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Haftstrafen für rechte Schläger aus Gräfenhainichen

Opferberatung und Nebenklage machten Nazis nackig




Silvester, das freudige Fest an dem die Menschen erwartungsvoll feiern. Die  Nacht vom 31. Dezember 2005 auf den 1. Januar 2006 endete für zwei vietnamesische  Staatsbürger in Gräfenhainichen (Landkreis Wittenberg) mit Angst und Schrecken.
Schon in den ersten Minuten des neuen Jahres exekutieren junge Rechtsextremisten ihren menschenverachtenden Wahn brutal auf der Strasse. Nichts Ungewöhnliches in der ostdeutschen Provinz.

Eine Gruppe von Neonazis zog damals ausländerfeindliche Parolen skandierend durch den Ort. Schließlich trafen sie auf ihre Opfer, schlugen ohne ersichtlichen Grund brutal auf sie ein und verletzte die Geschädigten u. a. an der Hand und am Kopf.

Erwähnenswert da nicht der Normalfall, Bürger griffen ein und verhinderten bei der ersten Attacke schlimmeres. Die Täter kamen noch einmal zurück, verübten die Gewalttat und hatten für die praktische Zivilcourage nur ein: „Euch passiert nichts, Ihr seit Deutsche“, übrig.

Für Schlagzeilen sorgte der Überfall vor allem, weil im Laufe der polizeilichen Ermittlungen bei Hausdurchsuchungen in den Wohnungen der Täter und deren Umfeld mehrere hundert Patronen für Maschinengewehre, Karabiner und Schrotflinten, sowie zwölf Panzerbrandgeschosse und rechtsextreme Devotionalien gefunden worden (mehr dazu hier...). Das Verfahren wegen illegalen Waffenbesitzes wurde abgetrennt und wird gesondert verhandelt werden. Offensichtlich und von der Polizei bestätigt, waren dabei die Verbindungen der Tatverdächtigen zur neonazistischen "Kameradschaft  Landkreis Wittenberg". Die Kameradschaft um deren Koordinierungspersönlichkeit Henry B. entwickelte seit Ende 2004 verstärkt Aktivitäten in der Region (mehr dazu hier...).

Am 23. August 2006 ging nun vor dem Amtsgericht Wittenberg Prozess gegen Daniel J.(16), Raik K. (20), Aron S. (16) und Michael K. (17) aus Gräfenhainichen und Umgebung über die Bühne. Den Angeklagten warf das Jugendschöffengericht Körperverletzung und Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen vor.

Die Verhandlungsstrategie der Verteidigung folgte dabei altbekannten Mustern. Zwar seien ihre Klienten schon irgendwie rechts, aber bei der Tat hätte diese Motivation keine entscheidende Rolle gespielt. Zur Szene gehörten sie jedenfalls nicht so richtig. Ein unhaltbare Interpretation, wie der weitere, in Zügen durchaus skurrile, Verlauf des Prozesses zeigen sollte.  

Die Angeklagten räumten so zum Teil selbst ein, nationalsozialistische und rassistische Parolen in der Tatnacht von sich gegeben zu haben. Die vier rechtsextremen Jugendlichen, die sich übrigens gegenseitig der vorgeworfenen Körperverletzung bezichtigten und alle schon strafrechtlich in Erscheinung getreten waren, behaupteten zudem erst zugeschlagen zu haben, als die Opfer sich mit einer Eisenstange verteidigt hätten. Eine Schutzbehauptung, wie das Gericht zweifellos bewies. Die Eisenstange kam nicht zum Einsatz und nur der Kampfsporterfahrung eines der Vietnamesen sei es zu verdanken, dass die Verletzungen nicht schwerwiegender ausfielen. "Die Tat hätte ohne weiteres ein versuchtes Tötungsdelikt werden können", so Staatsanwalt Norbert Winkler.

Das Gericht kam zu dem Entschluss, dass sich Aron S. gemeinschaftlich handelnd an der Körperverletzung beteiligte und sich der Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen schuldig gemacht hat. Er wurde als Mitläufer zu einer 7monatigen Jugendstrafe auf drei Jahre Bewährung verurteilt. Zudem muss er 500 Euro Schmerzensgeld an die Opfer zahlen und die Kosten des Verfahrens und anteilig die der Nebenklage zahlen. Seine Verteidigung legte keine Rechtsmittel ein.

Raik K., ebenfalls der zwei Delikte überführt und als Mitläufer eingestuft, erhielt eine Jugendstrafe von 9 Monaten ausgesetzt auf 3 Jahre und trägt ebenfalls die vollen Kosten. Auch sein Vertreter verzichtete auf die Option, gegebenenfalls in Revision zu gehen.

Als Haupttäter und überzeugter Rechtsextremist, dem u. a. ein Angriff mit einer abgeschlagenen Bierflasche konkret nachgewiesen werden konnte, wurde Daniel J. mit einer Jugendstrafe von 2 Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung sanktioniert. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Michael K. muss für 1 Jahr und 4 Monate hinter Gitter. Ausdrücklich attestierte das Gericht ihm „keine politischen Entwicklungsansätze“.

Zu würdigen ist zweifellos das engagierte Handeln und Auftreten der Vorsitzenden Jugendrichterin Jaenette Preissner. Sie scheute sich nicht, die politische Motivation der Tat in den Mittelpunkt zu stellen und dies stringent und eloquent durch die gesamte Verhandlung durchgehalten zu haben. Ein Beispiel, dass Schule machen sollte.

Dass das Gericht mit seinem Urteil zum Teil über die Strafanträge der Staatsanwaltschaft hinausging ist ein weiteres Signal, dass bei den Opfern rechter Gewalt für Genugtuung sorgen dürfte.

Wie menschenverachtend und antizivilisatorisch die Tat an sich ablief, bewies ein unglaubliches Detail, dass im Laufe des Prozesses ans Licht kam. Einer der Opfer sagte im Zeugenstand aus, dass einer der Angeklagten ihn vor den Schlägen sein auf den Unterbauch tätowiertes Hakenkreuz gezeigt hätte. Darauf hin stellte der Anwalt der Nebenklage in enger Abstimmung mit Marco Steckel, dem Leiter der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt in Dessau, den Antrag, durch eine in Augenscheinnahme unter amtsärztlichen Kontrolle zu ermitteln, um welchen Täter es sich dabei handelte. Während die Angeklagten S. und  K. sich dieser Maßnahme freiwillig unterzogen, weigerten sich J. und Michael K. vehement. Darauf hin wurden sie per Beschluss dazu gezwungen. Das Ergebnis war genau so erschütternd wie fassungslos: Der Angeklagte J. hatte tatsächlich am Unterbauch nahe der Schamhaargrenze eine Hakenkreuztätowierung aufzuweisen und Michael K. stach mit einer Keltenkreuzapplikation auf der Brust hervor.
Der Staatsschutz ermittelt nun gegen den vermeintlichen Tätowierer wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.
Angesichts dieses braunen Körperschmucks konnte sich Staatsanwalt Winkler ein: „Sie ekeln mich an!“, nicht verkneifen. Dieser Einschätzung ist wohl nichts hinzu zu fügen.

verantwortlich für den Artikel:
Steffen Andersch
Projekt gegenPart
Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Tel./Fax: 0340/ 26 60 21 3
e-mail: projektgegenpart@gmx.net
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