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Thementag gegen Rechtsextremismus an der Fachhochschule Anhalt in Köthen war erfolgreich

"Diese Frage ist mutig und sie relativiert nicht"




Nicht nur die Veranstalter um das Köthener Netzwerk für Demokratie und Toleranz, das Multikulturelle Zentrum in Dessau und die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt waren über die Resonanz, auf die der Thementag „Wie ist eine nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus möglich?“ am 8. Juni in der Fachhochschule Anhalt stieß, überrascht. Bereits zur Eröffnung reichten die Plätze im ausgewiesenen Saal der Hochschule nicht aus, viele der 100 Gäste mussten so die Begrüßungsworte der Ehrengäste auf dem Flur verfolgen.



Trauriger Anlass gerade zu diesem Zeitpunkt und gerade in Köthen eine solche Veranstaltung ins Leben zu rufen, war eine rechtsextreme und fremdenfeindliche Übergriffsserie auf ausländische Studenten im Januar und Februar diesen Jahres (mehr dazu hier...).

Diese Frage ist mutig und sie relativiert nicht“, ging Achim Bürig, Ausländerbeauftragter des Landes Sachsen-Anhalt, zu Beginn seines Grußwortes auf die Wahl des Themas ein. Bürig betonte ausdrücklich, dass er nicht die oft gehörte Einschätzung teile, es gehe hier um „Einzeltäter“. Er verwahrte sich auch dagegen, AkteurInnen die öffentlich eine Sensibilisierung gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit einforderten, als „Nestbeschmutzer“ zu bezeichnen.


Sven Gratzik, Leiter des Staatsschutzes in der Polizeidirektion Dessau

Der Oberbürgermeister Köthens, Kurt-Jürgen Zander, betonte in seiner Rede, dass er zu denjenigen gehört, die Rechtextremismus nicht verharmlosen würden. „So geht man nicht mit Gästen um“, fand er klare Worte zu den neuerlichen Übergriffen in der Bach-Stadt. Er forderte ein, dass die Täter schnell und hart bestraft werden müssten, analysierte aber auch, dass „Köthen keine rechte Hochburg ist“. Gerade diese Interpretation, dass sollte der weitere Verlauf des Thementages zeigen, stieß aber auf Widerspruch. Obwohl Kurt-Jürgen Zander zu Beginn seines nächsten Gedankens anführte, dass es ihm nicht um Medienschelte gehe, sahen einige Anwesenden die kommenden Ausführungen sehr kritisch. Der Oberbürgermeister appellierte an die Verantwortung der Medien: „Nicht jeder Vorfall mit einem Deutschen und einem Ausländer hat einen rassistischen Hintergrund“. So wichtig eine differenzierte Berichterstattung auch ist, da waren sich viele Beobachter einig, so wichtig ist es auch, rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Gewalttaten und Propagandadelikte beim Namen zu nennen. Dass hier, auch und gerade bei den lokalen und regionalen Medien Sachsen-Anhalts, in den letzten Monaten ein verstärkter Sensibilisierungsprozess eingesetzt hat, so viele Diskussionen am Rande der Veranstaltung, sei positiv zu bewerten. Zander unterstrich zum Abschluss seine ganz persönliche Zusage, Intoleranz und Demokratiefeindlichkeit zu ächten: „Ich würde mich jederzeit an die Spitze der Bewegung stellen“.


Marco Steckel leitet die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt

Der Vizepräsident der Hochschule Anhalt, Prof. Rudolf Lückmann, komplettierte die Eröffnungsworte. „Nicht die Glatzen sind das Problem, sondern der intellektuelle Flügel“, warnte er vor dem Erstarken rechtsextremer Einstellungen und Ideologien im akademischen Bereich. Zu den Aktivitäten der so genannten „Neuen Rechten“, zum Beispiel im Umfeld der Zeitschrift „Junge Freiheit“, sah Lückmann historische Parallelen: „Auch viele NS-Verbrecher hatten einen Doktortitel.“ Der Wissenschaftler sah im Sozialdarwinismus, also der Übertragung der Abstammungslehre auf die Sozialisation von Menschen, eine Hauptquelle von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Dabei bestehe überhaupt kein Zweifel daran, dass „wir biologisch alle eine Art“ sind, so Lückmann weiter. In der Fachhochschule Anhalt gäbe es einige Projekte, die unter der Prämisse „Hilfe zur Selbsthilfe“ liefen. So würden deutsche StudentInnen ausländischen KommilitonInnen bei der Bewältigung ganz praktischer Fragen zur Seite stehen. Im Zusammenhang mit dem Wahlkampf der rechtsextremen DVU zur diesjährigen Landtagswahl berichtete er, dass vor dem FH-Standort in Dessau oftmals Plakate entfernt worden seien: „Da habe ich mich über jeden Rechtsbruch gefreut“.

In seinem Impulsreferat ging John Greene, Leiter des Antidiskriminierungsbüros Sachsen-Anhalt und praktizierender Psychotherapeut in Dessau, vor allem auf die Aspekte der Zivilcourage aus psychoanalytischer und soziologischer Sicht ein. Die deutsche Identität und das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht sein da sehr hinderlich: „In Amerika hat man mit jeder Einwanderungswelle einfach die Definition erweitert, wer Amerikaner ist“. In Deutschland dagegen, sei alles eine Frage der Abstammung. Zivilcourage können nicht ohne eine gesamtgesellschaftliche Bewegung und ein entsprechenden Problembewusstsein existieren. Beides sieht Greene in der Bundesrepublik im allgemeinen und im Osten im Speziellen zur Zeit nur sehr randständig ausgeprägt.

Die Vorträge und Diskussionsbeiträge in den anschließenden Workshops informierten dann über die Verfasstheit der organisierten rechtsextremen Szene in Köthen, gaben einen Einblick in die Opferperspektive und stellten exemplarisch mögliche Projekte mit Bildungs- und Präventionscharakter an Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen vor. Sven Gratzik, Leiter der Staatsschutzabteilung in der Polizeidirektion (PD) Dessau, widersprach in seinen Ausführungen der Einschätzung des Köthener Oberbürgermeisters. Mit insgesamt 18 rechtsextrem oder fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten liege der Landkreis an der Spitze im Zuständigkeitsbereich der PD. Für Marco Steckel, von der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt in Dessau, waren auch dies neue und erschreckende Zahlen. Bisher hatte er von 16 Gewaltdelikten Kenntnis gehabt. Der Leiter des Projekts gegenPart aus Dessau, Steffen Andersch, schätze ein, dass der Landkreis Köthen damit „die Statistik in Sachsen-Anhalt anführt“.


Steffen Kulow, Netzwerk für Demokratie und Courage, stellt Projekttage an Schule vor


rechtsextreme Gewalttaten im Landkreis Köthen

Die abschließende Podiumsdiskussion griff erneut das Motto des Thementages auf. Bemerkenswert waren hier vor allem die Statements von Thomas Brockmeier, dem Geschäftsführer der IHK Halle-Dessau. Bemerkenswert deshalb, weil er sich überhaupt nicht so äußerte, wie man es von einem idealtypischen Vertreter der Wirtschaft allgemein hin erwarten könne. Brockmeier plädierte dafür, die Standortfrage und den tatsächlichen oder vermeintlichen Imageschaden in Zusammenhang mit rechtsextremen Gewalttaten nur als Argument in die Debatte zu werfen, wenn man dezidiert danach gefragt werden würde. Allein aus einem unteilbaren Humanismus heraus gelte es, diese Taten zu verurteilen und Zivilcourage zu zeigen. Und das diese nicht erst bei den großen Heldentaten anfängt, belegte er an einem praktischen Beispiel aus seinem Alltag. Als Bahnreisender wäre es ihm nicht nur einmal untergekommen, dass in einen Abteil der Schaffner nur bei Menschen mit offensichtlichen Migrationshintergrund die Fahrkarten kontrolliert hätte. Auch dies sei eine offene Form von Diskriminierung. Wenn er sich dann einmische, nehme er um so erstaunter die zumeist negativen Reaktion der anderen Mitreisenden und des Bahnpersonals auf sein Handeln zur Kenntnis. „Damit fängt im Grunde alles an“, so Brockmeier. Im Podiumsgespräch stellte er einen begrifflichen Standard im zivilgesellschaftlichen Bereich grundsätzlich in Frage: „Wir sollten hier nicht mehr von Toleranz reden.“ Tolerieren hieße auch immer, etwas zu müssen. Man gerate dann schnell in einen Rechtfertigungszwang. Doch das engagierte Eingreifen, so die Quintessenz seines Plädoyers, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

verantwortlich für den Artikel:
Steffen Andersch
Projekt gegenPart
Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Tel./Fax: 0340/ 26 60 21 3
web: www.projektgegenpart.org

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