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"Das Spielen mit Naziversatzstücken ist das Problem..."

Dessauer Hip Hop-Band "Dissau Crime" wegen Volksverhetzung verurteilt




Am 3. Prozesstag gegen vier Mitglieder der Dessauer Hip Hop-Band „Dissau Crime", die sich am 19. Oktober 2006 erneut vor dem Amtgericht Dessau wegen des Tatvorwurfes der Volksverhetzung (Paragraph 130 STGB) verantworten mussten, wurde mit Spannung das Urteil erwartet. Bereits im Mai diesen Jahres begann der Prozeß gegen die vier Angeklagten, der dann für einige Monate ausgesetzt wurde (mehr dazu hier...) um schließlich am 04. Oktober 2006 fortgesetzt zu werden (mehr dazu hier...).

Die Anklage wirft David S. (28), Stefan B. (22), Franz W. (27) und Mirco F. (28) vor gemeinschaftlich handelnd Schriften veröffentlich zu haben, die u.a. zum Hass gegen ethnische Minderheiten aufrufen und zudem Gewalt verherrlichen. Hinter dieser im Juristendeutsch verfassten Verklausulierung steht nichts anderes als die Produktion und der Vertrieb einer CD. Die Band veröffentlichte im Jahr 2003 ein Album mit dem Titel „Zyklon D - Frontalangriff". Einige der Liedtexte transportieren ganz offensichtlich antisemitische, schwulenfeindliche und menschenverachtende Inhalte und verharmlosen zudem die Verbrechen der deutschen Nationalsozialisten (mehr dazu hier...).

Doch bevor es zu den Plädoyers kommen sollte, beschäftigte sich der leitende Jugendrichter Klumpp-Nickelmann zu Beginn mit einer anderen Veröffentlichung der Band. Nachdem die Staatsanwältin im letzten Prozesstag einen Tipp bekam, analysierte die Polizei im Auftrag der Ermittlungsbehörde den Internetauftritt von „Dissau Crime". Das Ergebnis dieser Recherche ließ nicht nur die Beteuerungen einiger Bandmitglieder, dass sie aus „Zyklon D Frontalangriff" gelernt hätten und jetzt geläutert wären, unglaubwürdig erscheinen. Der Hip Hop-Crew droht zudem eine neue strafrechtliche Verfolgung. Auf dem weit nach der jetzt inkriminierten CD hergestellten Produktion „DDR- Dangerous Dope Rap" gibt es den Titel „SchwarzWeiß" zu hören, der aus dem Internet herunter geladen werden kann. In dem Lied wird mutmaßlich das Andenken Alberto Adrianos, der im Jahr 2000 von Neonazis im hiesigen Stadtpark ermordet wurde, verunglimpft. So rappen die Musiker in dem Song u.a. davon, dass Alberto Adriano seine Kinder und seine Frau geschlagen hätte. Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt und die Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus (Projekt gegenPart) haben deshalb kurz nach der Verhandlung Strafanzeige wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) bei der zuständigen Polizeidirektion erstattet (mehr dazu hier...). „Das ist mir schwer aufgestossen", kann der Richter seine Enttäuschung nicht verbergen. David S. erklärte vor Gericht, dass der Text von „SchwarzWeiß" von ihm stammt. Die Band beteuerte, dass der Song als Battle gegen das antirassistische Hip Hop-Projekt „Brothers Keepers" zu verstehen sei. „Brothers Keepers" schrieben damals einen Song über Adriano. „Der Song war doch nur Promotion für ihr Album", warf der Angeklagten F. dem Projekt kommerzielle Interessen vor. Mirco F. verharmloste darüber hinaus den neonazistischen Mord wenn er hinsichtlich der Täter meinte: „Es waren ja keine Dessauer, aber alles wird auf Dessau reduziert". Das sah Richter Klumpp-Nickelmann ganz anders und stellte klar fest: „Der Mord ist in Dessau passiert".

Bevor die Beweisaufnahme geschlossen wurde, beantragte Rechtsanwalt Knuth als Verteidiger des Angeklagten F. ein Sachverständigengutachten einzuholen, das die üblichen Stilmittel im Battle-Rap klären sollte. Knuth sah in den Texten ein „sozialadäquates", sprich normales und durch den Kunstbegriff gedecktes, Vorgehen innerhalb der Szene. Schließlich, so die Argumentation Knuths, könnte man dann auch den bekannten Rapper „Bushido" so einiges vorwerfen. „Bushido war nach den Vieren", rückt Klumpp-Nickelmann die Chronologie zurecht und lehnt den Beweisantrag mit dem Hinweis ab, dass er die vom Rechtsanwalt postulierte These ansonsten als „wahr unterstellt".

Die Staatsanwaltschaft fordert für die Angeklagten David S., Stefan B. und Franz W. Geldstrafen und für Mirco F. eine sechsmonatige Freiheitsstrafe auf 3 Jahre Bewährung. Rechtsanwalt Knuth meint, dass sein Mandat freizusprechen sei. Er vermisst eine „inhaltliche Auseinandersetzung der Staatsanwaltschaft mit den Anklagepunkten" und redet der künstlerischen Freiheit das Wort. Weder die Begriffe „Endsieg" noch „Adolf Hitler" seien in der deutschen Sprache verboten. Angesichts der Textzeile: „(...)Jedem das Seine!" Denk an den Satz, auf dem Weg ins Gas. Gas meiner Stadt. Zyklon Dissau." im inkriminierten Titel „Die Jagd ist eröffnet" führt er aus: „Es gibt leider immer noch Menschen, die vergasst werden". In Deutschland sei es nicht erwünscht, aber eben nicht verboten, sich als Nazi zu bezeichnen, fällt Knuth zu einer gerappten Sequenz im Song „Gestapo aus dem Osten" ein. Knuth sah in diversen Medienberichten eine „Vorverurteilung" der Musiker, konnte ein vorsätzliches Handeln nicht erkennen und ebenso keine Fahrlässigkeit. David S. beteuert in einem Statement vor der Urteilsverkündung: „Für mich ist der Inhalt der CD auch heute noch nicht volksverhetzend". „Wenn Sie uns verurteilen, müssen Sie ein ganzes Musik-Genre kriminalisieren", gibt Franz W. dem Richter mit auf den Weg.

Klumpp-Nickelmann verurteilt die Angeklagten zu Geldstrafen zwischen 320 und 1200 Euro. Zu dem müssen die Hip Hopper die Kosten des Verfahrens tragen. Insbesondere die Titel „Gestapo aus dem Osten" und „Outro" hätten letztlich zur Verurteilung geführt. „Das spielen mit Naziversatzstücken ist das Problem", begründet der Richter seine Entscheidung und fügt hinzu: „Das macht die Opfer des Nationalsozialismus, nämlich die Juden, verächtlich".

verantwortlich für den Artikel:
Steffen Andersch
Projekt gegenPart
Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Tel./Fax: 0340/ 26 60 21 3
projektgegenpart@gmx.net
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