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Eröffnung der Ausstellung „Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma“ in der Dessauer Marienkirche

70 Gäste wohnten der Veranstaltung am 08. September 2005 bei




Mit dem Violinenstück „Tzigan“ von Maurice Ravel, stimmten die Künstler Wolfgang Kluge (Klavier) und Myra van Campen-Bálint die 70 anwesenden Gäste auf die Eröffnung der Ausstellung „Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma“ ein.

Jana Müller vom Alternativen Jugendzentrum (AJZ), dass die Wanderausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg nach Dessau holte, berichtete eingangs wie die Idee, in der Muldestadt die Exposition zu zeigen, entstand.


Jana Müller, Mitarbeiterin des Alternativen Jugendzentrums Dessau

Am 01. August 2004 besuchte eine kleine Gruppe des AJZ Dessau das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. „Nachdem wir das Tor durchschritten hatten, hörten wir, zunächst noch leise, Namen“, schilderte Müller ihre damaligen Eindrücke. Es waren die Namen der 23.000 Sinti und Roma, die nach Auschwitz verschleppt wurden und von denen nur sehr wenige zurück kamen. Anlass des Gedenkens im letzten Sommer war der 60. Jahrestag der „Liquidierung“ des in der Tätersprache als „Zigeunerlager“ bezeichneten Bereiches des Lagers. Vor der letzten Vernichtungsaktion deportierte die SS noch 3000 Sinti und Roma in andere Konzentrationslager, wo sie der „Vernichtung durch Arbeit“ anheim fallen sollten. Unter den Deportierten befand sich auch Franz Rosenbach. „Lieber Herr Rosenbach, es ehrt uns ganz besonders, dass sie ohne zu zögern nach Dessau gekommen sind, um uns als Zeitzeuge zur Verfügung zu stehen“, begrüßte Jana Müller den Ehrengast der Ausstellung und Überlebenden der Nazibarbarei. Auch der Begleiter Franz Rosenbachs dieser Tage in Dessau, Herr Heilig, überlebte als Kind den Holocaust.
Gerade die Tatsache, dass die Sinti und Roma Jahrzehnte darum kämpfen mussten, als rassisch Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt zu werden, hätte die Initiatoren um das AJZ bewogen, die Ausstellung in Dessau zu zeigen. Jana Müller wies auch darauf hin, dass viele Sinti und Roma in den Gaskammern mittels des in Dessau produzierten Giftgases Zyklon B sterben mussten, weshalb sich die AJZlerInnen als junge DessauerInnen in einer besonderen Verantwortung sehen. Besonders wichtig war dem Alternativen Jugendzentrum, pädagogische Begleitprogramme für Schulklassen anzubieten. Zahlreiche Jugendgruppen hätten sich bereits angemeldet.„Leider spielt die Verfolgung der Sinti und Roma in der Schule kaum eine Rolle“, brachte Müller diese Intention auf den Punkt. Deshalb hoffe das AJZ mit der Ausstellung einen kleinen Teil dazu beizutragen, über die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus aufzuklären und noch bestehende Vorurteile gegen diese Minderheit abbauen zu können.

Im Grußwort der Landesregierung führte der Staatssekretär des Magdeburger Innenministeriums, Thomas Pleye, aus, dass erst Ende der 1960iger durch die Generation der Nachgeborenen eine wirkliche Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen begonnen hätte. Seit einiger Zeit würde in der Forschung auch die Verstrickung einzelner Teile der damaligen deutschen Bevölkerung in den Terror eine Rolle spiele. Das Leid der Sinti und Roma, so Pleye weiter, wäre nicht oder nur unzureichend thematisiert worden. „Es ist auch heute erst unzureichend erforscht“, fasste der Staatssekretär seine Aussagen zusammen. Pleye verwies auf lokalen Bezüge indem er ausführte, dass bis Mitte der 1930iger Jahre auch im Umfeld Dessaus Sinti und Roma präsent waren, bis sie später in ein Lager nach Magdeburg deportiert wurden und ihr Weg schließlich in Auschwitz endete.  „Wir benötigen zunächst Wissen“, regte Pleye an und lobte in diesem Kontext die Organisatoren um das AJZ Dessau und wünschte der Ausstellung und deren Rahmenprogramm abschließend viele interessierte Gäste.


Staatssekretär Thomas Pleye

Schon bei der Anzahl geht die Zunge schwer“, beginnt Gerhard Lambrecht, Leiter des Amtes für Kultur, Tourismus und Sport, sein Grußwort der Stadt Dessau und meint damit die unvorstellbare Zahl von 500.000 ermordeten Sinti und Roma. Vorbehalte gegen Sinti und Roma hätte es auch schon vor der Nazizeit gegeben. Der Amtsleiter verwies auf rassistisch geprägte Theaterstücke, die in den 1920iger Jahren in Dessau aufgeführt wurden. In seiner Rede zog Lambrecht den Bogen zur Gegenwart: „Dumpfe Vorurteile sind nichts, was der Vergangenheit angehört.“. Explizit sprach er in diesem Zusammenhang die Ermordung Alberto Adrianos und den Fall Oury Jalloh an.


Gerhard Lambrecht

Bevor Silvio Peritore, Mitarbeiter des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma Heidelberg, ein kurze Einführung zur Ausstellung gab, riss er nochmals den historischen Rahmen an. Sinti und Roma, so war zu erfahren, sind seit 600 Jahren in Europa ansässig. Ursprünglich siedelte diese in Indien, wurden aber vor 1000 Jahren vom Osmanischen Reich vertrieben. „Ihre kulturellen Eigenheiten bilden den Ausgangspunkt für eine Konstruktion rassischer Eigenheiten“, formulierte Peritore eine seiner Thesen. Wie der Antisemitismus, hatte auch der Antiziganismus zunächst religiöse Wurzeln gehabt. Der Begriff „Zigeuner“ stamme aus dem Mittelalter und ist ein Fremdbegriff der Mehrheitsbevölkerung. In Europa leben heute 9 Millionen Sinti und Roma und in der Bundesrepublik 70.000, die erst 1995 den Status einer politischen Minderheit eingeräumt bekamen. Der Massenmord durch die Nationalsozialisten zerstörte die Traditionsstruktur erheblich, eine Wunde die noch heute in der Community klafft.


Silvio Peritore

Mit den nationalsozialistischen Nürnberger Rassegesetze begann die systematische Entrechtung der Sinti und Roma. Dies äußerte sich praktisch im Verlust der Staatsangehörigkeit, eines Schulverbotes und der generellen Heiratsuntersagung. Insbesondere an den Sinti und Roma fand eine perfide und pseudomedizinische Rasseforschung statt, die die Deutsche Ärzteschaft aktiv voran trieb. Bereits 1938 schwadronierte der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, erstmals über die Endlösung der „Zigeunerfrage“. Auf einer SS-Konferenz im September 1939 wurde beschlossen, alle Sinti und Roma ins besetzte Polen zu deportieren. Es begann eine systematische Erfassung und Enteignung. Im April 1940 fanden die ersten großen Deportationen statt. „Wer nicht arbeiten konnte, lebte in ständiger Angst, ermordet zu werden“, fasste Peritore die unmenschlichen Zustände in den Lagern zusammen. Für den Transport zur Vernichtung war Aldolf Eichmann zuständig, der Mann der auch den Holocaust an den europäischen Juden logistisch maßgeblich umsetzte. Bereits vor der systematischen Vernichtung in den Konzentrationslagern, fielen Hunderttausende Sinti und Roma den Massenerschießungen durch die Einsatzkommandos in der besetzten Sowjetunion zum Opfer. Die erhalten gebliebenen Sterbebücher des Konzentrationslagers Auschwitz weisen auch 6 Sinti und Roma aus, die aus Dessau stammten: „Luise Krause Laubinger ( gestorben am 03. Mai 1943), Gerhard Laumburger ( Sterbedatum unbekannt), Walter Franz (Sterbedatum unbekannt), Inge Stein (gest. am 14. April 1944), Anneliese Stein (Sterbedatum unbekannt) und Hans Zens (gest. am 19. Mai 1943“, las Silvio Peritore langsam die Namen vor.

Doch auch nach 1945 waren die Sinti und Roma in der Bundesrepublik weiteren staatlichen Diskriminierungen ausgesetzt. Viele Polizeidienststellen, zum Beispiel das Landeskriminalamt in Bayern, nutzten die Sondererfassungslisten aus der NS-Zeit weiter. Sinti und Roma erhielten keinerlei Entschädigung und das beschlagnahmte Eigentum wurde nicht zurück gegeben. Noch im Jahre 1956 bestätigte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil, dass eine Entschädigung nicht zu erfolgen hätte und begründete die Entscheidung mit eindeutigem NS-Vokabular rassistisch. „Es gab einen fortgesetzten staatlichen Rassismus in der BRD und der DDR und die Forschung interessierte sich nicht, resümierte Peritore.

Zum Abschluss der Eröffnung zeigte das AJZ Dessau seine neuste Filmproduktion mit dem Titel „23000 Namen gegen das Vergessen“.

Die Ausstellung ist noch bis zum 22. September 2005 in der Marienkirche zu sehen.
(mehr dazu hier..)   

Infos/Kontakt:
Alternatives Jugendzentrum Dessau
Jana Müller 
Schlachthofstr. 25
06844 Dessau
Tel.: 0340/ 26 60 21 9
e-mail: ajz-dessau@web.de

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