15. Oktober 2010 / Dessau-Roßlau / Zschornewitz (Landkreis Wittenberg)

Nach zwei Verhandlungstagen wurde der heute 25-jährige Christian K. am 15. Oktober 2010 vom Landgericht Dessau-Roßlau erneut zu drei Jahren und drei Monaten Haft wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung und Brandstiftung verurteilt. Nach einer Feier unter Freunden hatte der Angeklagte in den Abendstunden des 22. April 2009 erst mit einem Begleiter eine Bushaltestelle demoliert und später das Fahrzeug eines türkischen Anwohners in Brand gesetzt. Der Angeklagte wollte das Auto des Ausländers anzünden, weil er Ausländer hasse, bestätigte der Sprecher des Landgerichts Dessau-Roßlau auf Grundlage der Anklageschrift. Der Zschornewitzer hatte Revision gegen das erste Urteil vom 22. Oktober 2009 beantragt, um aufgrund des vorgeblichen Alkoholisierungsgrades während der Tat verminderte Schuldfähigkeit geltend zu machen. Der Bundesgerichtshof hatte dem Antrag zugestimmt, das Landgericht unter Vorsitz des Richters Manfred Steinhoff folgte dem Ansinnen nicht.

Dass der selbsternannte „Türkenhasser“ in der eigens beantragten Revisionsverhandlung sich selbst nicht zur Tat äußern wollte, rief bei Richter Steinhoff gleich zu Beginn Unverständnis hervor. Er mahnte an, dass dies einer geringeren Strafbemessung natürlich nicht dienlich sei. Christian K. blieb dabei. Der These erhöhter Alkoholisierung widersprach u.a. die als Zeugin vorgeladene Richterin Sigrun Baumgarten, die am Amtsgericht Wittenberg erstmals über die Tat urteilte. Aus der erstinstanzlichen Verhandlung könne sie sagen, dass sich der Angeklagte noch an alles erinnern konnte und von Volltrunkenheit derzeit keine Rede gewesen sei. Vielmehr sei Christian K. wieder relativ nüchtern gewesen, nachdem er sich bereits auf der Feier übergeben habe. Diese Annahme stützten auch in der zweitinstanzlichen Verhandlung Zeugenaussagen weiterer Partygäste, sowie das Gutachten des psychiatrischen Fachklinikums in Bernburg. Vom Gericht angeregte Verfahrensabsprachen, wonach eine Einlassung hinsichtlich des tatsächlichen Alkoholkonsums eine Strafmaßminderung von sechs Monaten zum Ziele haben könne, wurde vom Angeklagten und seinem Verteidiger abgelehnt.


Landgericht Dessau-Roßlau

Die Feier hat Christian K. mit seinem Bekannten Marko D. zusammen verlassen. Nachdem sie erfolglos versuchten unterwegs noch in einer "Bierstube" einzukehren, brachte der Angeklagte seinen Bekannten nach Hause. Beide hätten zu dieser Zeit abgemacht wer betrunkener sei, der bringe den anderen nach Hause. Im April letzten Jahres schien der heute 25-jährige Christian K. wohl nüchterner gewesen zu sein. „Wir haben den Gullydeckel rausgenommen und die Scheibe eingeschlagen“, gibt Marko D. vor dem Landgericht zögerlich zu Protokoll. D. war im ersten Verfahren wegen Beihilfe mitangeklagt und hat eine Geldstrafe erhalten. Nachdem K. ihm auf dem Weg bereits angekündigt hatte den Plan zu haben, das Fahrzeug des „Türken“ anzuzünden, war der Angeklagte später in der Nacht nochmal bei ihm aufgetaucht und habe sich von D. ein Feuerzeug geben lassen. Erst habe er den Tatplan nicht ernst genommen, dann habe er erwidert: „Lass das sein, ich will damit nichts zu tun haben.“

Allenfalls einen „leichten Rausch“ und „klares Handeln“ bescheinigte der psychiatrische Gutachter dem Täter. Schließlich hätte er gezielt nach dem Tatobjekt suchen müssen. Erst Marko D. habe seinem Bekannten unterwegs gesagt, dass der „Ausländer“ woanders wohne. Demnach habe Christian K. erst erfolglos nach dem Fahrzeug gesucht, sich dann aber die neue Adresse merken müssen und diese letztlich auch gefunden. Zudem zeuge die Suche nach der geeigneten Stelle zum Anzünden des Wagens davon, dass er klaren Gedanken habe fassen können. Zur eigentlichen Durchführung sei zudem eine gewisse Feinmotorik unabdingbar gewesen. Deshalb legt sich der Gutachter fest und sagt aus, dass von einer strafrechtlich relevanten Beeinträchtigung zur Tatzeit nicht ausgegangen werden kann.

Nach der Tat klopfte Christian K. gegen 01.30 Uhr am Fenster von Stefanie K. und Tobias R. und weckte diese. „Ich habe das Auto abgebrannt, den Kleinbus des Türken“, soll er laut Anklageschrift zu seinem Bekannten R. gesagt haben. Tobias R. will sich zunächst nicht so recht daran erinnern. „Quatsch“, findet das Richter Steinhoff und kündigt dem Hauptbelastungszeugen an, wenn er am Montag wieder auf Arbeit statt in Beugehaft wolle, solle er wahrheitsgemäß aussagen. Die Androhung verfehlt ihre Wirkung nicht. „Er hat einen ganz normalen Eindruck gemacht“, erinnert sich der Zeuge an den Angeklagten, als dieser nachts nach der Tat am Fenster gestanden hätte. Betrunken sei er jedenfalls nicht gewesen, das sagt auch die damalige Freundin von R, Stefanie K. aus. Der Angeklagte habe ihn gefragt, wieso er – als Feuerwehrmann – nicht zum Einsatz unterwegs sei. Weil der Akku seines Funkmeldeempfängers leer war, hatte er keine Kenntnis von einem Einsatz. Dann hätte K. ihm schließlich erzählt, dass er das Fahrzeug angezündet habe.

Für die Verteidigung sei das Ansinnen nach Aufklärung des Alkoholisierungsgrades insofern gelungen, dass nicht klar sei, welche Menge Flüssigkeit der Täter zuvor erbrochen habe und somit auch nicht von einer erheblichen Verminderung des Blutalkoholgehaltes ausgegangen werden könne. Infolge 14-monatiger Untersuchungshaft beteuert der Angeklagte in seinem Plädoyer: „Das Ganze hat ihn schwer beeindruckt und ihn auf den richtigen Weg gerückt.“ Seiner Forderung nach einer Strafe von zwei Jahren Haft zur Bewährung ausgesetzt, folgt das Gericht nicht. Ähnlich wie der Vertreter der Staatsanwaltschaft, sieht auch Richter Steinhoff keinerlei Anlass für eine Minderung des Strafmaßes. Allen Zeugen zu unterstellen, sie hätten hinsichtlich der Alkoholisierung gelogen, grenzt für Steinhoff an eine „Unverschämtheit“. Zudem sprechen die zahlreichen und teils einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten gegen ihn.

„Eine lächerliche Form von Ausländerfeindlichkeit" und „sinnfreie Zerstörungswut“ attestiert der Vorsitzende dem Angeklagten und resultiert zudem: „An der Einstellung hat sich auch nichts geändert.“ Ein innerer Wandel sei bei ihm nicht erkennbar. Einen Täter-Opfer-Ausgleich habe er auch nicht angestrebt: „Eigentlich eine Strategie, die man unintelligent und egoistisch nennt." Steinhoff findet abschließend klare Worte: "Kurz und gut Herr K., sie haben es komplett versaut.“ Der Richter kritisiert zudem die Rechtssprechung aus Karlsruhe in diesem Fall harsch: „Die  Entscheidung des BGH halte ich für schlichtweg falsch."

Quelle:
eigener Bericht

 

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