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„Nicht alle Glatzköpfe sind Rechtsextremisten“

seit einigen Tagen gibt es in Bernburg ein Bündnis gegen Rechts




Einen guten Start legte es allmal hin, dass am 27. Januar 2007 in der Gedenkstätte Bernburg gegründete „Bündnis für Demokratie und Toleranz – Gegen Rechtsextremismus und Gewalt“. Nicht nur das fast 120 BürgerInnen der Konstituierung beiwohnten und bereits am ersten Tag 81 Menschen den Gründungsaufruf unterzeichneten, mit dem Landrat Ulrich Gerstner (SPD) und dem Oberbürgermeister Helmut Rieche (CDU) stand die lokale Politikprominenz nicht abseits. Ein Umstand, der in Ostdeutschland bis vor einiger Zeit durch aus nicht selbstverständlich war.

Ganz so einfach wurde der Schulterschluss aller Demokraten aber dann doch nicht zu Stande gebracht. „Es war nicht ganz einfach, die Faust auf dem Tisch zu vermeiden, sie führt ja zu nichts Gutem“, umriss einer der maßgeblichen Organisatoren, Kreisoberpfarrer Karl-Heinz Schmidt, die Startschwierigkeiten des Bündnisses. Nach einigen Debatten konnte sich schließlich auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt werden. Die strategische Zielrichtung des zivilgesellschaftlichen Gremiums ist für Schmidt dennoch klar: „Rechtsextremismus und Intoleranz macht Menschen das Leben unmöglich, anstatt es gemeinsam zu gestalten. Wer dies dennoch tut, um es gleich vorweg zu sagen, wird zum Gegner“.

Der Kreisoberpfarrer, der schon Zeit Jahren für sein Engagement gegen Menschenfeindlichkeit und Antisemitismus bekannt ist, hob Aktivitäten hervor, die schon seit Jahren in der Stadt laufen, aber eben nicht unter dem Label „Bündnis gegen Rechts“. Beispielhaft nannte er die 1992 bzw. 2000 ins Leben gerufenen Arbeitskreise „Jüdische Geschichte“ und  „Interkultur“.

Ich sehe nicht rosarot“, diktiert er den Gründungsgästen angesichts der rassistischen Stimmung, denen MigrantInnen in Bernburg oftmals ausgesetzt seien, in den Notizblock. Als politische Bewegung könne er das jedoch nicht bezeichnen: „Es ist mehr so eine Stimmung, die schwer zu fassen ist“, sagt er zu den fremdenfeindlichen und antisemitischen Sterotypen, die auch auf den Strassen der Saalestadt reproduziert und exekutiert werden. Dabei stuft er insbesondere den Sozialpopulismus der Rechtsextremen und Neonazis als „gefährlich“ an. 

Jean Colgan sieht das etwas anders. Kein Wunder, sieht sie sich doch als Ausländerbeauftragte ständig mit den alltäglichen Bedrohungen und Ängsten von Flüchtlingen in Bernburg konfrontiert. „Ich bin höflich ausgedrückt, wenig zufrieden“, sagt sie mit vehementer Stimme zur aus ihrer Sicht  restriktiven Haltung der zuständigen Ausländerbehörde und gibt sich erst gar nicht die Mühe, ihre Kritik am strukturellen Rassismus zu kaschieren. Als Beispiel nennt sie die bevorstehende Abschiebung eines Afrikaners, der als Spieler im örtlichen Handballverein durchaus populär ist. Im Saal wird das leidenschaftliche Statement derweil mit zustimmenden und ablehnenden Gesten, aber auch mit peinlicher Berühtheit quittiert. Ihre Äußerung: „Nicht alle Glatzköpfe sind Rechtsextremisten“, sorgt für Heiterkeit. Doch lustig hat sie es bestimmt nicht gemeint.
Jean Colgan scheut auch vor Recherchen in der örtlichen Naziszene nicht zurück. Erst kürzlich, so berichtete sie am 27. Januar, hat sie den inzwischen überregional bekannten Neonaziladen am Alten Markt, gleich gegenüber des Eine Weltladens, besucht. Das Szenegeschäft wird von dem Köthener Neonazis Steffen B. geleitet, der vorher jahrelang unter dem Label „Odins Eye“ ein rechtsextremes Shopping-Portal im Internet betrieb. Den Gästen offerierte sie, was man zwischen Boutique und Döner-Imbiss in einer belebten Einkaufsmeile so alles kaufen kann. „Rassismus ist die Notwehr eines Volkes“, prangt so zum Entsetzen der Ausländerbeauftragten auf einem angebotenen T-Shirt.

Landrat Ulrich Gerstner beginnt seine Rede mit einer kleinen Geschichtsstunde: „Sie haben zum Glück noch keinen Führer“. Damit spielt der SPD-Politiker auf - aus seiner Sicht unpassende – Vergleiche zwischen der Weimarer Republik und dem bundesrepublikanischen Rechtsextremismus an. Schon ein flüchtiger Blick in die Tageszeitung beweise, wie virulent das Problem rechter Straf- und Gewalttaten in Sachsen-Anhalt sei. Gerstner beschwichtigt nicht und zählt auf: ein Brandanschlag in Sangerhausen, ein Neonaziaufmarsch in Magdeburg und ein aktiver JN-Stützpunkt (Junge Nationaldemokraten; Jugendorganisation der NPD) in Bernburg.


Landrat Ulrich Gerstner (SPD)

„Bernburg ist mit dem JN-Stützpunkt ein wichtiger Anlaufpunkt der Szene“,
schätzt er die Lage offensichtlich realistisch ein. Passivität würde in einer solchen Situation nicht helfen, ganz im Gegenteil. Gerade deshalb begrüßte Gerstner die Gründung des Bündnisses ausdrücklich. Man müsse sich auch vor der „Strategie des Einbindens“ hüten. „Letztendlich haben die Nazis in Pretzien den Bürgermeister eingebunden“, sagt er hinsichtlich des Falls im Landkreis Schönebeck, der im letzten Jahr international für Schlagzeilen sorgte. In dem Ort verbrannten Rechtsextremisten zu einer Sonnenwendfeier öffentlich das Tagebuch der Anne Frank. Wissentlich geduldet von den örtlichen Kommunalpolitik, hatten Neonazis jahrelang die Kulturarbeit der Gemeinde organisiert.

Am 06. März 2007 findet ab 19.30 Uhr im Pfarrhaus der Bernburger Martinsgemeinde die erste reguläre Sitzung des Bündnisses statt. Dabei soll neben der notwendigen Organisationsstruktur, auch die zukünftigen Arbeitsschwerpunkte zur Sprache kommen.


Infos/Kontakt:
Bernburger Bündnis für Demokratie und Toleranz – Gegen Rechtsextremismus und Gewalt
c/o Evangelisches Kreisoberpfarramt
Martinstr. 05
06406 Bernburg
Tel.: 03471/ 33 35 29

verantwortlich für den Artikel:
Steffen Andersch
Projekt gegenPart
Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Tel./Fax: 0340/ 26 60 21 3
projektgegenpart@gmx.net
www.projektgegenpart.org

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Gründungserklärung des Bernburger Bündnisses für Demokratie und Toleranz - gegen Rechtsextremismus und Gewalt

Mit großer Sorge stellen wir fest, dass seit einiger Zeit insbesondere rechtsextremistisches Gedankengut verstärkt in die Öffentlichkeit getragen wird. Wir als Demokraten können Übergriffe und Äußerungen, die sich gegen Menschen in unserer Region richten, nicht tatenlos hinnehmen.

Das "Bernburger Bündnisses für Demokratie und Toleranz - gegen Rechtsextremismus und Gewalt" begreift sich als demokratisches Bündnis aller interessierten und engagierten Menschen sowie von Organisationen im Raum Bernburg, welche sich der Gründungserklärung verpflichtet fühlen.

Ziele:

1. Das Bündnis setzt sich für eine offene, plurale und demokratische Gesellschaft ein. Es soll dazu beitragen, den Dialog zwischen verschiedenen Kulturen und Weltanschauungen auf friedlicher Ebene zu fördern, Minderheiten zu schützen und Vorurteile zu entkräften.

2. Das Bündnis ächtet jede Form von Gewalt, Intoleranz und Extremismus sowie jegliche Verletzung demokratischer Grundsätze. Es tritt entschieden allen Formen von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegen.

3. Das Bündnis setzt sich mit geeigneten Veranstaltungen für Aufklärung, Information und Diskussion über Demokratie bedrohende Ideologien ein. Es wendet sich dabei an Menschen aller Altersgruppen und Bevölkerungsschichten.

4. Das Bündnis versteht sich als Netzwerk für alle, die sich dessen Zielen verpflichtet fühlen. Es soll eine bessere Kooperation ermöglichen, um gemeinsam in der Öffentlichkeit tätig zu werden.

Vor dem Hintergrund dieser Ziele rufen wir alle BürgerInnen, Vereine, Verbände und Institutionen auf, sich in ihrem jeweiligen Umfeld für diese Ziele aktiv einzusetzten und sich im Bernburger Bündnisses für Demokratie und Toleranz zu engagieren.

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