Öffentliche Übergabe des Informations- und Mahnpunktes Zyklon B
130 Gäste wohnten der Veranstaltung an der Dessauer Brauereibrücke bei
Am 27. Januar 2005, dem 60. Jahrestag der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, wurde in Dessau auf der Brauereibrücke (Askanische Str.) der Informations- und Mahnpunkt Zyklon B der Öffentlichkeit übergeben. Nach jahrelangen Bemühungen und zum Teil gegen heftige politische Widerstände, ist es den Initiatoren um die Forschungsgruppe Zyklon B Dessau gelungen, dieses Projekt Wirklichkeit werden zu lassen. Diese Umsetzung geschah in enger Kooperation mit der Designerin Sandra Scheer, die für die Gestaltung des Info- und Mahnpunktes verantwortlich zeichnet. Die konzeptionell gewollte Doppelfunktion, war und ist den MacherInnen dabei sehr wichtig. Informieren möchte der Mahnpunkt über die Produktion des Giftgases in Dessau. Mahnend möchte der Informationspunkt daran erinnern, dass mit diesem eigentlich zur Schädlingsbekämpfung entwickelten Produkt, in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern Millionen Menschen fließbandmäßig ermordet wurden.
Vor cirka 130 Gästen sprach der Dessauer Amtsleiter für Kultur, Tourismus und Sport, Herr Lambrecht, zu beginn der Übergabe davon, „Dass sich auch Dessau seiner historischer Verantwortung stellen müsse“.
Die Vertreterin der Forschungsgruppe, Antje Tietz, brachte in ihrer Rede das ganze Ausmaß des Massenmordes zum Ausdruck. Mit dem Giftgas Zyklon B, dass in der Dessauer Zuckerraffinerie im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung (Degesch) produziert wurde, seien in den Konzentrations- und Vernichtungslagern Auschwitz, Majdanek, Sachsenhausen, Ravensbrück, Stutthof, Mauthausen und Neuengamme in den Jahren 1941 bis 1945 Millionen Menschen aus ganz Europa, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene, politische und andere Verfolgte des Naziregimes ermordet wurden. In eindringlichen Worten erinnerte Tietz an die historische Verantwortung, thematisierte den erstarkten Rechtsextremismus und sprach sich klar gegen die Konjunktur einen deutschen Opfermythos aus: „Diejenigen, die Verantwortung für diesen organisierten Massenmord in den Konzentrationslagern, für die Opfer des von Deutschland ausgehenden Weltkrieges und letztlich für die Zerstörung Deutschlands und auch Dessaus tragen, leben heute größtenteils nicht mehr. Heutige Generationen tragen dafür keine Verantwortung. Aber sie - wir- tragen das Erbe. Wir dürfen nicht dulden, dass heute wieder ein deutscher Opfermythos aufgebaut wird im Gedenken, auch am 7. März, wenn der Zerstörung Dessaus gedacht wird. Denn oft wird die Ursache dieser Zerstörung, der von Deutschland ausgegangene Eroberungskrieg, fast vollständig ausgeblendet. Und wir dürfen nicht wegschauen und schweigen, wenn sich heute Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus bis in die so genannte Mitte der Gesellschaft ausbreiten, wenn Nazis wieder vermehrt in die Parlamente einziehen und somit sogar finanziell mit Hilfe unserer Steuergelder unterstützt werden.“ Zum Abschluss brachte Antje Tietz noch die Hoffnung zum Ausdruck, dass den Informations- und Mahnpunkt möglichst viele DessauerInnen und BesucherInnen der Stadt aufsuchen werden.
Sandra Scheer wünschte sich vor allem, das die Dessauer und DessauerInnen den Info- und Mahnpunkt wirklich annehmen und ihn nicht beschädigen. Genau dies, so Scheer weiter, sei kurz vor der Übergabe bereits passiert. Unbekannte hatten einige der am Brückengelände angebrachten und zur Gesamtinstallation gehörenden Reflektoren gewaltsam entfernt.
Es bleibt abzuwarten, in wie weit sich rund um den Informations- und Mahnpunkt, der in ummittelbarer Nähe zum ehemaligen Zyklon B-Produktionsstandort errichtet wurde, eine lebendige Erinnerungskultur etablieren wird.