Mahnwache für Oury Jalloh forderte Aufklärung, Entschädigung und Gerechtigkeit
am Rande der Aktion bot Trödelhändler ein Hitler-Foto zum Kauf an – engagierter Bürger stellte Strafanzeige
Die eisige Kälte passte irgendwie zum Anlass der Aktion. Die 60 Menschen die sich heute an der Dessauer Friedensglocke versammelten, um an den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh vor genau einem Jahr in einer Dessauer Polizeizelle zu erinnern, kannten sich fast alle persönlich. Neben zahlreichen Flüchtlingen aus der afrikanischen Community der Stadt, waren es vor allem AkteurInnen aus zivilgesellschaftlichen Initiativen, dass Dessauer Bündnis gegen Rechtsextremismus und - das Multikulturelle Zentrum hatten die Veranstaltung maßgeblich organisiert - und einige alternative Jugendliche, die „Aufklärung, Entschädigung und Gerechtigkeit“ forderten. VertreterInnen der Stadt Dessau suchte man dagegen vergeblich und von der örtlichen Kommunalpolitik verschlug es gerade einmal einen Abgeordnete der Linkspartei.PDS zur Mahnwache.
Dass der geplante Ort des Gedenkens zudem wegen zahlreicher Marktstände und eines stattfindenden Trödelmarkt nur eingeschränkt nutzbar war, erklärten Verantwortliche mit Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den zuständigen Ämtern.
Die politische Forderung der AktivistInnen, dass die Öffentlichkeit ein Jahr nach den Vorgängen in der Wolfgangstrasse ein Recht auf Aufklärung hätte, wurde in einem verteilten Flugblatt nochmals vehement unterstrichen. In dem Flyer forderten die OrganisatorInnen das zuständige Landgericht Dessau dann auch unmissverständlich auf: „Bringen Sie endlich durch ein öffentliches Verfahren Licht in dieses schreckliche Geschehen“.
das Medieninteresse war groß
Die Staatsanwaltschaft in Dessau ermittelt seit dem Tod Oury Jallohs gegen zwei Polizeibeamte wegen fahrlässiger Tötung bzw. Körperverletzung mit Todesfolge. Während einer der beschuldigten Beamten den Feueralarm der damals aus der Zelle zu vernehmen war mehrmals ignorierte und abschaltete, wird dem anderen Polizisten vorgeworfen, bei der Durchsuchung Oury Jallohs ein Feuerzeug, mit dem sich laut Staatsanwaltschaft der an Händen und Füßen gefesselte Asylbewerber selbst entzünden haben soll, übersehen zu haben. Bisher hat es das Landgericht Dessau mit der Begründung es gäbe noch Ermittlungsbedarf abgelehnt, die entsprechende Hauptverhandlung zu eröffnen.
TeilnehmerInnen der Mahnwache
Gerade diese Verzögerung im juristischen Verfahren und der Aufarbeitung des Falles ist es aber gerade, die die starke Verunsicherung unter Flüchtlingen und MigrantInnen in der Stadt weiterhin befördert und zudem Nährboden für Gerüchte und Spekulationen jeglicher Art bietet.
In einer spontanen Entscheidung entschloss sich die afrikanische Community Dessaus nach Beendigung der Mahnwache an der Friedensglocke, zum Polizeirevier zu gehen um dort eine Geste der Trauer und des Gedenkens zu zeigen. In bedächtiger Atmosphäre stellten sie auf den Stufen des Reviers Kerzen auf und legten Bilder Oury Jallohs nieder. Wir erforderlich es ist, in Dessau gerade mit solchen Aktionen in die Öffentlichkeit zu treten, zeigte die Reaktionen einer Passantin. Diese äußerte abschätzig beim Anblick der Trauerzeremonie: „Wann ist endlich mal Schluss mit der Sache, wann kann man endlich wieder seine Ruhe haben.“.
Schweigeminute vor dem Polizeirevier
Kerzen werden vor dem Polizeirevier aufgestellt
Nur einen Steinwurf von der Mahnwache entfernt, nahm ein Teilnehmer auf dem Trödelmarkt zudem ein unglaubliches Bild war. Ein Händler aus Wittenberg bot in der Auslage ein Hitler-Foto zum Kauf an, dass den Führer des nationalsozialistischen Terrorsstaates in einer Menge jubelnder Volksgenossen zeigt. Nachdem die Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus (Projekt gegenPart) die Polizei informierte, stellte der Staatsschutz das Foto sicher und nahm die Personalien des Standinhabers fest. Ein engagierte Bürger stellte Strafanzeige wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole (§ 86a STGB).
verantwortlich für den Artikel: Steffen Andersch Projekt gegenPart Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus Schlachthofstr. 25 06844 Dessau Tel./Fax: 0340/ 26 60 21 3 e-mail: projektgegenpart@gmx.net
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