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"Deshalb gibt es nun ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage gegen die Polizeibeamtin"

öffentliches Hearing im Fall Oury Jalloh fand in Dessau statt




Nicht nur die Veranstalter um die Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt Dessau, dem Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt und der Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus waren über den großen Zuspruch, den dass öffentliche Hearing „Chronologie einer Menschenverbrennung“ zum Fall Oury Jalloh am 05. August 2005 fand, positiv überrascht. Oury Jalloh verbrannte am 07. Januar 2005 in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers. Unter den 100 Interessierten waren sehr viele Leute aus der afrikanischen Community Dessaus und der Umgebung. Darüber hinaus konnte der Moderator Marco Steckel (Opferberatung) u. a. Bernward Rothe, den innenpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Petra Sitte, Landtagsabgeordnete und die sachsen-anhaltinische Spitzenkandidatin der Linkspartei/PDS zur Bundestagswahl und den Ausländerbeauftragen des Landes, Achim Büring, begrüßen.

Der inhaltliche Schwerpunkt des Hearings bestand darin, aus der Sicht der Nebenklage den Fall Oury Jalloh zu rekapitulieren und eine Chronologie der Ereignisse zu rekonstruieren. Der Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräf, der die Schwester Oury Jallohs vertritt, skizzierte in seinen Ausführungen den Stand der bisherigen Ermittlungen. Klinggräf kam in seinem Vortrag schnell zu dem Polizeibeamten, der für die Durchsuchung Oury Jallohs verantwortlich zeichnete. In seinen Aussagen soll er berichtet haben, dass er die Visitation minutiös durchgeführt habe und dabei sogar das Innenfutter der Hose begutachtet habe. Ein Feuerzeug habe er dabei jedoch nicht gefunden. Die Version der Staatsanwaltschaft, so Klinggräf weiter, begründe sich im wesentlichen auf eine Aussage einer Polizeibeamtin, die am 07. Januar in der Zentrale des Reviers Dienst hatte. Während sie in ihrer ersten Aussage den Dienstgruppenleiter und den durchsuchenden Beamten schwer belastete, nahm sie in einer zweiten Vernehmungen diese Einlassungen zum Teil zurück. Die zweite Vernehmung hätte zudem ungewöhnlicherweise im Beisein der zwei belasteten Beamten und ihrer Anwälte stattgefunden. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft ist offensichtlich gewillt, der ersten Version Glauben zu schenken. Klinggräf überraschte die Anwesenden im weiteren Verlauf des Hearings mit einer neuen Information: „Deshalb gebe es nun ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage gegen die Polizeibeamtin“. Gegen den Dienstgruppenleiter hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge als Unterlassungsdelikt erhoben. Ihm wird u. a. vorgeworfen, einen Alarm aus der Zelle ignoriert zu haben. Gegen den anderen Beamten lautet die Anklage auf fährlässige Tötung, ebenfalls als Unterlassungsdelikt.

Der Anwalt beschrieb das Anklagekonstrukt der Staatsanwaltschaft in mehreren Schritten. In der ersten Annahme wird davon ausgegangen, das Oury Jalloh zum Zeitpunkt seiner Fixierung, er wurde an Händen und Füßen am Bett gefesselt, ein Feuerzeug besaß. In der zweiten Säulen wird angenommen, dass er trotz seines hochgradigen Alkoholgenusses und der Fixierung in der Lage gewesen wäre, mittels den Feuerzeuges einen Brand zu legen. Schließlich wir davon ausgegangen, dass das spätere Brandopfer den feuerfesten Überzug der Matratze so beschädigt hätte, dass der brennbare Füllstoff zum Vorschein gekommen wäre und letztlich Feuer gefangen hätte. Die Reinigungskraft, so fuhr Klinggräf fort, hatte nämlich zu Protokoll gegeben, dass sie vor dem Brand keine sichtbare Beschädigung des Überzuges festgestellt hätte. Die Staatsanwaltschaft gehe weiter hin davon aus, dass sich das Feuer mit rasender Geschwindigkeit ausgebreitet hätte.

Als zweite Referentin des Abends, äußerte sich die Berliner Nebenklageanwältin Regina Götz zu den Ereignissen des 07. Januar 2005. Sie fand so einiges an der Ermittlungsakte „bemerkenswert“. Oury Jalloh wurde deshalb in das Polizeirevier verbracht, weil er angeblich Frauen belästigt haben sollte. Die Anwältin warf in diesen Zusammenhang die Frage in den Raum, in wie weit eine Eskalation in der Festnahmesituation nur von dem späteren Opfer ausging. Die Begründung der Verbringung auf das Revier lautet lapidar: „Feststellung der Identität“. Dabei trug Oury Jalloh am 07. Januar seine Duldungspapiere bei sich, doch angeblich wäre das Geburtsdatum auf diesen nicht zu lesen gewesen. Regina Götz bemängelte, dass die Beamten im weiteren Verlauf der Gewahrsamsnahme offensichtlich „nicht sonderlich interessiert daran waren, die Identität zu ermitteln“. „Das eine Fixierung bei einem so stark betrunkenen Menschen nicht regelmäßig und permanent überprüft wird, um den Zustand des Betroffenen zu untersuchen, ist nicht nachvollziehbar“, äußerte Götz ihr Unverständnis über die Zustände im Dessauer Polizeirevier. Schließlich bestehe in solchen Fällen immer die Gefahr, dass der Betroffene an seinem eigenen Erbrochenen ersticken könne. Eine akustische Überwachung, die zudem noch nicht einmal die Differenzierung von Tönen erlaube, könne da wohl kaum ausreichend sein. Auch die Frage, warum auf den Alarm nicht schneller reagiert wurde, warf die Anwältin auf. Laut einem Test der Staatsanwaltschaft wäre es möglich gewesen, innerhalb von 57 Sekunden in der Zelle zu sein und in einer Gesamtzeit von 1:53 min die Fixierung zu lösen. Auch der exorbitante Alkoholkonsum Oury Jallohs beschäftige nochmals die Anwesenden. Ein Gutachter, so die Berliner Anwältin, sei zu dem Schluss gekommen, dass jemand mit einem solch hohen Blutalkoholspiegel zu einer ziel gerichteten Handlung nicht mehr in der Lage gewesen wäre.

Die von der Nebenklage beantragte zweite Obduktion, die die Staatsanwaltschaft ablehnte, brachte zu Tage, dass das Nasenbein Oury Jallohs gebrochen war. Der Bruch könne laut Ergebnis dieser Untersuchung auf stumpfe Gewalteinwirkung zurück zu führen sein. Ob in diesem Zusammenhang auch eine Ohnmacht des Betroffenen wahrscheinlich war, konnte die Sektion leider nicht klären. Allerdings kommt auch diese Untersuchung zu dem Schluss, dass die Todesursache auf extreme Hitzeeinwirkung zurück geführt werden könne.

Ulrich von Klinggräf ging aus seiner Sicht noch auf ein weiteres Vorfall im Zusammenhang mit dem Löscheinsatz der Feuerwehr ein: „Es ist ein Skandal, dass die Feuerwehr nicht richtig eingewiesen wurde. Die wussten eine Zeit lang überhaupt nicht, welche Zelle eigentlich brennt. Das ist ein grasses Versäumnis der Polizei.“.

Die Anwälte lobten aber ausdrücklich die Arbeit der Staatsanwaltschaft wenn sie formulierten: „Die haben das volle Programm gefahren“. Laut Aktenlage, so die RechtsvertreterInnen weiter, könne es keine anderen Anklagepunkte gegen die Polizeibeamten geben. Auf Nachfrage sahen sich die Referenten nicht in der Lage, eine Gegenthese zu der Version der Staatsanwaltschaft zu formulieren. Dennoch erhoffen sie sich von einer etwaigen Eröffnung der Hauptverhandlung, das zuständige Gericht hat darüber noch nicht entschieden, Licht in das Dunkel zahlreicher Widersprüche zu bringen.

Infos/Kontakt:
Beratungstelle für Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten
c/o Multikulturelles Zentrum
Parkstr. 07
06846 Dessau
Tel.: 0340/ 66 12 39 5
e-mail: opferberatung@datel-dessau.de
oder
Projekt gegenPart
Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus Dessau
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Tel./fax: 0340/ 26 60 21 0
e-mail: projektgegenpart@gmx.net
web: www.projektgegenpart.org


 


 

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