Projekt Gegenpart Projekt Gegenpart
 
Der antirassistische Newsletter für Dessau und Umgebung
Ausgabe 47 - 10. November 2007
Ausgabe 46 - 22. Oktober 2007
Ausgabe 45 - 06. September 2007
Ausgabe 44 - 13. Juli 2007
"Das hat es bei und nicht gegeben! - Antisemitismus in der DDR" - Ausstellungseröffnung in Dessau
Ausgabe 43 - 27. April 2007
Ausgabe 42 - 23. März 2007
Ausgabe 41 - 20. Februar 2007
Ausgabe 40 - 23. Dezember 2006
Ausgabe 39 - 07.Dezember 2006
Eröffnung der Aktionswochen gegen Antisemitismus 2006 in Dessau
Ausgabe 38 - 07. Oktober 2006
Ausgabe 37 - 13. September 2006
Ausgabe 36 - 23. Juni 2006
african kick - das etwas andere Fussballturnier
Ausgabe 35 - 09. Juni 2006
Ausgabe 34 - 29. April 2006
Ausgabe 33 - 23. April 2006
Ausgabe 32 - 31. März 2006
Ausgabe 31 - 16. März 2006
Ausgabe 30 - 06. Februar 2006
Ausgabe 29 - 14. Januar 2006
Ausgabe 28 - 19. November 2005
Ausgabe 27 - 19. Oktober 2005
Ausgabe 26 - 22. September 2005
Ausstellung - Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma
Ausgabe 25 - 25. August 2005
Ausgabe 24 - 12. Juli 2005
african kick - das etwas andere Fußballturnier
Ausgabe 22 - 19. Mai 2005
Ausgabe 21 - 29 März 2005
Ausgabe 20 - 16 Februar 2005
Ausgabe 19 - 17 Januar 2005
Archiv
Das Internetportal für Dessau und Umgebung
Veranstaltungtips
Die Chronik >Sagt nicht, Ihr hättet von nichts gewußt!<

„Die Anwesenheit dieser Nazis hat zur Festigung des Antisemitismus in den arabischen Ländern beigetragen“

Vortrag „Das Verhältnis der extremen Rechten zu islamistischen Gruppen“ mit Jan Riebe im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus




Dass deutsche Neonazis und die NPD ihre Liebe zum Iran und anderen staatsantisemitischen Regimen und islamistischen Gruppen entdeckt haben, verwundert kaum. Was sie eint - und hin und wieder kampagnenartig zusammenarbeiten lässt - ist ihr krankhafter Hass auf die Juden und den Staat Israel.

Jan Riebe aus Göttingen, der zum Thema „Im Spannungsfeld von Rassismus und Antisemitismus: Das Verhältnis der deutschen extremen Rechten zu islamistischen Gruppen“ vor einiger Zeit seine Diplomarbeit geschrieben hat, weis worüber er redet. Der Experte hielt am 06. Dezember 2006 seinen gleichnamigen Vortrag im Alternativen Jugendzentrum Dessau, eine Veranstaltung die im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus (mehr dazu hier...) stattfand.

Die gefährliche Allianz von Rechtsextremisten, Neonazis und islamistischen Gruppen ist eine, die von einem ambivalenten Verhältnis geprägt und von Brüchen und Widersprüchen gekennzeichnet ist. Einerseits gibt es die politische Zusammenarbeit, andererseits würde der Rassismus der Rechten, der eine Überfremdungsangst konstruiert die auch den Islam mit einschließt, einer kontinuierlichen Kooperation noch Grenzen setzten. So gab es die Pro-Iran-Kampagne der NPD und neonazistischer Kameradschaften im Zuge der Weltmeisterschaften. Auch die vom iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad am 11. und 12. Dezember 2006 initiierte Holocaust-Konferenz wurde von deutschen Rechtsextremisten, so weit ihnen nicht der Reisepass abgenommen wurde, besucht. Der NPD-Bundesvorstand war von den iranischen Gastbebern explizit eingeladen worden. 

Die rassistische „Gute Heimreise“-Kampagne der NPD vor den letzten Bundestagswahlen, die ganz klar unter einem ethnopluralistischen Vorzeichen das Feindbild Islam bedient, sei vordergründig allerdings nicht sonderlich geeignet, ideologische Gemeinsamkeiten wie den Antisemitismus und den Hass auf den Westen respektive die Moderne, tatsächlich in eine stabile Kooperation münden zu lassen.

Wir können uns dem Thema nicht nähern, ohne auf die Geschichte zu schauen“, so Jan Riebe zur politischen Liaison der Nationalsozialisten mit dem Islamismus. Die Schlüsselfigur für diese war der Mufti von Jerusalem, Amin el-Husseini, der dieses Amt von 1921-1974 ausübte. Amin el-Husseini, der von 1941-1945 in Berlin residierte, machte nie einen Hehl aus seiner offenen Symphathie zu den Nazis. Mehr noch, er unterstützte diese politisch, ideologisch und militärisch und bekam im Gegenzug Schützenhilfe für seine antisemitisches Gewaltregime im Nahen Osten. Das erklärte Ziel des politischen und religiösen Führers des palästinensischen Nationalismus bestand darin, eine weitere jüdische Einwanderung in das britisch kontrollierte Mandatsgebiet zu verhindern. Dazu war ihm jedes Mittel recht. Amin el-Husseini, der aus Angst vor einer Festnahme durch die Briten in den Libanon emigrierte und später in den Irak flüchtete, traf sich schon lange vor seiner Übersiedlung nach Berlin mit führenden NS-Größen. So unterhielt er sich u.a. mit Adolf Eichmann, dem späteren Organisator der Judenvernichtung und wohnte einem Übungsschießen der SS bei. Laut Simon Wiesental, besuchte der Mufti zusammen mir Eichmann das deutsche Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, um sich von der Effizienz des Massenmordes zu überzeugen. Auch mit Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, verbannt ihn ein kollegiales Verhältnis. Später traf er sich mehrmals mit Heinrich Himmler. Vor allem Himmler verband eine diffuse Liebe zum Islam, bezeichnet er ihn doch „als Religion, die eines Soldaten würdig ist“. Himmler, so führte Jan Riebe weiter aus, habe die Muslime zu den „in Europa rassisch wertvollen Völkern“ erklärt. Nicht zuletzt wegen gemeinsamen Feindbildern: Dem Bolschewismus, dem internationalen Judentum und dem Katholizismus.

Der Mufti von Jerusalem leitete und koordinierte maßgeblich den Terror gegen jüdische Einwohner Palästinas, der später zynisch als „palästinensischer Volksaufstand“ oder „Guerilla-Krieg“ bezeichnet werden sollte. Die Nationalsozialisten unterstützten diese antisemitische Gewaltwelle durch Waffenlieferungen. Ende 1941 konferierte Amin el-Husseini in Berlin mit Hitler, um über die totale Vernichtung der Juden zu sprechen. Seine Hauptsorge galt der Gefahr, Juden könnten der Shoa entkommen: 4.000 jüdische Kinder, die freikommen sollten, schickte man auf seine Veranlassung in den Tod. Der Mufti überwachte auch die Gründung der muslimischen Bosniaken SS-Divison und baute ein antisemitisches Propaganda- und Spionagenetz auf. Über sechs Radiostationen, den so genannten „Freedom Stations“, blies er im nahen Osten zum Kampf gegen die Alliierten und rief dazu auf, „alle Juden zu töten“. Insbesondere nach der Neugründung des „Islamischen Zentralinstituts“ am 18. Dezember 1942 in Berlin, intensivierte sich die Zusammenarbeit mit dem NS-Regime nochmals. Das Institut bildete arabische Agenten aus, die für Deutschland und gegen die Alliierten tätig waren. „In England und den USA herrschen die Juden“, so der Mufti damals.

Mit der wohl wichtigsten Gruppierung des politischen Islamismus, der 1928 in Ägypten gegründeten „Muslimbruderschaft“, verband Amin el-Husseini ebenfalls eine innige Beziehung. Das Terrornetzwerk Al Kaida wurde von dieser Vereinigung inspirierte und versteht sich als Teil der „Muslimbruderschaft“. Die Bezüge zur aktuellen Weltlage, sind also mehr als offensichtlich. Die Muslimbrüder waren es, die sich maßgeblich für ein Aufenthaltsrecht des Muftis, der in Europa von den Alliierten nur halbherzig als Kriegsverbrecher verfolgte wurde, in Ägypten einsetzten. 1947 hatten sie Amin el-Husseini zum offiziellen Führer der Muslimbrüder in Palästina gekürt.

Der Mufti blieb bis 1974, als er starb, von der Nazi-Variante des Antizionismus besessen. Er stand als Pate und Finanzier hinter der 1959 gegründeten Fatah und setzte 1968 Jassir Arafat inoffiziell als seinen Nachfolger ein: „Amin el-Husseini hatte den Eindruck, dass Arafat der richtige Führer für die palästinensische Nation war. Er fand, er sei fähig, die Verantwortung zu tragen.“

Bald nach dem 2. Weltkrieg traf er die alte Bande wieder“, beschreibt Jan Riebe den nach 1945 nicht abgebrochenen Kontakt des Muftis zu NS-Tätern. Mehr als 1000 Nazis ist es gelungen, in arabische Länder zu flüchten. Dort bauten sie als Experten u.a. die arabischen Armeen mit auf, die wenig später den jungen Staat Israel überfielen. „Die Anwesenheit dieser Nazis hat zur Festigung des Antisemitismus in den arabischen Ländern beigetragen“, resümiert der Referent aus Göttingen. Das sei eine der Ursachen, warum der Revisionismus und die damit verbundene Leugnung des Holocaust in der arabischen Welt so weit verbreitet sind.

Rechtsextremisten aus Deutschland und Europa bemühten sich insbesondere in den letzten 20 Jahren intensiver darum, konkrete Politikangebote an Islamisten im Nahen Osten und deren hier aktiven Stellvertreter zu machen. 

So war es der 1992 nach Spanien geflohene österreichische Neonazi Gerd Honsik, der 1986 die Richtung für eine Zusammenarbeit vorgab. In seinem „Aufruf an die arabische Welt“ hieß es programmatisch: "Die Entlarvung der Judenvergasung als dem größten Propagandaschwindel der Weltgeschichte [...] wäre heute für zwei Nationen von ungeheurer Wichtigkeit! Für das deutsche Volk, um aus der Versklavung zu erwachen, und für die arabische Welt, um Israels Aggressionskraft dort zu erschüttern, wo diese Kraft tatsächlich entspringt. Nämlich in der Sympathie und dem Mitleid, die das verführte amerikanische Volk seinen zionistischen Beherrschern entgegenbringt."

Honsik bat die "arabische Welt, uns mit Geld zu unterstützen, damit wir der amerikanischen Propagandalüge von der 'Judenvergasung' ein Ende bereiten können". Außerdem wäre es für arabische Nationalisten „nun an der Zeit, erstmals seit Kriegsende auch den Kontakt zu deutschen und österreichischen Rechtsextremisten aufzunehmen“. Bezeichnenderweise
wurde dieser Aufruf von der kuwaitischen Zeitung /Al-Balagh/ veröffentlicht.


Auch Horst Mahler ist der Meinung, „das uns  Ahmadinedschad sehr geholfen hat“.

Im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg und der israelischen Militäraktion gegen die terroristische Hizbollah im Libanon, meldete rechtsextrem Kameradschaften und die NPD zahlreiche Demonstrationen und Mahnwachen an. Diese pro-islamischen Manifestationen waren neben  dem Antisemitismus als Hauptmotivation, meist eingebettet in eine simplifizierte  und gleichzeitig antisemitisch tradierte Kritik an der Globalisierung und  in einem offen zur Schau getragenen Anti-Amerikanismus. Oftmals beteiligten sich an diesen Veranstaltungen neben Friedensbewegten auch islamistische Gruppen. Letztere riefen in Einzelfälle gar separat zur Teilnahme auf.

Dass die Solidarität von Rechts sich auf alle Ebenen des „palästinensischen Befreiungskampf“ bezieht, belegt die Unterstützungskampagne für den deutschen Islamisten Steven Smyrek durch die rechtsextreme „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene“ (HNG). Smyrek war 1997 in Israel unter dem Verdacht, ein Selbstmordattentat im Auftrag der islamistischen Terrorgruppe „Hizbollah“ verüben zu wollen, verhaftet worden. In den Worten der HNG heißt das dann, ihm würde vorgeworfen, „sich als Deutscher am Befreiungskampf des palästinensischen Volkes beteiligt zu haben“. Smyrek ist damals von der deutschen Regierung unter Vermittlung des damaligen Außenministers Joschka Fischer freigekauft worden. Fischer hat ausgehandelt, dass Smyrek und hunderte Hizbollahkämpfer aus israelischen Gefängnissen kamen - im Gegenzug wurden zwei Leichen von israelischen Soldaten von der Hizbollah an Israel übergeben.

Als ein Grundsatzpapier der rechtsextremen Kameradschaften zu Bewertung einer möglichen Kooperation mit Islamisten, kann eine Rede mit dem Titel „Ist der Feind meiner Feinde mein Freund“ gelten, die drei Tage vor Beginn des Irakkrieges auf dem Neonaziportal „Freier Widerstand“ publiziert wurde. Jan Riebe hat sie als Hörbeispiel dabei.

Dort heißt es u.a.: „(...) so muss man sich fragen, ob z.B. radikale Islamisten von vornherein abzulehnen sind, ohne sich großartig mit ihnen bzw. mit ihren Forderungen beschäftigt zu haben. Und genau das machen leider viele. Wenn man bedenkt das in Syrien nach dem Koran, "Mein Kampf" das meistverkaufte Buch ist, das in syrischen Schulbüchern eine gewisse Lüge entlarvt wird, dann frage ich mich wirklich, ob diese Leute nicht gute Partner für uns sind. Die "Protokolle der Weisen von Zion" verbreiten sich in der arabischen Welt momentan wie ein Feuer. NS- Literatur und revisionistische Schriften sind in fast jeder arabischen Buchhandlung zu finden. Doch so sieht es in der arabischen Welt aus. (...)“

Weiter wird von den Neonazis analysiert: „(...) Außenpolitisch ist der Islam ein Bündnispartner eines freien Deutschlands. Im Irak-Krieg werden wohl die meisten arabischen Staaten kuschen, da sie ökonomisch von den USA abhängig sind. In der normalen Bevölkerung, besonders in der streng islamischen Bevölkerung, ist jedoch der Unwille, den "großen Bruder" und seinen Kulturimperialismus unwidersprochen hinzunehmen stark verbreitet. Zahlreiche Anti- US- Demonstrationen zeigen das. Sie zeigen, dass unter den Arabern ein hitziges, militantes Gewaltdenken grassiert. Durch einen Irak- Krieg können terroristische Aktivitäten auf die USA freigesetzt werden. Wenn der "Moloch" verschwinden soll, bzw. den USA klargemacht werden soll, dass sie sich ihrer isolationistischen Strömung hingeben sollen, dann sind islamistische Fundamentalisten, die besten Bündnispartner, die sich ein freies Europa vorstellen kann. (...)“

Der Kameradschafts-Aktivist kommt schließlich zum Resümee: „Abschließend ist noch zu erwähnen, dass sich Nationalisten solidarisch mit den in Deutschland lebenden Arabern zeigen sollten und weiter den Kontakt zu unseren arabischen Brüdern im Kampfe suchen sollten, um die NS- Revolution und den Jihad voranzutreiben.“

Jan Riebe fasst zusammen. Auch wenn von einer flächendeckenden und nachhaltigen Kooperation zwischen der deutschen extremen Rechten und dem Islamismus noch keine Rede sein kann, könnte eine Verharmlosung dieser zweifellos vorhandenen Tendenz katastrophale Folgen haben. Da die ideologischen Schnittmengen beider demokratiefeindlichen politischen Strömungen, insbesondere das geschlossene und wahnhafte antisemitische Weltbild und der Hass auf den Westen, sich in Zukunft wohl eher verstärken und damit annähern werden, muss hier genau hin geschaut  und vor allem die Öffentlichkeit sensibilisiert werden.

Buchtitel:
Im Spannungsfeld zwischen Rassismus und Antisemitismus - Das Verhältnis der deutschen extremen Rechten zu islamistischen Gruppen (Pappband),
139 Seiten,
Diplomica-Verlag,
2003,
ISBN: 3832468587

verantwortlich für den Artikel:
Steffen Andersch
Projekt gegenPart
Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Tel./Fax: 0340/ 26 60 21 3
projektgegenpart@gmx.net
www.projektgegenpart.org

News

 

projektgegenpart ist umgezogen

 

weiter...

3. Workshop für Bürgerbündnisse und lokale Akteure: "Vor Ort aktiv gegen Rechtsextremismus – gemeinsam oder einsam?"

weiter...

Amtsgericht Burg: Rechte Schläger wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt

weiter...

Neues von der Kampagne "Kein Bock auf Nazis"

weiter...

Verlegung der ersten Stolpersteine am 19. Mai 2008 in Dessau-Roßlau

weiter...

1708 Opfer rechter Gewalt in Ostdeutschland

weiter...

Spendenaufruf für Zeitzeugenarchiv

weiter...

gemeinsamer Spendenaufruf für Oury Jalloh

weiter...






Augen Auf! > Ausgabe 40 - 23. Dezember 2006