„Zeugnis ablegen bis zum letzten Tag“ - Zeitzeugengespräche mit Überlebenden des Holocaust
Veranstaltungen im Oktober/November in Dessau
Das Alternative Jugendzentrum e. V. Dessau kann im Oktober und November 2005 gleich mehrere Überlebende des Holocaust zu Zeitzeugengesprächen in Dessau als Gäste begrüßen. Die Veranstaltungsreihe steht unter dem Motto "Zeugnis ablegen bis zum letzten Tag" und bringt recht prägnant die Intention der Veranstalter auf den Punkt. Es geht darum, das Jugendliche und junge Erwachsene die Möglichkeit erhalten, authentisch-biographischen Schilderungen über den nationalsozialistischen Terror beiwohnen zu können.
>>>>Zeitzeugengespräch mit Jules Schelvis am 05.10.2005 um 19 Uhr im Alternativen Jugendzentrum Dessau
Jules Schelvis gehört zu den wenigen Überlebenden des Vernichtungslagers Sobibór. Allein in diesem Lager der "Aktion Reinhardt" wurden 1942 und 1943 insgesamt mehr als 250.000 Juden aus vielen Ländern Europas ermordet. Bis auf wenige Ausnahmen endete ihr Leben sofort nach der Ankunft in der Gaskammer. 1982 erschien in den Niederlanden sein autobiografischer Bericht, der in diesem Jahr endlich auch in deutscher Sprache veröffentlicht wurde: "Eine Reise durch die Finsternis. Ein Bericht über zwei Jahre in deutschen Vernichtungs- und Konzentrationslagern". Jahrzehntelang recherchierte Jules Schelvis zur Geschichte und zum geglückten Aufstand der Häftlinge am 14.Oktober 1943 des Vernichtungslagers Sobibór. Er veröffentlichte 1993 sein Buch "Vernichtungslager Sobibór", das als Standardwerk gilt.
Jules Schelvis
>>>>Zeitzeugengespräch mit Max Mannheimer am 10.10.2005 um 19 Uhr in der Anhaltischen Landesbücherei Dessau
Max Mannheimer wurde 1920 in Neutitschein/Tschechoslowakei geboren. Nach der Besetzung des Sudetenlandes siedelte seine Familie nach Ungarisch Brod um. Von dort erfolgte Anfang 1943 die Deportation über Theresienstadt nach Auschwitz-Birkenau. Auf der Rampe von Auschwitz-Birkenau sah Max Mannheimer seine Frau, seine Eltern und seine Schwester zum letzten Mal. Auch zwei seiner Brüder überlebten die Hölle von Auschwitz nicht. Seit 1988 ist Max Mannheimer Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und unermüdlich als Zeitzeuge unterwegs. Viele Jahre hat es gebraucht, bis er in der Lage war, über die Vergangenheit zu reden. Einen wichtigen Platz in seinem Leben nimmt die Malerei ein. Seit 1954 malt er unter dem Pseudonym "Ben Jakov" (im Gedenken an seinen Vater Jakob) abstrakte Bilder, die er seit 1975 auch ausstellt. 1964 verfasste er sein "Spätes Tagebuch" (für seine Tochter), das zwanzig Jahre später erstmals im ersten Band der "Dachauer Hefte" veröffentlicht wurde.
Max Mannheimer
>>>>Zeitzeugengespräch mit Esther Bejarano am 26.10.2005 um 19 Uhr im Alternativen Jugendzentrum Dessau
Ob als Künstlerin, als Rednerin auf Demonstrationen gegen Neonazikundgebungen oder als Zeitzeugin: eine Begegnung mit Esther Bejarano ist immer ein beeindruckendes Erlebnis. 1924 als Esther Loewy geboren, wuchs sie in Saarbrücken auf. Nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten galt sie als "Halbjüdin". 1940 ging Esther Loewy in ein Palästina-Ausbildungslager nach Ahrensdorf. Später musste sie in einem Arbeitslager in Neuendorf Zwangsarbeit leisten bis sie Anfang April 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Unter der Lagernummer 41948 spielte sie im "Mädchenorchester von Auschwitz-Birkenau" um ihr Leben. Die nächste Station war das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Kurz vor Kriegsende auf einen der berüchtigten Todesmärsche getrieben, gelang ihr mit anderen Frauen die Flucht. Nach der Befreiung ging Esther Loewy nach Palästina zu ihrer Schwester. Die Eltern und zwei ihrer Schwestern überlebten den Holocaust nicht. 1960 verließ Esther Bejarano mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern Israel und ging nach Hamburg. 2004 erschien ihre Biografie unter dem Titel "Wir leben trotzdem - Esther Bejarano vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Künstlerin für den Frieden".
Esther Bejarano
>>>>Zeitzeugengespräch mit Doris Grozdanovicova am 1.11.2005 um 19 Uhr in der Anhaltischen Landesbücherei Dessau
Doris Grozdanovicova, geborene Schimmerlingova, wuchs mit ihren Eltern und ihrem Bruder in Brünn (Mähren) auf. Nach dem Einmarsch der Deutschen begannen die Schikanen gegen die jüdische Bevölkerung. Ihre Familie musste aus ihrer Wohnung in einen schlechten Stadtteil ziehen, Doris Schimmerlingova durfte nicht mehr die tschechische Schule besuchen und konnte zunächst noch ein halbes Jahr auf einem jüdischen Gymnasium lernen. Am 28.01.1942, im Alter von 15 Jahren, kam sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder nach Theresienstadt. Kurz darauf folgte auch die Großmutter, die nach 14 Tagen starb. Auch ihre Mutter starb im Alter von 50 Jahren in Theresienstadt. Der Vater und der Bruder wurden nach Auschwitz deportiert. Nur der Bruder überlebte. Bis zur Befreiung am 8.Mai 1945 arbeitete Doris Schimmerlingova in Theresienstadt in der Landwirtschaft. Im Juni 1945 traf sie ihren Bruder wieder und beide gingen zunächst nach Brünn zurück. Viele Jahre, inzwischen in Prag lebend, arbeitete Doris Grozdanovicova als Redakteurin eines Buchverlages, bis sie in den 80er Jahren zwangsweise pensioniert wurde, weil ihr Sohn von einer Reise nach England nicht zurück kam. Ihr Bruder gründete die "Theresienstädter Initiative". Er starb vor einigen Jahren. Sie ist bis heute Redakteurin der Zeitung der "Theresienstädter Initiative", arbeitet als Übersetzerin und führt regelmäßig Zeitzeugengespräche.
Doris Grozdanovicova
Infos/Kontakt: Alternatives Jugendzentrum e. V. Dessau Jana Müller Schlachthofstr. 25 06844 Dessau Tel.: 0340/ 26 60 21 9 e-mail: ajz-dessau@web.de
News
projektgegenpart ist umgezogen
3. Workshop für Bürgerbündnisse und lokale Akteure: "Vor Ort aktiv gegen Rechtsextremismus – gemeinsam oder einsam?"
Amtsgericht Burg: Rechte Schläger wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt
Neues von der Kampagne "Kein Bock auf Nazis"
Verlegung der ersten Stolpersteine am 19. Mai 2008 in Dessau-Roßlau