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„Wenn ich darauf Bezug nehme, dass ich ein Nazi bin, dann ist der Bogen zur rechten Seite überspannt“

das Landgericht Dessau bestätigt Urteil wegen Volksverhetzung gegen Mitglieder der Dessauer Hip Hop-Band „Dissau Crime“




Am 2. Verhandlungstag verkündet das Landgericht Dessau das mit Spannung erwartete Urteil im Fall „Dissau Crime“ (mehr dazu hier...). Das hiesige Landgericht hatte die vier Mitglieder der Hip Hop-Crew im Oktober vergangenen Jahres wegen Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung zu Geldstrafen verurteilt (mehr dazu hier...). Zwei der Hip Hopper, Mirco F. und David S., hatten gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt.

Doch bevor Richterin Siegrun Baumgarten am 04. April 2007 das Urteil verkündet, hat die Kammer noch einmal eine dreistündige Sitzung vor sich. Zu Beginn steht dabei ein in russischer Sprache gerapptes Outro im Mittelpunkt. Auf Antrag der Verteidiger der beiden Angeklagten, hatte sich damit eine vereidigte Dolmetscherin beschäftigt. Um es gleich vorwegzunehmen, die von Mirko F. und David S. erhoffte Entlastung gab die Übersetzung nicht her. „Das ergibt keinen Sinn“, sagt die Sachverständige und meint damit das grammatikalisch schlechte Russisch und den fehlenden Sinnzusammenhang des Liedabschlusses. Schließlich gelingt ihr es doch, einige Sequenzen zu übersetzen. „Hört gleich zu, (...) wir erschießen Euch“, gibt sie eine Passage zu Protokoll.

Dann kommt im Verlauf des Verfahrens zum wiederholten Mal der Track 6 der CD zur Sprache. Der Titel heißt schlicht „Die Jagd ist eröffnet“. Obwohl das Lied nicht mehr Bestandteil der Anklage ist, möchte die Vorsitzende wissen, aus welcher Feder der Text stammt. Mirco F. gibt an, dass er das Stück zusammen mit dem bereits rechtskräftig verurteilten Bandmitglied Franz W. geschrieben hat. Genau könne er sich an das Lied nicht mehr erinnern: „Ich habe 265 andere Texte im Kopf“, so Mirco F. dazu. Der Song sei im Jahr 2000 entstanden und als Battle gegen den damals populären Rapper „Torch“ gedacht gewesen. Nachdem die letzten Klänge des Machwerks durch den Saal im Landgericht geschallt sind, hat Richterin Baumgarten noch so einige Fragen. Sie konfrontiert F. mit der Textpassage: „Ich hab da noch was: „Jedem das Seine! Denk an den Satz, auf dem Weg ins Gas (Gas meiner Stadt). Zyklon Dissau“ (mehr dazu hier...) und hakt nach, wie man diese Stelle zu verstehen habe. „Da müssen sie Herrn W. fragen“, fällt dem Angeklagten F. dazu ein. Er hätte diese Passage weder getextet noch gerappt.

Der Kammer und allen Prozessbeteiligten bleibt es nicht erspart, sich noch einen weiteren Titel anhören zu müssen. Diesmal ist der Track „Gestapo aus dem Osten“ an der Reihe. Dieses Lied ist nicht nur Bestandteil der Anklage, sondern enthält einige der Textsequenzen (mehr dazu hier...), die schließlich zu erstinstanzlichen Verurteilung führten. F. kann sich auf Nachfrage nicht genau erinnern, wann der Song überhaupt entstanden sei: „Ich habe keine Ahnung!“. Dieses Stück habe er gemeinsam mit Stefan B. verfasst. Gerade dieser Text ist es aber, der vor nationalsozialistischen Versatzstücken nur so strotzt. Der Gipfel ist erreicht, wenn „Dissau Crime“ munter ins Mikro rappt: „Ich schieße mit der Flak, auf das ganze Judenpack“. Die Angeklagen F. und S. haben für diese volksverhetzende Komposition keine neue Erklärung parat. Es wäre ihnen um den Ost-West-Konflikt gegangen und vor allem um eine satirische Abrechnung mit der Stigmatisierung aller ostdeutschen Jugendlichen als „Nazis“. Den eigentlichen Adressaten des Titels benennt F. auch gleich mit: „Das hat nur was mit der Rap-Szene zu tun, es war keine pauschale Kritik am Westen“. Diese in sich widersprüchliche Argumentation überzeugte wenig. „Ich bin neutral, ich bin eigentlich keines von beiden“, fällt. F. zur Textstelle „Fascho oder Punk“ ein. Wie dieser vermeintliche Neutralitätsanspruch denn mit der Sequenz „Gestapo aus dem Osten“ vereinbar wäre, möchte die Vorsitzende, sichtlich um Verständnis bemüht, wissen. Eine Antwort bleibt der Angeklagte schuldig.

Rechtsanwältin Schlosser, die den Angeklagten S. vertritt, eröffnet die Runde der Schlussvorträge. „Die Musik der Angeklagten kann man mögen, muss man aber nicht“, sagt die Juristin. Das Urteil des Amtsgerichts wäre vor allem deshalb aufzuheben, weil nur „einzelne Passagen oder Wortgruppen“ bei der Urteilsfindung berücksichtigt worden seien. Es gelte aber, den gesamten Kontext zu betrachten. Schließlich macht die Anwältin gar Texte auf der CD aus, die eine rechte Motivation ausschließen würden. Das Genre Battle-Rap sei ja nicht der rechten Szene zu zuordnen: „das ist ein Widerspruch in sich“. Außerdem wären viele der Liedtexte vom Gericht nicht korrekt wiedergegeben. Im Battle-Rap ginge es nach der Prämisse „so erniedrigender, um so besser“ zur Sache. Das könne man geschmacklos finden, aber letztlich wäre dieses Vorgehen durch die Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt. Auch Schlosser bemüht zum Abschluss ihres Plädoyers die Satire: „Kunst bedeutet ja auch Satire“.

“Wir haben es hier mit einer Gruppe von Künstlern zu tun. Der Begriff der Kunst ist nicht zu definieren“, sagt Rechtsanwalt Knuth, der Vertreter des Angeklagten Mirco F. Auch er bemängelt, dass nur einzelne Sätze beurteilt worden wären. „Hier wird nur Schwachsinn erzählt“, sagt Knuth zur Passage: „Ich schieße mit der Flak, auf das ganze Judenpack“ . Jeder wisse doch schließlich, dass man mit einer Flak nicht auf Menschen schieße: „und jeder der sich das anhört, wird auch darauf kommen“. Er könne nicht erkennen, dass bestimmte Passagen der CD Menschengruppen verletzten oder in ihrer Ehre herabsetzen würden.

Beide Juristen fordern für ihre Mandanten einen Freispruch. 

Oberstaatsanwalt Krause sieht das anders: „Sie nahmen billigend in Kauf, Bevölkerungsgruppen in ihrer Menschenwürde anzugreifen“. Die verwendeten NS-Versatzstücke wären durch nichts zu rechtfertigen, Satire könne er weit und breit nicht erkennen. Speziell zum Lied 15 auf dem Album (mehr dazu hier...) stellt Krause unmissverständlich fest: „Hier werden konkret Homosexuelle verächtlich gemacht“. Das Label Battle-Rap könne hier keine Entschuldigung sein. Er sieht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt und fordert für die Angeklagten jeweils eine Geldstrafe von 800 Euro.

Die Richterin schließt sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an, verwirft die Berufung und verfügt zudem, dass die Angeklagten die Kosten des Verfahrens zu tragen haben. In ihrer Begründung findet sie klare Worte: „Wenn ich darauf Bezug nehme, dass ich ein Nazi bin, dann ist der Bogen zur rechten Seite überspannt“.
Als „Pack“ bezeichnet man ja nur jemanden, den man nicht als gleichwertig ansieht. Auch zum Battle-Rap äußert sich Baumgarten: „Die Behauptung, dass Battle-Rap nichts mit Rechts zu tun hat, ist falsch. Schauen Sie bei Wikipedia nach.“, gibt sie den Angeklagten mit auf den Weg.

Gegen den Entscheid des Landgerichts können die Musiker innerhalb einer Woche Rechtsmittel einlegen.

verantwortlich für den Artikel:
Steffen Andersch
Projekt gegenPart
Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus
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