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„Sie sind da sehr weit“

in Köthen hat sich das „Netzwerk Zivilgesellschaft Anhalt“ gegründet




In der Fachhochschule Anhalt hat sich am 17. Januar 2006 unter den interessierten Blicken der sachsen-anhaltinischen Sozialministerin, Dr. Gerlinde Kuppe (SPD), die ohne Zögern die Schirmherrschaft übernommen hat, das „Netzwerk Zivilgesellschaft Anhalt“ (NZA) gegründet.

Noch ein Netzwerk, noch ein Zusammenschluss, noch ein neues Gremium mit einer bürokratischen Struktur? Mitnichten, wie die Organisatoren der Veranstaltung betonten. Der Zusammenschluss der Bündnisse für Demokratie und Toleranz und gegen Rechts aus Bernburg, Dessau, Köthen und Zerbst will zukünftig ganz praktisch kooperieren.


Rechtsextreme und neonazistische Kameradschaften seien in der Region Anhalt gut vernetzt: „Dieser Struktur von Rechts gilt es aus unserer Sicht, nachhaltig und koordiniert entgegenzutreten“, so Steffen Andersch, der Leiter der Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus aus Dessau, zur Eröffnung der Gründungsveranstaltung. Es müsse darum gehen, nicht nur über gemeinsame Strategien, Handlungsansätze und Kampagnen nachzudenken, sondern diese auch in die Tat umzusetzen. „Diese Bündelung aller demokratischen Kräfte kann dazu genutzt werden, die regionale Öffentlichkeit noch stärker  für das Thema Rechtsextremismus zu sensibilisieren “, umriss Andersch eines der Ziele des Netzwerkes.
Gegen die Feinde der Demokratie, die gegen die liberalen Werte einer offenen Gesellschaft Front machen und dabei ganz bewusst fremdenfeindliche und rassistische Stereotype verstärken und bedienen, gelte es geschlossen vorzugehen. „Es geht also im Kern um eine koordinierte Intervention vor Ort“, gab der Projektleiter die zukünftige Strategie vor.


Steffen Andersch (Projekt gegenPart) eröffnet die Gründungsveranstaltung

Gerlinde Kuppe tritt bestimmend ans Rednerpult, ohne dabei pathetisch zu wirken und inhaltslose Worthülsen zu verschiessen. Man merkt der Landespolitikerin an, dass ihr Bekenntnis, dass sie „gerne die Schirmherrschaft übernommen hat“, wirklich erst gemeint ist.
„Der Zeitpunkt ist wohl gewählt“, sagt die Sozialministerin und stellt sich damit voll hinter das NZA. Mit „Erschrecken“ habe sie die neusten Zahlen zu rechtsextremen Straf- und Gewalttaten im Land  – und besonders in der Region Anhalt – zur Kenntnis genommen. Noch dazu würde es immer schwieriger werden, Rechtsextreme und Neonazis als solche auszumachen: „Sie sind da außerordentlich pfiffig geworden. Die Szene geht mittlerweile differenziert vor.“, kommentiert sie das Versteckspiel. Lokale Demokratieentwicklung und das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechts brauchen ihrer Ansicht nach dauerhafte und beständige Strukturen. „Nicht traurige Vorfälle und Übergriffe dürfen der ursächliche Anlass für Aktivitäten sein“, erteilte die Ministerin ausschließlich ereignisbezogenen Kampagnen eine klare Abfuhr. Den AkteurInnen der Region bescheinigt sie dabei, ihre Hausaufgaben wohl schon gemacht zu haben: „Sie sind da sehr weit“.


Sozialministerin Gerlinde Kuppe ist Schirmfrau des Netzwerkes

Die Ministerin denkt bei der notwendigen Aufklärung über ihr Ressort hinaus: „Der Jugendbereich ist nicht der einzige, über den wir reden müssen“. Vielmehr gelte es, auch die Eltern- und Großelterngeneration in den Diskurs einzubinden, um den Rechten kein gesellschaftliche Feld zu überlassen. Mit Lob und Ermutigung werden Initiativen gegen Rechts ja eher selten überhäuft. Oftmals werden sie sogar als störend empfunden und ihnen hängt das Stigma von Nestbeschmutzern an. Gerlinde Kuppe tut es dennoch, und dies offensichtlich mit Freude: „Ich bedanke mich für Ihr langjähriges Engagement, dass auch oftmals mit ganz persönlichen Bedrohungen verbunden ist“.


die Rede der Ministerin trifft bei den zivilgesellschaftlichen AkteurInnen auf Zustimmung

Ich bin interessierten Bürger und kein Berufspolitiker“, sagt Günter Donath vom Dessauer Bündnis gegen Rechtsextremismus und stellt danach die Aktivitäten der ältesten Initiativgruppe in der Region vor. Das Bündnis hatte sich bereits 1998 im Vorfeld der damaligen Landtagswahlen konstituiert und arbeitet seit dem kontinuierlich. Man trifft sich einmal im Monat, hat im Laufe der Jahre zahlreiche Aktivitäten entfaltet, Kampagnen entwickelt, zu  Mahnwachen und Demonstrationen aufgerufen und Dutzende öffentliche Veranstaltungen organisiert. Immer wieder mische sich das Bündnis auch in den öffentlichen Diskurs ein, so zum Beispiel bei rechtsextremen Gewalttaten oder im Fall des in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh. „Die große Mehrheit der Deutschen hat mitgemacht oder geschwiegen“, sagt der Pfarrer im Ruhestand zur Bewertung der NS-Zeit. Genau dies solle sich angesichts des bundesrepublikanischen Rechtsextremismus nicht wiederholen. Das wäre die Hauptmotivation des Personenzusammenschlusses in Dessau. Mit Selbstkritik spart er dennoch nicht. Dem Bündnis sei es trotz zahlreicher Anläufe noch nicht gelungen, alle gesellschaftlichen relevanten Kräfte in der Stadt einzubinden. „Das Thema Rechtsextremismus sollte auch mehr im Stadtrat zur Sprache kommen“, sagte er hinsichtlich der Verantwortung der Kommunalpolitik. Den Ansatz, zukünftig in der Region gemeinsam zu agieren, begrüßte Donath ausdrücklich: „Ich denke es ist sinnvoll, das wir uns als Anhalter unterhalten“.


Günter Donath, Vertreter des Dessauer Bündnisses gegen Rechtsextremismus

Jürgen Gewinner, Sprecher des Köthener Netzwerk für Demokratie und Toleranz, gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt, kann von einer über 4jährigen Geschichte seiner Initiative berichten. Schwerpunkte der Arbeit seien vor allem interkulturelle Projekte in Zusammenarbeit mit der hiesigen Hochschule und zivilgesellschaftliche Aktivitäten gegen Neonaziaufmärsche.

Zum Abschluss der Veranstaltung wurde es dann doch noch ganz konkret, wie zum Beginn bereits angekündigt. Die AkteurInnen der Bündnisse einigten sich darauf, im Vorfeld der kommenden Kommunalwahlen eine gemeinsame Anti-NPD-Kampagne für Anhalt auf die Beine zu stellen. Die rechtsextreme Partei hat bereits angekündigt, flächendeckend in Sachsen-Anhalt antreten zu wollen. Als Ideen wurden ein gemeinsamer Wahlaufruf, eine Unterschriftenaktion und Bildungsveranstaltungen für KommunalpolitikerInnen gehandelt.


die Veranstaltung stieß auf ein großes Medieninteresse

Wie dringend notwendig eine Beschäftigung mit der NPD ist, zeigten auch die Ausführungen von Stefanie Heide von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Vereins Miteinander. So ist es der NPD unter tatkräftiger Unterstützung der Parteizentrale und der Landtagsfraktion in Dresden und Schwerin gelungen, in den letzten Monaten handlungsfähige Strukturen in der Region aufzubauen. Neben den Kreisverbänden „Wittenberg“ und „Wolfen-Anhalt/Dessau“ entfalten vor allem die Jungen Nationaldemokraten (JN), die Jugendorganisation der Neonazi-Partei, verstärkt Aktivitäten. In Bernburg gibt es bereits einen JN-Stützpunkt und laut Gerüchten soll demnächst in Köthen ein weiterer gegründet werden. Außerdem sind führende Neonazis aus dem Kameradschaften in Köthen und Bernburg fast geschlossem in die JN eingetreten. Es ist also damit zu rechnen, dass genau diese militanten Rechtsextremisten den NPD-Wahlkampf auf der Strasse organisieren werden.
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Gründungsaufruf des Netzwerkes Zivilgesellschaft Anhalt

Die Bündnisse für Demokratie und Toleranz und gegen Rechtsextremismus in der Region Anhalt haben heute das „Netzwerk Zivilgesellschaft Anhalt“ ins Leben gerufen.

Rechtsextreme Parteien und neonazistische Kameradschaften sind in der Region Anhalt gut vernetzt. In einschlägigen Internetforen werden Aktivitäten und Kampagnen koordiniert, Propagandadelikte geplant und Demonstrationen vorbereitet.

Die erschreckende Bilanz dieser Struktur von Rechts: Ein stetiges Anwachsen der Gewalt. Allein im vergangenen Jahr wurden in der Region 44 rechtsextreme Gewalttaten registriert. Hinter diesen Zahlen stehen Betroffene, Opfer und deren Freunde und Angehörigen, die noch lange mit den körperlichen Folgen und psychischen Beeinträchtigungen zu kämpfen haben werden.

Dieser Tatsache ist für eine demokratisch verfasste Gesellschaft nicht länger hinzunehmen.
 
Deshalb gilt es, dieser menschenfeindlichen Entwicklung nachhaltig und koordiniert entgegenzutreten, um somit gemeinsame Strategien, Handlungsansätze und Kampagnen entwickeln zu können.

Das couragierte Handeln gegen die Feinde der Demokratie, die die liberalen Werte einer offenen Gesellschaft unverhohlen bedrohen und dabei ganz bewusst fremdenfeindliche, antisemitische und rassistische Stereotype verstärken und bedienen, muss dabei geschlossen erfolgen.

Dies ist nur möglich, wenn alle Demokraten ihre Kräfte und Bemühungen für Weltoffenheit und Toleranz bündeln.

Nur so kann es gelingen, die regionale Öffentlichkeit noch stärker als bisher für das Thema Rechtsextremismus zu sensibilisieren und damit letztlich eine wirksame Intervention vor Ort zu erreichen.

Das Netzwerk Zivilgesellschaft Anhalt und die daran beteiligten Initiativen wollen durch Bildungsarbeit, Aufklärungskampagnen und Solidaritätsbekundungen mit den Opfern von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus  eine nachhaltige Debatte auslösen und einen Teil dazu beitragen, dass in der Region  eine Kultur der Weltoffenheit dominant wird.

Hier mit zu tun, sind alle staatlichen Institutionen und Einrichtungen, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Vereine, Unternehmen sowie alle Bürgerinnen und Bürger aufgefordert.

Die Landesregierung Sachsen-Anhalts muss dafür Sorge tragen, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen für dieses zivilgesellschaftliche Engagement auch tatsächlich gegeben sind.

Köthen, 17. Januar 2007

Erstunterzeichner:
Dessauer Bündnis gegen Rechtsextremismus 
Köthener Netzwerk für Demokratie und Toleranz, gegen Fremdenfeindlichkeit,
Antisemitismus und Gewalt
Runder Tisch gegen Rechtsextremismus und Gewalt, Zerbst

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