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„Das Anpflanzen von Rhabarber gehört wohl zur hiesigen Leitkultur“

Wladimir Kaminer begeistert mit seiner satirischen Abrechnung des deutschen Kleinbürgertums




Nicht oft kommen über zweihundert Menschen in einer Berufsschule zusammen, um einer Lesung zu lauschen.  Wladimir Kaminer, Deutschlands Querulantenmigrant Nr.1, schafft es am 30. Oktober 2007 spielend, den Saal in der Berufsbildenden Schule III in der Dessauer Chaponstrasse zu füllen.

Der nach Lenin wohl bekannteste Russe hierzulande eröffnet  mit seiner Lesung an diesem Abend die Wanderausstellung „anders? Cool!“. Die Exposition (mehr dazu hier...), die von der Stiftung Evangelische Jugendhilfe nach Dessau geholt wurde und vom Lokalen Aktionsplan für Demokratie und Toleranz (mehr dazu hier...) gefördert wird, informiert über die Lebenswirklichkeit und Alltagserfahrungen von nach Deutschland zugewanderten Jugendlichen.


der Saal in der Dessauer Berufsschule war bis auf den letzten Platz gefüllt

Das Ambiente im Veranstaltungsraum jedenfalls, passt wie der Schraubverschluss auf die Wodkaflasche. Die SchülerInnen der  Berufsschule haben sich die größte Mühe gegeben, die Dekoration getreu dem Motto: „Mein Leben im Schrebergarten“ zu gestalten. Abrisse aus seinem gleichnamigen Buch bestimmen dann auch den Abend mit dem selbsternannten Kosmopoliten. Und tatsächlich gelingt es dem Wahlberliner, die kleinbürgerliche Vorhölle (Ost) Deutschlands exemplarisch am Reich der genormten Jonahissbeersträucher und Grasschnittverordnungen satirisch so darzustellen, wie es eben nur Kaminer kann. Nur er versteht es, mit dem Blick eines unbedarften Beobachters die deutsche Freizeitwirklichkeit so abzubilden und festzuhalten, dass sie zwangsläufig in Realsatire kulminiert.


Wladimir Kaminer sinniert über das Leben in deutschen Schrebergärten

Irgendwie ist Kaminer von dem absoluten Drang  der Deutschen nach Ordnung und Sicherheit fasziniert, dieser zeige sich besonders deutlich in den Bundesgartengesetzten und den Sitzungen der Schrebergartenvorstände: „Deren Vollversammlungen sind wie UNO-Vollversammlungen, nur weniger diplomatisch.“ Spontan stimmt eine Frau aus dem Publikum Kaminer zu und sagt kopfnickend: „Stimmt, bei uns in der Schrebergartensiedlung ist das auch so!“ Nach 17 Jahren in Deutschland habe der Autor eigentlich gedacht, ihn könne nichts mehr vom Hocker reißen, aber Schrebergärten seien „eine eigene Welt“. „Russen haben auch Grundstücke, aber nicht um zu arbeiten, sondern um sich zu erholen“, sagt Kaminer und bekennt sich dazu, dass mit der Erholung sogar einmal in einer Laubenpieperkolonie vorgeschlagen zu haben. Dies sei aber nicht gut angekommen.

Besonders ist der geübte Beobachter vom Rharbarber angetan. Auch er versuche sich mittlerweile im Anpflanzen der rot-grünen Stengel. Dies sei wohl sein Versuch, sich an deutsche Schrebergärtenverhältnisse anzupassen: „Das Anpflanzen von Rhabarber gehört wohl zur hiesigen Leitkultur.“


im Bildhintergrund ist ein Teil der Ausstellung "anders? Cool!" zu sehen

Wenn Wladimir Kaminer über seinen Lattenzaun schaut, sieht er mehr als vorschriftsmäßig gestutzte Hecken. Einer seiner Gartennachbarn gibt ihm dafür mehr als eine Gelegenheit. Der gute Mann heißt in echt Günter Grass, ohne dichterische Qualitäten vorweisen zu können. In Anlehnung an eine Bildzeitungsschlagzeile fragt sich Kaminer nun, ob sich auch jemand für die „unbekannten Kapitel aus dem Leben“ seines Günter Grass interessieren würde? Für eine verschwiegene Tätigkeit in der Waffen-SS, sei sein Nachbar jedenfalls noch zu jung. Außerdem wäre sein Gartenkollege wohl „eher bei der Stasi“ gewesen und damit immerhin auch „politisch aktiv“. Hier kann sich der Satiriker eine Abrechnung mit dem „Volkssport“ Stasi-Akte nicht verkneifen. Die Leute wären ja immer so enttäuscht, wenn ihre Akte ganz dünn sei. Kaminer beendet seinen Exkurs in den Mikrokosmos des Schrebergärtenuniversums mit der Feststellung, dass im Grunde alle Gärtner Verbrecher sind. Schließlich verstoßen sie strenggenommen permanent gegen die Bundesgartengesetze.

Im zweiten Teil seiner Lesung bietet Kaminer bisher unveröffentlichte Geschichten rund um das Thema Ein- und Auswanderung feil, um schließlich mit Erzählungen aus dem wilden Kaukasus zu enden.

Das Publikum tobt und feiert Kaminer mit viel Applaus. Ein grandioser Auftakt der Ausstellung „anders? Cool!“. Der sehenswerten Exposition ist zu wünschen, dass sie auch ohne Wladimir Kaminer gut besucht wird. 

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