Das gesteigerte Selbstbewusstsein der extremen Rechten drückt sich nicht erst seit dem Wahlerfolg der NPD in Sachsen in einer Zunahme rechter und rassistischer Angriffe aus. Betroffen sind vor allem diejenigen, die nicht ins rechte Weltbild passen: Flüchtlinge, MigrantInnen, nicht-rechte und alternative Jugendliche und junge Erwachsene, aber auch Menschen mit Behinderungen und Obdachlose.
Auffällig ist, dass Angriffe auf MigrantInnen und Asylsuchende überwiegend in alltäglichen Situationen und an alltäglichen Orten stattfinden, beispielsweise an Haltestellen, Bahnhöfen oder in öffentlichen Nahverkehrsmitteln. Die Täter handeln zumeist spontan und in Gruppen – sie agieren offen, selbstbewusst und fühlen sich offensichtlich legitimiert, ihre Fremdenfeindlichkeit mit Gewalt zum Ausdruck zu bringen. Im Gegensatz dazu gehen rechten Angriffen auf alternative oder als links geltende Jugendliche und junge Erwachsene oftmals gezielte Planungen der Täter voraus, die zunehmend dem Umfeld von Freien Kameradschaften zuzurechnen sind.
Einen Anstieg rechter Gewalttaten um rund ein Drittel gegenüber dem Vorjahr haben sowohl die Sicherheitsbehörden als auch die Mobile Opferberatung für das Jahr 2004 auch in Sachsen-Anhalt festgestellt. Doch im Alltag ergeben sich Unterschiede bei der Bewertung und im Umgang mit rechter Gewalt.
Die Tagung untersucht die Frage der Wahrnehmung rechter Gewalt durch Sicherheitsbehörden, Opferberatungsstellen und Betroffene. Hat die Reform der Erfassungskriterien für „politisch motivierte Kriminalität rechts“ im Jahr 2001 dazu beigetragen, Gewalttaten mit rechten oder rassistischen Hintergrund besser zu erfassen? Wo existieren Dunkelfelder und Differenzen? Wo existieren und wo zeichnen sich Schwerpunkte rechter Gewalt ab? Welche Opfergruppen werden in der Wahrnehmung vernachlässigt?
Ziel der Tagung ist es auch, anhand praktischer Beispiele und durch Diskussionen zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen, MultiplikatorInnen im Bereich von Migrations- und Jugendarbeit sowie der Sicherheitsbehörden Wahrnehmungen zu schärfen und die Unterstützung für Betroffene rechter Gewalt zu verbessern. Die ReferentInnen sind ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis mit den Themenschwerpunkten Rechtsextremismus und Erfassung rechter Gewalt.
Programm
10: 00 –10:15 Begrüßung Roman Ronneberg (Miteinander e.V.)
10:15 – 12:00 Panel I „Rechte Gewalt und Hate Crimes – eine Frage der Wahrnehmung oder polizeilicher Kriterien?“ Einführungsvorträge: Prof. Roland Eckert, Soziologe, Universität Trier Prof. Charles H. Jones, Jurist, Rutgers University, New Jersey Diskussion mit den TagungsteilnehmerInnen Moderation: Hannes Honecker, Berlin
12:00 – 13:00 gemeinsames Mittagessen
13:00 – 14:45 Panel II „Rechte Gewalt in Sachsen-Anhalt und die Erfahrungen und Perspektive von Betroffenen – missachtet oder wahrgenommen?“ Impulsreferate: Adelheid Roschinski, Soziale Dienste der Justiz, Magdeburg Dominique John, Opferperspektive, Potsdam Einführungsvorträge: Jürgen Windolph, Landeskriminalamt, Magdeburg Heike Kleffner, Mobile Opferberatung, Magdeburg Diskussion mit den TagungsteilnehmerInnen Moderation: Hannes Honecker, Berlin 14:45 – 15:00 Abschluss Kaffee und Kuchen
Die ReferentInnen: Prof. Dr. Roland Eckert beobachtet seit 1990 u.a. das Ausmaß rechter Gewalt in Deutschland und ist einer der Ko-Autoren des 1. Periodischen Sicherheitsberichts für das Bundesministerium des Inneren und des Bundesministerium der Justiz.
Prof. Charles H. Jones forscht seit 1990 zum Phänomen der „Hate Crimes“, Strafund Gewalttaten, die aus gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verübt werden. Zur Zeit arbeitet er an einer Vergleichsstudie zu „Hate Crimes“ in den USA und Deutschland.
Dominique John ist Koordinator der vom Bundesmodellprogramm „Civitas – initiativ gegen Rechtsextremismus“ geförderten Beratungsprojekte für Opfer rechter Gewalt in den neuen Bundesländern und Berlin. Er arbeitet beim Verein „Opferperspektive“ in Brandenburg.
Adelheid Roschinski leitet die Opferberatungsstelle beim Sozialen Dienst der Justiz in Magdeburg.
Jürgen Windolph leitet die Abteilung Staatsschutz beim Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt.
Heike Kleffner leitet die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen- Anhalt.
Hannes Honecker ist Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).
Die Tagung wird gefördert von CIVITAS – initiativ gegen Rechtsextremismus. Die Teilnahme ist kostenlos.
Dienstag, 24. Mai 2005 von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr im Roncalli Haus Max-Josef-Metzger-Str. 12/13 39104 Magdeburg
Anmeldung: Wir bitten um Anmeldung bis zum 20. Mai 2005.