„Wer schon mit seinen Nachbarn nicht leben kann, der wird es mit Fremden schwer haben“
Die Eröffnung der interkulturellen Woche 2005 an der Dessauer Friedensglocke – eine Nachbetrachtung
„Lassen sie sich vom Programm überraschen“, mit diesen Worten eröffnete Joachim Landgraf, Verwaltungsdirektor des Anhaltisches Theaters , am 23. September die Interkulturelle Woche 2005 in Dessau und moderierte darüber hinaus gekonnt durch den weiteren Tag. Insgesamt 20 AkteurInnen, Initiativen und Vereine beteiligten sich in diesem Jahr mit Veranstaltungen, Diskussionsrunden, Kulturprogrammen und Workshops an dem Event. Der Standort Friedensglocke, da waren sich die meisten Gäste und OrganisatorInnen einig, war ein ausgesprochene Glücksgriff. Dies unterstrich nicht zuletzt die große Publikumsresonanz.
Moderator Joachim Landgraf
Frank Hoffmann, seines Zeichens stellvertretender Vorsitzender des Stadtrates, betonte in seinem Grußwort, dass es genau 50 Jahre her sei, dass die Bundesrepublik GastarbeiterInnen ins Land holte. In Hinblick auf Dessau sprach er davon, dass die Stadt gerade im Bereich der Integrationsarbeit, immer wieder in die Negativschlagzeilen geraten würde. Auch wenn Hoffman keinen konkreten Fall benannte, konnten sich viele Anwesenden der Interpretation nicht erwehren, dass hier zweifellos der Tod Oury Jallohs am 07. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle gemeint sein könnte. In Dessau, so der PDS.Linkspartei-Politiker weiter, gäbe es 2000 ausländische MitbürgerInnen, darunter 200 EU-BürgerInnen , 200 Menschen aus den GUS-Staaten , 200 ehemalige VertragsarbeiterInnen aus Vietnam und 300 Flüchtlinge mit arabischen Migrationshintergrund. Zum Abschluss seines Statements brachte er die Hoffnung zum Ausdruck, dass solche Veranstaltungen mithelfen könnten, dass bei den nächsten Wahlen nicht wieder 1000 DessauerInnen, wie zu den Bundestagswahlen am 18. September geschehen, rechts wählen würden.
Frank Hoffmann bei seinem Grußwort
Klemens Koschig, Bürgermeister der Stadt Roßlau, ging in seinem Beitrag vor allem auf historische Zusammenhänge ein: „Gerade die Friedensglocke mahnt vor Selbstüberschätzung, Intoleranz, Diskriminierungen und allen Wirrungen, die uns der Nationalsozialismus brachte.“, brachte der Kommunalpolitiker seine Analyse auf den Punkt. Eigentlich, so Koschig weiter, sollte das Zusammenleben an sich kein Problem sein: „Dass ist schlicht ein Standard der Zivilisation“. Dass man in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit, und auch in der Realität Dessaus, von diesem hehren Ziel doch noch einiges entfernt sei, konnte Koschig nicht verhehlen: „Wer schon mit seinen Nachbarn nicht leben kann, der wird es mit Fremden schwer haben.“. Zum Ende betonte er noch einmal eindringlich , dass schließlich der Hass und der Verlust der Intelligenz in den 1930iger Jahren, zur Zerstörung der Stadt Dessau geführt hat.