Ärztekammer Sachsen-Anhalt beantwortet Offenen Brief zu den Äußerungen eines Dessauer Mediziners im Fall Oury Jalloh
Verband sieht keinen rassistischen Gehalt in den Telefonmitschnitten
Am 18. Juli 2005 baten der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt, die Beratungstelle für Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten Dessau und die Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus die Ärztekammer Sachsen-Anhalt in einem Offenen Brief , zu den Äußerungen eines Dessauer Mediziners im Fall Oury Jalloh Stellung zu beziehen. Am 26. Juli 2005 reagierte der Verband auf dieses Anliegen. Im Folgenden dokumentieren wir dieses Schreiben:
Vorwurf des Rassismus gegen Herrn Dipl.-Med. August C. (Name von der Redaktion geändert), Dessau hier: Offener Brief vom 18.07.2005
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Ärztekammer Sachsen-Anhalt ist sich mit Ihnen darin einig, dass rassistische Äußerungen jedweder Art verwerflich sind und sieht wie Sie die Notwendigkeit, Verstößen dieser Art konsequent entgegenzutreten. Diese bereits vom allgemeinen Recht und vom Anstand geforderte Grundhaltung wird auch durch § 7 Abs. 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt gefordert, wonach jede medizinische Behandlung unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte des Patienten, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen hat. Im Rahmen der uns gesetzlich übertragenen Berufsaufsicht über unsere Mitglieder haben wir die vom Spiegel Nr. 23 aus 2005 wiedergegebenen und unstreitigen Äußerungen des Herrn Dipl.-Med. August C. geprüft und kommen zu folgender Bewertung:
Nach unserer Auffassung muss bei dem beanstandeten Gespräch zwischen äußerer Form und sachlichem Inhalt unterschieden werden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das Frage- und Antwortspiel ausgesprochen salopp und derb geführt worden ist, offenbar, wie die Duzform beweist, zwischen einem Polizeibeamten und dem Arzt, die in Fällen dieser Art bereits oft zusammengearbeitet haben und einen burschikosen Umgangston pflegen. Der von dem Polizisten formulierte Satz: „Ja, pikste mal 'nen Schwarzafrikaner” stößt nicht so sehr durch die Wahl des Begriffes „Schwarzafrikaner” – Schwarzafrika und Schwarzafrikaner sind auch in der politisch korrekten Sprache nicht zu beanstanden, wohl aber befremdet der Satz in seiner Gesamtwirkung, weil er den Eindruck vermittelt, als sei die Blutabnahme bei einem Schwarzafrikaner („pikste mal") von nicht Ernst zu nehmender Beiläufigkeit.
Diese unangemessene Wortwahl verdeckt die Tatsache, dass der Hinweis, der Arzt werde es mit einem Gefangenen schwarzer Hautfarbe zu tun haben, für den Arzt durchaus wichtig war. Bezeichnenderweise hat Herr Dipl.-Med. C. mit seiner Bemerkung: „Da finde ich immer keine Vene bei den Dunkelhäutigen”, auf eine objektive Schwierigkeit hingewiesen. Seine verbale Entgleisung „Ach du Scheiße”, wird daher nicht als rassistischer Reflex gesehen werden können, sondern als Ausruf der Überraschung, dass die von ihm erwartete Blutentnahme sich schwieriger gestalten könnte als bei hellhäutigen Patienten.
Sprachästheten würde es zweifellos gelingen, das Gefühl des Überraschtseins weniger krass auszudrücken, dennoch darf es nicht verwundern, dass sich ein Arzt im – wohlgemerkt vertraulichen – Gespräch einer Diktion bedient, die jedem Fernsehzuschauer aus den jugendfreien Abendprogrammen selbst öffentlich rechtlicher Sender geläufig ist. Wenn es Fernsehautoren gestattet ist, sich der Fäkalsprache zu bedienen, weil sie anders vermeintlich keine drehbuchreifen Texte liefern können, kann die Ärztekammer ihre Mitglieder nicht berufsrechtlich verpflichten, sich auf das züchtige Vokabular höherer Töchterschulen im vertraulichen Gespräch zu beschränken.
Die öffentliche Auseinandersetzung über den vom Spiegel veröffentlichen Wortwechsel zeigt allerdings, wie notwendig es ist, dass Ärzte sich auch im vertraulichen Telefonkontakt einer Wortwahl befleißigen, die peinliche Missverständnisse vermeidet, zumal dieser Fall beweist, dass § 201 StGB es offenbar nicht vermag, die Vertraulichkeit des Wortes ausreichend zu schützen. Wir haben uns davon überzeugt, dass Herr Dipl.-Med. August C. keine rassistischen Auffassungen vertritt. Wörtlich hat der Arzt uns erklärt: „Es tut mir leid, wenn ich in irgendeiner Weise mit dieser Antwort eine falsche Assoziation vermittelt haben sollte. Ich habe dies aus rein medizinischer Sicht getätigt, da es nun mal deutlich schwieriger ist, Venen auf dunkler Haut ausfindig zu machen. Einen Hintergedanken bei dieser Äußerung habe ich und werde ich auch in Zukunft nicht haben.”
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. F.-W. Onnasch
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