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„Wir hatten gedacht, haut`s zu, schießt weiter“

Zeitzeugengespräch mit dem Auschwitzüberlebenden Franz Rosenbach




Seine Leidenstationen sind mit ganz konkrete Orten verbunden: Auschwitz, Auschwitz-Birkenau, Buchenwald , Mittelbau-Dora und etliche Nebenlager. Am 08. September 2005 berichtete der Zeitzeuge Franz Rosenbach, im Rahmenprogramm der Ausstellung „Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma“, die bisher über 1000 BesucherInnen verzeichnen kann, in der Dessauer Marienkirche über seine Odyssee im NS-Terrorsystem.
1943 arbeite der junge Franz als Auszubildender bei der Reichsbahn. „Komm mit! Nicht fragen! Mitgehen!“, schilderte Franz Rosenbach in eindringlichen Worten das abrupte Ausbildungsende nach nur 3 Monaten. Die unbekannten Männern verschleppten ihn in ein Polizeigefängnis, wo schon seine Mutter, sein Vater und weitere Familienmitglieder interniert waren. An die Zustände erinnerte sich der Überlebende noch heute genau: „Wir waren da mit 15 Leuten in einer 4 mal 4 Meter großen Zelle.“. Schließlich klärte ihn seine Mutter über den Sinn der Verhaftung auf: „Franz, wir werden verschoben.“.

Ein weitere Zwischenstation auf dem Weg zur Deportation war für Franz Rosenbach das Polizeigefängnis in  Wien. Dort wurden die Sinti und Roma für den weiteren Transport in die Lager konzentriert. Eines Tages bekam er den Befehl, in den Keller des Wiener Gefängnisses zu gehen. „Ich werde den Anblick nicht vergessen“, schildert Franz Rosenbach seine erste Begegnung mit dem Naziterror. Er und ein weiterer Häftling mussten in dem Keller Köpfe von Enthaupteten in einen Kartoffelkorb packen und die Leichenteile dann im Heizhaus zur Verbrennung abliefern. Den Jugendlichen nahm diese grausame Szene extrem mit, noch heute weiß er zu berichten: „Ich war so fertig, ich habe zwei Tage nichts mehr gegessen.“. Nach 5 Wochen im Gefängnis wurden die Sinti und Roma zum Bahnhof getrieben, wo sie in völlig überfüllte Personenwagen hinein gepfercht wurden. Da Franz gleich am Fenster stand, hatte er Fluchtgedanken und machte sich bereits am Verschluss zu schaffen. Schließlich musste er den Versuch abbrechen, weil sein Vorhaben von einem Bewacher bemerkt wurde.


Zeitzeuge Franz Rosenbach

Nach 2-3 Tagen in dem Zug, ohne Nahrung und Wasser, kamen sie in Auschwitz an. Sie marschierten direkt nach Birkenau. Die ersten Eindrücke dort waren entsetzlich. Vor den Blöcken lagen überall Leichen, Frauen, Männer und Kinder durcheinander. „Ich bin mit dem Schauen nicht mehr zurecht gekommen“, schilderte Franz Rosenbach seine Empfindungen. Die entmenschlichende Aufnahme im Lager folgte: „Wir wurden vom Kopf bis zu den Füßen geschoren und ich bekam die Nummer Z 9264 eintätowiert. Dann bekamen wir Kleider, Kleider kann man nicht sagen, dass waren nur Fetzen.“. Als seiner Mutter der Zopf abgeschnitten wurde und Franz diesen aufheben wollte, wurde er von einem SS-Mann mit einem Fußtritt  schwer im Gesicht verletzt. Dann kamen sie in einem Block. Die Zustände dort waren unbeschreiblich. Tote, Noch-Lebende und Gesunde, Frauen, Männer und Kinder vegetierten in der völlig überfüllten Baracke. Franz Rosenbach kam in das Kommando „Kanalbau“ und musste dort bis zur Dunkelheit, bei völlig unzureichender Ernährung, Schwerstarbeit leisten. Als es dann hieß, die Jahrgänge 1925-27 sollten sich zum Transport melden, freute sich Franz Rosenbach erst. Er hatte nur einen Gedanken: „Endlich raus hier.“.

Zusammen mit 2000 Häftlingen wurden sie in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Er kam in Buchenwald in den so genannten “Kinderblock“. „Die Jugendlichen waren nur noch Haut und Knochen und die Augen guckten weit raus. Die konnten ja praktisch nicht mehr reden, die lallten nur noch.“, erinnerte sich Franz Rosenbach. Nach zwei Tagen hatte Franz Glück. Ein Mann sprach ihn an und fragte: „Du bist doch der Franz?“. Schließlich stellte sich heraus, dass er ein Freund des Vaters war. Er sorgte dafür, dass Franz in den „Quarantäneblock“ kam. Dort gab es zumindest regelmäßig eine Mahlzeit und Franz erholte sich in diesen paar Wochen körperlich einigermaßen. Später wurde er zur Arbeit in den Steinbruch eingeteilt. Dort machte die SS den Häftlingen das Leben zur Hölle. Sie mussten schwere Steinquader eine Wendeltreppe hinauf tragen. Einmal unterstützter er einen Juden aus Wien, der nicht mehr in der Lage war die Steine zu schleppen, ein wenig. Ein SS-Mann nahm die Hilfe wahr und zitierte ihn zu sich: „Komm her du dreckiger Zigeuner, noch einmal und Du brauchst nicht mehr hoch zu kommen, da schmeiß ich Dich runter.“. Der Jude, dem der SS-.Mann für den nächsten Tag mit dem Tod drohte, erhängte sich noch am selben Tag in seiner Baracke.

Nach 7-8 Monaten in Buchenwald, so genau weiß dass Herr Rosenbach heute nicht mehr, wenn er treffend formulierte: „Ich habe da kein Buch geführt, mein Problem war der Hunger“, kam er mit 200 weiteren Buchenwaldhäftlingen nach Mittelbau-Dora. Dort versuchten die Nazis ihre vermeintlichen Wunderwaffen V1 und V2 in unterirdischen Stollenanlagen zu produzieren. Er kam ins Kommando „B11“, das faktisch für den Ausbau der Stollen, die noch nicht fertig waren, zuständig war. Sie mussten dort unter anderem Sprenglöcher in den Fels bohren: „Da sind viele kaputtgegangen, wurden erschlagen“, bringt Franz Rosenbach die unsäglichen Lebensbedingungen in Dora auf den Punkt. Bevor in Dora die Baracken fertig gestellt waren, mussten die Häftlinge im Stollen schlafen. Es gab keine sanitären Anlagen und die Sterberate war entsprechend hoch. Nach Fertigstellung der Latrine, die sich auf einem Hang befand, war diese ein Ort des Grauens: „Da warf die SS, nach dem Motto der taugt eh nichts mehr, immer wieder entkräftete Häftlinge hinein“, schilderte der Zeitzeuge das Verbrechen. Nach einiger Zeit musste Franz Rosenbach zum Schlafen in das Dora-Außenlager Harzungen marschieren, jeden Tag ein kilometerlanger Weg in den Stollen und zurück. Dort lernte Franz einen Verwandten kennen, der ihn mit den Worten begrüßte: „Bist Du der Franz? Ich bin dein Schwager.“. Nicht vergessen hat Franz Rosenbach die Blicke der Bevölkerung, die sehr wohl ihre täglichen Märsche verfolgen konnten: „Wir waren ja kein Menschen, nur Schwerverbrecher.“. Als einmal ein Sinto aus dem Lager floh, stellten ein Förster und der Volksturm ihn, prügelten ihn halb tot und brachten ihn zurück. Der Häftling musste danach an den Mitgefangenen vorbeimarschieren und schreien: „Hurra, hurra ich bin wieder da.“. An einem Sonntag, kamen alliierte Flieger und griffen die Wachtürme an. Die Häftlinge mussten bei dem Angriff in den Baracken verbleiben. „Da haben wir gedacht, haut`s drauf, schießt weiter.“, beschrieb Franz Rosenbach seine damaligen Gefühle.

Als die Alliierten Truppen kurz vor Dora standen, wurden 2000 Häftlinge zum Todesmarsch ins Konzentrationslager Neuengamme zusammen getrieben. Wer nicht weiter konnte, wurde von der SS durch einen Genickschuss getötet und in den Straßengraben geworfen. Als Nachhut verscharrte der Volkssturm die Ermordeten im Wald. Nachdem die alliierten Truppen schon ganz in der Nähe waren, erschossen SS-Wachleute immer wieder kleine Gruppen von Häftlingen, zogen deren Kleidung an und versuchten damit unerkannt zu flüchten. Nach Tagen des Marsches kamen sie in Oranienbaum (bei Dessau) an. Sie waren noch eine Gruppe von 7-8 Häftlingen, die von einem Bewacher begleitet wurden. Der SS-Mann sagte dann irgendwann aus heiterem Himmel: „Der Krieg ist aus, ihr könnt nun nach Hause gehen.“. Am nächsten Tag liefen sie auf der Strasse Richtung Dessau, kamen aber nicht in die gesperrte Stadt hinein. Schließlich landete Franz Rosenbach mit einem anderen ehemaligen Häftling im heutigen Dessauer Stadtteil Sollnitz, wo sie einige Tage bei hilfsbereiten Leuten verbrachten. Danach begaben sie sich in die amerikanische Zone nach Bitterfeld.

Als Franz Rosenbach später an seinem früheren Wohnort in Österreich ankam, traf er kein Familienmitglied an. Später erfuhr er von seiner Schwester, dass außer ihm nur noch eine weitere Schwester den Massenmord überlebt hatte. 3 Überlebende von einstmals über 30 Angehörigen. Er entschloss sich darauf hin, nach Deutschland zu gehen. Dort saß er im bayerischen Fürth erst einmal eine 14tägige Haft wegen „illegalen Grenzübertritt“ ab. Franz Rosenbach hatte keinerlei Papiere mehr und konnte seine Staatsbürgerschaft nicht nachweisen. Fast unglaublich aber wahr, dieser Status sollte ihn jahrzehntelang begleiten. In der anschließenden Fragerunde äußerte Franz Rosenbach einen Satz, dem nichts mehr hinzu zu fügen ist: „Dieses Schicksal wünsche ich meinen größten Feind nicht. Nein, nein, nein!“.

Infos/Kontakt:
Alternatives Jugendzentrum Dessau
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Tel.: 0340/ 26 60 21 9
e-mail: ajz-dessau@web.de

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