Was sie erleben mussten, können sie nicht vergessen und dürfen wir nicht in Vergessenheit geraten lassen!
Zeitzeugengespräche mit Ewa Walecka-Kozlowska und Tadeusz Sobolewicz
Ewa Walecka-Kozlowska und Tadeusz Sobolewicz, zwei Überlebende der Konzentrationslager, sind 60 Jahre nach der Befreiung an zwei Orte ihres Leidens zurückgekehrt, um ihrer dort ermordeten KameradInnen zu gedenken. Auf Einladung des Alternativen Jugendzentrum e.V. Dessau, das seit mehreren Jahren mit beiden freundschaftliche Beziehungen unterhält, sind sie bereits einige Tage vor den Befreiungsfeierlichkeiten in Ravensbrück bzw. Buchenwald nach Sachsen-Anhalt gekommen, um vor allem mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen.
In seinem Buch „Aus der Hölle zurück – von der Willkür des Überlebens im Konzentrationslager“ (erschienen im Fischer Verlag) hat der heute in Krakow lebende Tadeusz Sobolwicz in eindrucksvoller Weise seine Odyssee durch die Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald, Leipzig, Mülsen, Flossenbürg und Regensburg. Der Vater wurde in Auschwitz ermordet (getötet mit dem in Dessau produzierten Zyklon B), die Mutter überlebte Ravensbrück.
Wenn Tadeusz Sobolewicz, der nach dem Krieg als Schauspieler wirkte, Zeugnis ablegt, zieht er das Publikum in seinen Bann. „Nehmt es an, meine neuen deutschen Freunde. Wir Überlebenden werden bald nicht mehr da sein. Dann tragt ihr die Verantwortung, euren Kindern, das was ihr heute von mir und von anderen Überlebenden erfahren habt, zu berichten.“ Seine Botschaft „eine bessere Welt zu verlassen, als man vorgefunden hat“ mündet in dem Appell „Nie wieder Krieg!“
Was Tadeusz Sobolewicz hinsichtlich des Erhaltes der Erinnerung an die Opfer der Konzentrations- und Vernichtungslager nach dem Verschwinden der Zeitzeugen bewegt, war auch das zentrale Thema der Gedenkfeierlichkeiten an den 60. Jahrestag der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald. Über 500 ehemalige Häftlinge aus 26 Ländern waren wie Tadeusz Sobolewicz (Buchenwald-Häftling Nr. 10943) gekommen.
Der ehemalige Buchenwaldhäftling Jorge Semprun verkündete in seiner Ansprache auf der Zentralen Gedenkfeier der Bundesrepublik Deutschland eine Nachricht „von vitaler Bedeutung, denn die Nachricht bezieht sich auf unseren Tod…In zehn Jahren, 2015 also, wird es keine Zeugen mehr geben.“ Einige Überlebende protestierten an dieser Stelle. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wird Sempruns Nachricht leider unaufhaltsame Realität werden.
Wie in Buchenwald eine Woche zuvor, versammelten sich auch in Fürstenberg Überlebende aus der ganzen Welt, um den 60. Jahrestag der Befreiung des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück zu begehen. Unter ihnen auch die Polin Ewa Walecka-Kozlowska, die als Häftling Nr. 36807 ein Jahr in Ravensbrück geschunden wurde. Als sie am 20. April 1944 in Fürstenberg ankam, lag bereits über ein Jahr der Hölle hinter ihr, denn seit Anfang Januar 1943 war sie der Häftling 920 des Konzentrations- und Vernichtungslagers Majdanek/Lublin. Das bewegte Leben von Ewa Walecka-Kozlowska hat das Alternative Jugendzentrum Dessau in der im vergangenen Jahr von der Landesmedienanstalt Sachsen-Anhalt mit dem „Demokratiepreis“ ausgezeichneten Dokumentation „Der Wind von Majdanek hat meine Träume verweht“ dargestellt (zu beziehen über das AJZ als VHS und DVD zum Preis von 10 €). Auch Ewa Walecka-Kozlowska sprach in Veranstaltungen in Dessau, Bernburg und Aken mit jungen Menschen.
Unermüdlich setzen sie und Tadeusz Sobolewicz sich für den Erhalt der Erinnerung an die Millionen Opfer des deutschen Naziterrors ein. Regelmäßig führen sie Zeitzeugengespräche mit polnischen und deutschen Gruppen. Was sie erleben mussten, können sie nicht vergessen und dürfen wir nicht in Vergessenheit geraten gelassen!
In seiner Ansprache zum 60. Jahrestag der Befreiung von Buchenwald rief Paul Spiegel dazu auf, „den Staffelstab der Erinnerung“ aus den Händen der Überlebenden zu übernehmen. Seit vielen Jahren bemüht sich das AJZ um die Bewahrung der Erinnerung. Aussagen von nahezu dreißig Überlebenden verschiedenster Lager umfasst das Zeitzeugenarchiv des AJZ.
Auch während des Besuches der beiden polnischen Gäste und der Teilnahme an den Gedenkfeierlichkeiten war die Videokamera nur selten ausgeschaltet. In den nächsten Monaten heißt es nun Rohmaterial sichten, Schnittbuch entwickeln, recherchieren, Texte verfassen,…bis am Ende eine Dokumentation die Rückkehr zweier Überlebender an Orte ihres Martyriums sechzig Jahre nach der Befreiung für eine Zukunft der Erinnerung bewahrt.
Leider musste der ebenfalls nach Dessau eingeladene ehemalige Häftling von Auschwitz und Mauthausen sowie langjähriger Direktor des Museums Auschwitz-Birkenau Kazimierz Smolen seinen Besuch aus gesundheitlichen Gründen absagen. Auf diesem Wege wünschen wir gute Besserung! Die geplanten Zeitzeugengespräche werden, wenn es die Gesundheit von Kazimierz Smolen zulässt, nachgeholt. Die Veranstaltungsreihe war Dank der freundlichen Unterstützung des Solifonds der PDS-Landtagsfraktion und der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt möglich.