonstrationen teil.Torsten Escherich sitzt für die Partei im Kreistag, außerdem erreichte mit Danilo Wessel ein NPD-Kandidat ein Mandat im Stadtrat Wittenberg (mehr dazu hier...).


NPD- und Kameradschaftsaktivist Thomas Lindemann (Bildmitte m. Sonnenbrille) beim sogenannten Trauermarsch in Dessau 2015 (mehr dazu hier...)


Torsten Escherich (links) sitzt seit den Kommunalwahlen 2014 für die NPD im Kreistag. Hier bei einem rechtsextremen Aufmarsch im März 2013in Dessau-Roßlau (mehr dazu hier...).

Die neonazistische NPD - Kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau

In der Stadt kooperieren Anhänger der freien Kameradschaften offen mit NPD-Aktivisten. Alexander Weinert, ein landesweit bekannter Neonaziaktivist, organisiert zusammen mit
dem Dessauer NPD-Stadtrat Thomas Grey Kundgebungen und Demonstrationen - zudem  sind beide in der Baubranche tätig.

Thomas Grey, stellvertretender Landesvorsitzender der NPD, tritt indes immer wieder als Redner auf neonazistischen Veranstaltungen auf. Der 27-jährige Marcel Kerner, der in seiner Freizeit als Spielertrainer bei einer Dessauer Handballmannschaft aktiv ist, sitzt für die NPD im Ortschaftsrat Roßlau.


Der Dessauer NPD-Stadtrat Thomas Grey filmt Gegendemonstranten am 12. Februar 2015 in Dessau (mehr dazu hier...)


NPD-Ortschaftsrat Marcel Kerner (rechts m. Fahne)  am 07. Januar 2015 in Dessau (mehr dazu hier...)


Rechtsextremismus-Monitor für die Region Anhalt

Die neonazistische Kleinpartei "Die Rechte"

Die Aktivitäten der Partei „Die Rechte“ haben vor allem in der Region Anhalt-Bitterfeld spürbar zugenommen (Propagandadelikte, Teilnahme an versammlungsrechtlichen
Aufzügen, Infostände). Manifest wird das insbesondere durch die Präsenz des stellvertretenden Bundesvorsitzenden Hans-Robert Klug, der seinen Wohnsitz in den Bitterfelder Ortsteil Greppin   
verlagert hat.

Indes hat der Landesverband der Partei „Die Rechte“ seit 2015 ein zentrales Postfach im benachbarten Dessau-Roßlau. Die „Rechte“ ist insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März 2016 bemüht, Strukturen im Land aufzubauen und dabei für den Wahlkampf Unterstützer_innen aus dem Bereich des nicht parteigebundenen Kameradschaftsspektrums zu akquirieren.

Die neonazistische Kleinpartei "Der III. Weg"

Die rechtsextreme Kleinpartei „Der III. Weg“ ist ebenso in Bitterfeld-Wolfen präsent (Anmeldung/ Teilnahme an Kundgebungen, Propagandadelikte). Auch hier geht dies mit einem Zuzug in die Region von erprobten rechtsextremen Kadern einher, Maik Mosbeach (seit ca. 2009 unterschiedliche Funktionen in mehreren Neonaziparteien) und dessen Partnerin Maria-Luise Süß-Lindert (seit den 1980iger Jahren „Karriere“ in der Neonazi-Szene) wohnen im benachbarten Sandersdorf.

Da der „III. Weg“ den etablierten Parteistrukturen im extrem rechten Spektrum, u. a. der NPD, Verrat und zu wenig Radikalität in der Bekämpfung des demokratischen Systems unterstellt, ist hier von einer konzeptionell gewollten inhaltlichen und habituellen Nähe zum militanten Kameradschaftsspektrum auszugehen.


Maik Mosebach ( 2. v. l. mit Fahne „Der III. Weg“) Anmelder der Demo „Deutsche schützen! Gegen linke Gewalt“ am 13. April 2015 in Bitterfeld (mehr dazu hier...)


Rechtsextremismus-Monitor für die Region Anhalt

Reichsideologen / "Reichsbürger"

Die Reichsideologie ist im Ganzen sehr heterogen, zudem ist sie durch antidemokratische und menschenfeindliche Denk- und Einstellungsmuster gekennzeichnet. Das Spektrum reicht dabei von nationalistisch orientierten Ansätzen, über rassistisch motivierte Argumentationslinen bin hin zu antisemitisch tradierten Erklärungsgeschichten.

Gemeinsam ist allen, dass sie behaupten die Bundesrepublik Deutschland existiere nicht und das „Deutsche Reich“ würde weiterhin fortbestehen. Dies schließt die Aneignung fremder Staatsgebiete mit ein und die Existenz der BRD wird durch (strukturell) antisemitische Verschwörungstheorien erklärt.

Die Reichsideologie bietet darüber hinaus Anknüpfungspunkte an (rechte) Esoterik, völkische Kapitalismuskritik und Aussteiger_innentum.

Wie eng und anlassbezogenen die extrem rechten Gruppierungen kooperieren, ließ sich bei der "Montagswache für den Frieden" am 23. März 2015 auf dem Bitterfelder Marktplatz anschaulich beobachten (mehr dazu hier...).


23. März 2015 „Montagsmahnwache für den Frieden“ in Bitterfeld (v.l.n.r.): Volker G. (ehemals Deutsches Polizei Hilfswerk - Teil der "Reichsbürgerbewegung"; am Mikro), einer der Organisatoren der „Mahnwachen“ in Bitterfeld; Maria-Luise Süß-Lindert (ehemals u.a. DIE RECHTE, derzeit "Der III.Weg"); Matthias Th.; Maik Mosebach (ehemals u.a. NPD und DIE RECHTE, derzeit "Der III.Weg"; halbverdeckt); Hans-Robert Klug (ehemals u.a. NPD-Landesvorstand NRW, aktuell „DIE RECHTE“; mit blauer Jacke)


Fazit & Ausblick

Insbesondere die Quantität und Qualität rechtsextremer Angriffe in Bitterfeld-Wolfen ist besorgniserregend. Gerade dort zeigt sich aktuell auf verschiedenen Ebenen eine virulente Manifestation  von rechtsextremen/ rechtspopulistischen Tendenzen und Aktivitäten.

Sowohl im Bereich des parteigebundenen Rechtsextremismus, als auch im Spektrum der militanten Neonazikameradschaften und der rechtspopulistischen Strukturen ist in den letzten sechs Monaten eine dynamische Entwicklung festzustellen, die in einer solchen Ausprägung so nicht zu prognostizieren war.




Die demokratisch verfasste Bürgergesellschaft, ob in den Kommunalparlamenten oder auf der Straße, muss hier klar und deutlich Position gegen die Menschenfeinde von rechts beziehen. Dafür braucht es abgestimmte Strategien im Viereck zwischen Zivilgesellschaft, Verwaltung, Institutionen und Kommunalpolitik ebenso, wie kreative Aktionen und Protestformen.

Betrachtet man die Gründung des Zusammenschlusses „Gemeinsam gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage Bitterfeld-Wolfen“ (mehr dazu hier...) und die zahlreichen Aktivitäten des Netzwerks GELEBTE DEMOKRATIE in Dessau-Roßlau (mehr dazu hier...), sind hier erfolgreiche und wichtige Ansätze unübersehbar.


Demokratischer Protest gegen den Neonazi-Aufmarsch am 07. März 2015 (mehr dazu hier...)

Infos / Kontakt:

 

Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt