25. Februar 2010 / Dessau-Roßlau

Nach dem zweiten Prozesstag am 25. Februar 2010 erging das Urteil gegen Marcel S. und Janine Z. am Amtsgericht Dessau-Roßlau. Beiden ist vorgeworfen worden, am 29. April 2009 in der Dessauer Pestalozzistraße in der Öffentlichkeit den verbotenen Hitlergruß gezeigt zu haben (mehr dazu hier…). Marcel S. war ferner beschuldigt, die Eingangstür des Alternativen Jugendzentrums (AJZ) in der Dessauer Schlachthofstraße beschädigt zu haben – direkt nachdem eine Gruppe Jugendlicher infolge des Versuches, vermummt in das Objekt einzudringen, zurückgedrängt worden war (mehr dazu hier…).


Amtsgericht Dessau-Roßlau

Auf der Zeugenliste für diesen Prozess standen einige Zeugen, die sich am 19. Januar 2009 mit Marcel Z. und anderen teils rechten Personen zum Alternativen Jugendzentrum begeben hatten, um mit einer Person einen zurückliegenden Streit klären zu wollen. Die mehr als zwanzigköpfige Gruppe vermutete den Gesuchten im Vereinsobjekt. Dazu drangen einige aus der Gruppe vermummt in das Gebäude ein. Ein Mitarbeiter des Vereins konnte die Angreifer geistesgegenwärtig aus dem Hausflur drängen und die Tür verschließen. Die Bierflasche, mit der daraufhin die Eingangstür beschädigt worden war, soll laut mehreren Zeugenaussagen von Marcel S. geworfen worden sein.

Ungewöhnlich für die Täter, die teils zum rechten Milieu der Muldestadt zuzurechnen sind, war, dass sich unter den Mittätern auch mehrere Jugendliche mit Migrationshintergrund befanden. Die Zeugenaussagen gehen vor Gericht weit auseinander. Die Aussage der Zeugin Jasmin G., die den Angeklagten „immer im Blick gehabt“ haben will, den Flaschenwurf aber nicht gesehen habe, wertet die vorsitzende Richterin abschließend als „Gefälligkeitsaussage“, die sie „schlichtweg nicht glaubwürdig“ fand. Ein anderer Zeuge hatte so viel Angst, im Beisein der Angeklagten auszusagen, dass die Richterin Dr. Tiebe sich gezwungen sah, für dessen Aussage sowohl die Angeklagten wie auch die Öffentlichkeit zeitweilig auszuschließen. Die Vorsitzende verdeutlichte den Angeklagten, die Unverständnis über dessen Befinden kundtaten anschließend eindringlich: „Er hat Angst“, auch wenn er laut Richterin nichts belastendes zu dem Sachverhalt bezeugen konnte.


Angeklagter Marcel S. (1.v.re.), beim Neonaziaufmarsch am 13. März 2010 in Dessau-Roßlau (mehr dazu hier...)

Der Angeklagte Marcel S. wie auch Janine Z. haben beide bereits Eintragungen im Bundeszentralregister vorzuweisen. Während Z. Diebstahl und Hausfriedensbruch anhängig ist, hatte Richterin Dr. Tiebe bei Marcel S. bereits Sachbeschädigung, Diebstahl mit Fahren ohne Führerschein sowie versuchte Körperverletzung aufzuführen. In einem Fall hätte S. neben gemeinnützigen Arbeitsstunden auch bereits Jugendarrest auferlegt bekommen. Laut den Ausführungen der Jugendgerichtshilfe hätte Marcel S. in Vergangenheit nie Einsicht oder gar Reue für seine Straftaten gezeigt.

Im Ergebnis kommt Janine Z., die Tochter des regelmäßigen Teilnehmers rechtsextremer Aufmärsche Sigmar Z. und Schwester des inhaftierten Neonazi-Intensivtäters Robert Z. (mehr dazu hier...), mit einer Verwarnung und der Auflage, 50 Arbeitsstunden abzuleisten, davon. Marcel S., der wegen seiner Herkunft auch „der Sachse“ genannt wird, bekommt eine sechsmonatige Haftstrafe auferlegt, die zu zwei Jahren Bewährung ausgesetzt wird. Zudem hat er in den folgenden fünf Monaten 80 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten. „Sie haben ein gewisses Potential Straftaten zu begehen“, wandte sich die Richterin an den Angeklagten und offerierte ihm, dass sie Defizite in dessen Entwicklung sowie „schädliche Neigungen“ sähe. Selbiges hatte auch schon die Staatsanwältin zuvor konstatiert. Beide Angeklagte nehmen das Urteil gleich im Anschluss an.

 

Quelle:
eigener Bericht

 

Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt