Kreisoberpfarrer Joachim Diestelkamp verabschiedet
„Wir werden sie richtig vermissen“, sagte Razak Minhel, der Leiter des Multikulturellen Zentrums (MKZ), nicht ohne Bedauern in der Stimme. Diese Worte waren für die Ohren des Kreisoberpfarrers Joachim Diestelkamp bestimmt, der nach zehn Jahren seine Tätigkeit in der Stadt beendet und für die evangelisch-lutherische Kirche ein Auslandspfarrstelle in Irland antritt. Und Minhel verband in der vergangenen Dekade so einiges mit Joachim Diestelkamp. Deshalb zögerte das interkulturelle Projekt keine Sekunde und richtete für den langjährigen Kooperationspartner am 15. Juni 2006 eine eigene Verabschiedung aus. „Wir haben uns direkt nach dem Mord an Alberto Adriano kennen gelernt“, begann Minhel die Würdigung des zivilgesellschaftlichen Engagements für Toleranz und gegen Rechtsextremismus des Pfarrers. Joachim Diestelkamp wäre ein verlässlicher und zukünftig nur schwer zu ersetzender Mitstreiter zahlreicher Aktionen und Kampagnen mit antirassistischen, interreligiösen und interkultureller Prägung gewesen. Stellvertretend nannte der MKZ-Chef hier das „Fest der Begegnung“, die jährlich stattfindende „Interkulturelle Woche“ und die Veranstaltungsreihe „Dialog der Religionen“. „Sie waren für uns ein Freund und Unterstützter“, brachte es Minhel abschließend auf den Punkt.
Auch die Jüdische Gemeinde Dessau nutzte die Gelegenheit, um „Danke“ zu sagen und sich zu verabschieden. Swetlana Keller fasste dieses Ansinnen in einprägsame Worte: „Wir haben Sie geliebt. Sie haben ein Herz für Menschen“.
Der so umworbene und geehrte war sichtlich ergriffen: „Das rührt mich alles sehr“, fand Joachim Diestelkamp. Den neonazistische Mord an Alberto Adriano wird auch er nie vergessen: „Das war prägend für mein Leben“. Und das er wohl doch, auch wenn er sich mit dem Gedanken nicht so sehr anfreunden konnte wie viele im Raum, ein politischer Pfarrer ist, bewiesen seine weiteren Ausflüge in die jüngere Stadtgeschichte. Er erinnerte sich noch gut an die Gründung des Dessauer Bündnisses gegen Rechtsextremismus (BgR) 1998, in dem er bis zuletzt aktiv mitwirkte: „Das war eine spektakuläre Sitzung“. Vor allem fasziniere ihm nach wie vor die pluralistische Zusammensetzung dieses Gremiums: „Was da für Beziehungen entstanden sind, ist unglaublich“. Joachim Diestelkamp zeichnete immer aus, da waren sich viele der Anwesenden einig, Konflikte nicht zu zudecken, sondern sie offensiv anzugehen: „Das haben wir dann ausgehalten“, erinnerte er sich zum Beispiel an verschiedene Dispute zwischen der Polizei und dem BgR.
„Dann noch die Geschichte, die wir alle noch nicht verarbeitet haben“, sagte Joachim Diestelkamp dann nachdenklich in Bezug auf den Tod Oury Jallohs am 07. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle. Er räumte in der öffentlichen Bewertung des Falls eigene Fehler ein und sprach mit festen Blick den anwesenden Leiter des Polizeireviers, Gerald Kohl, an: „Ich finde es schlicht weg schlimm, hoffentlich läuft die Untersuchung bald an“. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und prangerte die Verzögerung der juristischen Aufarbeitung des Falls an: „So was schadet dem Ansehen eines demokratischen Staates“. Ein solches Vorkommnis müsse einfach Priorität haben.
Im Small Talk am Büffet versicherte Joachim Distelkamp dann nicht nur einmal, den Kontakt nach Dessau zu halten und die Aktivitäten der Zivilgesellschaft aus Dublin interessiert zu verfolgen. Denn schließlich gäbe es ja zum Glück das Internet.
verantwortlich für den Artikel: Steffen Andersch Projekt gegenPart Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus Schlachthofstr. 25 06844 Dessau Tel./Fax: 0340/ 26 60 21 3 web: www.projektgegenpart.org
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